Mit einer raschen Einigung im
Schuldenstreit Athens mit der Euro-Gruppe hatte gestern eigentlich niemand
gerechnet. Der Streit war nicht zuletzt in den Medien von Beginn an als simples
Kräftemessen betrachtet worden. Erwartet worden war, dass die neue griechische
Regierung am Ende doch würde klein beigeben müssen. Geht man nach den
Presseberichten, so ist genau das eingetreten. Doch ganz so einfach ist es
nicht.
Erstens ist die Sache noch gar nicht entschieden,
weil die Freigabe der Finanzhilfen wie auch bisher davon abhängt, ob die „Institutionen“
alias „Troika“ die Vorschläge Athens absegnen – in diesem Fall die bis Montag auszuarbeitende
erste Liste mit Reformmaßnahmen.
Das heißt einerseits, dass Athen die auf
die Sanierung der Staatsfinanzen zielenden „Reformzusagen“ unter dem Strich erfüllen
muss. Hier hat sich die Euro-Gruppe durchgesetzt.
Neue Reformliste
Andererseits braucht sich Athen dabei
nicht mehr an die zuvor vereinbarten Reformen zu halten, sondern kann
stattdessen solche auf die Liste setzen, die ihren neuen Zielen, Wachstums- und
Beschäftigungsaussichten dauerhaft zu verbessern, Stabilität sicherzustellen, den
Finanzsektor widerstandsfähig zu machen und soziale Fairness zu steigern, entsprechen.
Kein Schuldenschnitt
Der von Athen anfangs geforderte
Schuldenschnitt ist dagegen vom Tisch. Auch von anderen Erleichterungen des
Schuldendienstes ist in der Eurogruppen-Erklärung keine Rede mehr. Etwas mehr
finanziellen Spielraum könnte die Tsipras-Regierung möglicherweise dadurch
erhalten, dass sie laut Einigung nicht mehr einen Primärüber-schuss von drei
Prozent der Wirtschaftsleistung erzielen muss. Die Neuwahl und der
Verhandlungspoker haben sich jedoch negativ auf die griechische Wirtschaft ausgewirkt.
Es ist insofern wahrscheinlich, dass es sich bei diesem Punkt lediglich um eine
Anpassung des Ziels handelt und nicht um ein finanzielles Zugeständnis.
Altes Programm abschließen, neues Krisenkonzept erarbeiten
Griechenland wird also das aktuelle Programm
zu Ende führen müssen, hat aber beim Reformpaket Flexibilität erhalten. Wie sie
diese nutzt, entscheidet im Wesentlichen auch darüber welchen Spielraum die
Regierung Tsipras hat, um bereits anvisierte Maßnahmen zur Linderung der
humanitären Krise zu ergreifen.
So oder so wird sie dies nicht ohne
vorherige Abstimmung mit den „Institutionen“ tun können. Sie sichert sich aber durch
die Verlängerung des Hilfsprogramms die Finanzierung für die kommenden vier
Monate und kann diese Zeit nun nutzen, um ein eigenes krisenpolitisches Konzept
zu erarbeiten.
Letzteres ist eine Kernforderung Athens
gewesen. Tispras und sein Finanzminister Varoufakis wollten Zeit, um ein
eigenes, auf Wachstum und Beschäftigung gerichtetes sowie sozial faires Konzept
zu entwickeln. Dafür haben sie in den sauren Apfel der Programmverlängerung
beißen müssen.
So betrachtet hat die neue griechische
Regierung viel erreicht. Sie kann auf sozial gerechtere und für das griechische
Wirtschaftswachstum unschädliche Reformen umschwenken – soweit sie dafür das O.K.
der „Institutionen“ bzw. der Troika bekommt. Und sie kann jetzt ein eigenes
Konzept zur Überwindung der Krise Griechenlands erarbeiten. Von diesem muss sie
dann allerdings auch erst wieder die Partner in der Euro-Gruppe überzeugen,
sofern sie nicht in der Lage ist, die Finanzierung aus eigener Kraft
sicherzustellen, was wenig wahrscheinlich ist.
Vier Monate Zeit für den großen Wurf
Mit anderen Worten will und muss die
Tsipras-Regierung nun unter Beweis stellen, dass sie eine Krisenpolitik entwickeln
und verfolgen kann, die besser als die der Troika funktioniert. Sie muss dabei aber
nicht nur die Partner in der Euro-Gruppe überzeugen, sondern vor allem auch die
griechische Bevölkerung, die sie genau deswegen gewählt hat.
Das ist eine Herkules-Aufgabe und vor
allem etwas, was noch keiner Regierung in Europa gelungen ist. Die Opposition
im griechischen Parlament kann sich nun entspannt zurücklehnen und abwarten, ob
ihr dieses Kunststück gelingt oder ob sie scheitert und es dann bald wieder
Neuwahlen gibt.
Was die Euro-Partner anbelangt, so hat die
Mannschaft von Alexis Tsipras vielleicht allerdings keine gar so schlechten Karten
mehr, Unterstützung für ihr Konzept zu bekommen. Die Europäische Kommission
unter Jean-Claude Juncker will sich anders als die Bundesregierung vom
einseitigen austeritätspolitischen Kurs verabschieden. Griechenland könnte der
Hebel dafür sein, dass das gelingt und leistet nun obendrein die für ein
alternatives gesamteuropäisches Konzept notwendige Vorarbeit. Sie wird Athen
helfen.
Die Troika ist bald Geschichte
Die EZB wiederum wird sich sehr wahrscheinlich
bald aus der Troika verabschieden. Der EuGH wird, wenn er dem Gutachten des
Generalanwalts am EuGH folgt, was zu erwarten ist, zwar Staatsanleihenkäufe der
EZB gutheißen, nicht aber die Einflussnahme der EZB auf die Reformprogramme in
den Krisenstaaten. (1) Ohnehin wäre es Mario Draghi lieb, wenn er nicht mehr
die Feuerwehr für die Politik spielen müsste, weil die ihren Part bei der Krisenbewältigung
nicht erfüllt.
Und der Internationale Währungsfonds? Gerade
im Falle Griechenlands gab es immer wieder erhebliche Spannungen der Mitglieder
der Troika untereinander. Es ist also nicht so, dass hier immer alle an einem
Strang gezogen hätten. Auch das Europäische Parlament steht der Troika schon
länger kritisch gegenüber. Kommis-sionspräsident Juncker wiederum hat bereits
gesagt, dass er sich eine andere Lösung vorstellen kann. Mit der Absage an die
Troika rennt die griechische Regierung auf europäischer Ebene also durchaus offene
Türen ein.
Eine Chance, Maßstäbe für die europäische Krisenpolitik zu setzen
Es ist nicht klar, wer stattdessen künftig
die Hilfsprogramme überwachen und die Fortschritte kontrollieren wird. Es ist
auch nicht klar, nach welchen Maßgaben dies künftig geschehen wird. Aber es ist
nicht unwahrscheinlich, dass es nicht mehr dieselben wie bisher sein werden. Denn
die Troika hat sich – unter dem Strich – nicht bewährt.
So betrachtet hat die neue griechische
Regierung nunmehr die Chance, mit ihrem eigenen Reform- und Krisen-konzept neue Maßstäbe
zu setzen, die in die künftige europäische Krisenpolitik einfließen könnten.
Diese Chance steckt in der erzielten
Einigung mit der Eurogruppe. Die griechische Regierung als Verlierer dieser
Einigung zu sehen, nur weil sie der Verlängerung des Hilfsprogramms und der
Zusammenarbeit mit der Troika zähneknirschend zustimmen musste, wird dem
Verhandlungsergebnis nicht gerecht. Es kommt darauf an, was Griechenland in den
nächsten vier Monaten daraus zu machen versteht.
Es ist traurig mit anzusehen was die Politik mit den Griechen veranstaltet. Sicher haben die Grichen ihre Probleme aber das was die Politiker seit Jahren machen bringt auch keine Fortschritte ganz im gegenteil. Mittlerweile ist die Griechische Wirtschaft um 25% gesunken die Menschen dort haben das Vertrauen gegenüber allen verloren und aus Angst was jetzt passieren wird ziehen sie ihr Geld von den Banken. Wann hat der Spuck ein Ende?
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