Bisher endeten alle Verhandlungen der
neuen Regierung in Athen mit den Finanzministern der Euro-Gruppe ergebnislos
und mit 18 eher ratlosen Gesichtern sowie einem verschmitzt lächelnden
griechischen Finanz-minister.
Es ist gar nicht so schwer zu verstehen, warum
das so ist. Jedenfalls dann nicht, wenn man sich vergegenwärtigt was Yanis
Varoufakis gemacht hat bevor er Finanzminister wurde.
Griechenlands Finanzminister: Spieltheoretiker und erklärter Gegner des ökonomischen Mainstreams
Er war bisher Wirtschaftsprofessor und die
Spieltheorie ist seine Domäne. Das mag vielen vielleicht nichts sagen. Kurz gesagt
geht es in der Spieltheorie darum, Entscheidungssituationen mit mehreren
Beteiligten zu model-lieren. Es geht darum, mit mathematisch-statistischen
Methoden das Verhalten und den Ausgang von bestimmten Verhandlungssituationen
zu prognostizieren. Oder eben umgekehrt die Frage zu beantworten, wie ein
bestimmtes Verhandlungsergebnis erreicht werden kann. In diesem Fall wird also
ein entsprechendes Spiel entworfen, das zu dem gewünschten Ergebnis führt.
Noch etwas ist wichtig zu wissen: Professor
Varoufakis ist ein erklärter Gegner der Lehren des liberal-neoklas-sischen ökonomischen
Mainstreams. (1) Warum ist das wichtig. Ganz einfach: Weil es ihm in der
Spieltheorie wie in der Wirtschaftstheorie insgesamt um realistischere Ansätze
geht, das heißt, um Ansätze, die im Unterschied zu denen des
liberal-neoklassischen Mainstreams auch erfolgreicher in der Praxis angewendet
werden können.
Was scheint uns all das über das zu sagen,
was Griechenland bei den Verhandlungen mit der Euro-Gruppe wirklich tut?
Verhandlungen mit der Euro-Gruppe: Ein Spiel nach Plan?
Yanis Varoufakis scheint in Brüssel ein „Spiel“
aufzuziehen, das zu dem von ihm gewünschten Ergebnis führen soll, wobei die
Euro-Gruppe – und auch allen anderen Beobachter - erklärtermaßen noch immer nicht
weiß, was Griechenland eigentlich wirklich genau will und wie das „Spiel“
ausgehen soll. Aber gerade das dürfte ein wesentlicher Bestandteil des Varoufakis´schen
Spiels sein.
Athen kommt mit immer neuen Vorschlägen, wurde
dabei bisher aber nie wirklich konkret. Das als Zeichen von Unprofessionalität
zu interpretieren, wäre ein schwerer Fehler. Varoufakis wendet sein Wissen an
und wer glaubt, dass alle Theorie grau
ist, hat sich zu sehr an schlechte ökonomische Theorien gewöhnt, die an der
Wirklichkeit scheitern, so wie eben die liberal-neoklassische
Wirtschaftstheorie, auf der u.a. auch das Sanierungskonzept der Troika für die
europäischen Schuldenstaaten aufgebaut ist.
Herr Varoufakis aber ist als Ökonom
angetreten, weil er es besser als der ökonomische Mainstream machen wollte. Genau
deswegen kommt er auch zu dem Schluss, dass das bisherige austeritätspolitische
Krisenmana-gement der Euro-Gruppe gescheitert ist. Für ihn ist die von der
Euro-Gruppe vorgeschlagene Verlängerung des noch laufenden Sanierungsprogramms
keine Option, weil es, wie er erst gestern wieder sagte (2), die Ursache und
nicht die Lösung der Probleme Griechenlands ist. Dass wiederum die Euro-Gruppe
ihren Vorschlag für vernünftig hält, ist ein Zeichen für deren
wirtschaftsideologisch verstellten Blick auf die Probleme der Euro-Zone. Die
von ihrem Konzept geschaffenen Fakten in den Krisenländern blenden sie offensichtlich
weitgehend aus.
Europas Probleme fordern mehr fachliche, weniger politische Kompetenz
In der neuen griechischen Regierung sitzen
mehr Professoren als in jeder anderen in der EU. Sie werden von Premier Alexis
Tsipras nicht geholt worden sein, weil sie so schöne, aber für die Praxis
untaugliche Lehren und Theorien verfechten. Sie sind sicher keine Politikprofis.
Das nicht. Aber das muss kein Nachteil sein. Denn die zu lösenden Probleme in
den Krisenländern der Euro-Zone setzen nicht in erster Linie politische,
sondern fachliche Kompetenzen voraus.
Was Europa eindeutig fehlt, sind neue,
bessere Ideen der Krisenbewältigung. Anders ausgedrückt umhüllen sich
Griechenlands Gläubiger –einschließlich des Internationalen Währungsfonds – zwar
mit der Aura überlegener fachlicher Kompetenz. Doch die bisherigen Ergebnisse
ihrer Krisenpolitik haben berechtigte Zweifel daran aufkommen lassen. Dass
Yanis Varoufakis ihnen das so unverblümt sagt, schmeckt ihnen natürlich nicht.
Letzte Zuflucht „leere Drohungen“?
Doch was wollen sie schon dagegen tun? Das
bis Freitag gesetzte Ultimatum ist de facto eine Drohung an die europäischen
Steuerzahler. Denn die müssen die Milliardenverluste schultern, wenn die
Verhandlungen platzen, Griechenland in die Pleite geschickt wird und die
gewährten Kredite abgeschrieben werden müssen. Um zu dem Schluss zu gelangen,
dass das niemand in der Euro-Gruppe wollen kann, schon gar kein
Regierungspolitiker, braucht man kein Spieltheoretiker zu sein. Und was eine
griechische Pleite letztlich für die Währungsunion und für die Finanzmärkte bedeutet,
wer will das austesten und im Zweifel dann auch politisch verantworten – in der
Euro-Gruppe?
Kein Wunder also, dass Yanis Varoufakis
Lächeln bisher nicht verschwunden ist. Ob sein „Spiel“ allerdings für
Griechenland auch wirklich aufgeht, ist noch keineswegs sicher. So ist das eben
mit Theorien, die den Praxistest noch vor sich haben. Andererseits sollte Europa
generell schon endlich mehr Mut aufbringen, neue Wege zu gehen und neue Theorien
der Krisenbewältigung zu testen. Ansonsten zerstört es sich sukzessive selbst. Vielleicht
ist es sogar genau das, worauf das Spiel des Yanis Varoufakis am Verhandlungstisch
in Brüssel zielt. Es würde mich nicht überraschen. So betrachtet streitet in
Brüssel gegenwärtig vielleicht bereits das „neue“ gegen das „alte“ politische Europa.
Das Konstrukt EU ist am Ende. Zu viel Porzellan wurde öffenlich zerschlagen (Varoufakis zur Distelblume: Lügner!) , die betrügerischen Machenschaften dieses Vereins wurden offengelegt (z. B. Ausarbeiten eines Vertrages und dann bei der Unterschrift einen anderen unterschieben). Wer will noch freiwillig zu so einem Verein gehören? Griechenland hat jetzt (hoffentlich) 4 Monate Zeit, Drachmen zu drucken, sie bereitzustellen, Verträge mit der eurasischen Union zu schliessen, insbesondere mit Russland (über Gaslieferungen und Militärbasen) und mit China (Schiffahrtskontenpunkt Piräus), und kann dann Ende Juni sagen: Good-bye Euro - und wie V. Nuland hinzufügen: F** the EU! Vielleicht wird auf diese Weise der 3. Weltkrieg verhindert. Zu wünschen wär's.
AntwortenLöschenNach dem Rücktritt von Varoufakis muss man wohl sagen, dass er den Praxistest nicht bestanden hat. Als professioneller Spieltheoretiker hatte er seinen Spaß. Als politischer Laiendarsteller steigt er nun einfach aus und hinterlässt den anderen einen Scherbenhaufen. Ich bin gespannt, wie der Ökonom Stefan Eichner den aktuellen Verlauf deutet.
AntwortenLöschenSie haben recht. Varoufakis hat den Praxistest als Politiker nicht bestanden. Was er aber als Ökonom offensichtlich vor allem nicht vermocht hat, ist, ein überzeugendes Alternativkonzept vorzulegen und auch wirksam zu kommunizieren. Letzters gilt nicht nur in Bezug auf die Gläubigergruppe, sondern vor allem auch in Bezug auf die breite Öffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit er ja in der Tat hatte.
LöschenInsofern ist auch das Resultat seines Wirkens als Politiker letztlich enttäuschend geblieben. Es reicht eben leider nicht ein ausgezeichneter Spieltheoretiker zu sein, wenn man kein gutes Blatt in der Hand hat oder die Mitspieler sich nicht bluffen lassen.
Varoufakis hätte als Wirtschaftsprofessor eine überzeugende Alternative aufzeigen müssen. Sein Amtsnachfolger ist ebenfalls Wirtschaftsprofessor. Ob er es kann, das wird sich zeigen müssen. Allerdings gilt er als Keynesianer und nach meiner Sicht der Dinge werden keynesianische Konzepte die markt- und wirtschaftsstrukturellen Probleme Griechenlands auch nicht lösen können.
Viele Grüße
SLE