Auch heute, am ersten Handelstag der neuen
Woche, sind in China die Börsenkurse wieder eingebrochen. Der Shanghai
Composite verlor 5,33 Prozent, der CSI 500 gab sogar 6,72 Prozent nach und auch
in Hongkong rutschte der Hang Seng mit 2,76 Prozent tief ins Minus. Die
Krisengefahr in China ist nicht gebannt und das Regime in Peking erweckt nicht
den Eindruck, diese Gefahr ausräumen und die Märkte beruhigen zu können.
Die Sorge um China ist die Sorge um die tatsächliche Robustheit der westlichen Marktwirtschaften
Dabei richten sich die Sorgen der Anleger an
den weltweiten Börsen weniger auf die chinesischen Aktien als vielmehr auf die
sich weiter eintrübenden wirtschaftlichen Perspektiven in China. Was die hohe
Unsicherheit noch weiter verstärkt, ist die Informationspolitik der Führung in
Peking. Unter dem Präsidenten Xi Jinping wurde die Zensur in China sukzessive
drastisch verschärft und dadurch bedingt die tatsächlichen Probleme sowie vor
allem deren Ausmaß verschleiert. Was sehr viele inzwischen befürchten, ist,
dass es um die chinesische Wirtschaft sehr viel schlechter steht als offiziell
zugegeben wird und nun die enorme Nachfrage Chinas, die in den letzten Jahren
die Weltwirtschaft und insbesondere auch die Schwellenländer stabilisiert hat,
dauerhaft verloren gehen könnte.
Vielleicht könnte man es sogar noch etwas
pointierter ausdrücken: Chinas Krise enthüllt eigentlich nur die Krise, in der
die ganzen westlichen Marktwirtschaften schon seit spätestens 2008 stecken.
Das ist die vielleicht beste Erklärung für
die immer wieder neu ausbrechenden Turbulenzen an Chinas Börsen und die dadurch
bedingten Kurseinbrüche an den weltweiten Börsen.
Kontrollverlust in China, Kontrollillusion im Westen?
All das mündet in die letztlich wirklich
entscheidende Frage, nämlich ob Chinas Probleme außer Kontrolle geraten und
damit den nächsten großen globalen Crash auslösen, den viele schon lange
prophezeien.
Keine Frage, die Flut billigen Geldes der
Notenbanken, die Rettung der Großbanken und groß angelegte Konjunkturprogramme
haben den Absturz von Finanzmärkten und Weltwirtschaft, der auf den Crash der
Börsen nach der Lehman-Pleite folgte, gestoppt und sogar eine Erholungsprozess
eingeleitet. Doch kaum jemand bezweifelt ernsthaft, dass lediglich eine sehr
fragile Stabilität erreicht worden ist. Zwar haben sich die Aktienkurse an den
Börsen längst über das Vorkrisenniveau hinaus erhöht. Doch das
Wirtschaftswachstum ist weltweit schwach geblieben.
Und damit wird auch wieder die Frage neu
aufgeworfen, die viele nach dem Crash von 2008 für längst beantwortet gehalten
haben: Haben wir wirklich verstanden, was solche Mega-Crashs wie den von 1929
und 2008 auslöst und wie sie verhindert werden können?
Die Ursachen der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise 2008/2009 wurden nie vollständig ergründet
Lassen Sie uns ehrlich sein: Sowohl die
Notenbanken als auch die Regierungen sowie vor allem aber auch die führenden
Ökonomen wurden von der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise 2008 nicht nur
überrascht, sie waren zunächst völlig ratlos. Was auf diese Phase der
Ratlosigkeit folgte, war nichts anderes als eine Politik der Experimente. Eine
grundlegende Analyse der Ursachen der Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise ist
bis heute nicht erfolgt. Es ist ja irgendwie gut gegangen – bis jetzt
jedenfalls. Die Finanzmarktkrise wurden als Folge unverantwortlicher Zockerei
der Banken und als alleinige Ursache der Weltwirtschaftskrise angesehen und
abgeschrieben.
Als dann das Schlimmste gebannt war,
wollte sich bei den Entscheidern niemand mehr mit der Frage auseinandersetzen,
ob das wirklich die richtige Erklärung für die große Krise gewesen ist. Die
europäische Schuldenkrise trug ebenfalls dazu bei, dass die Krise von 2008/2009
nie wirklich aufgearbeitet wurde. Es waren ja „neue“ oder genauer gesagt
Folge-Probleme zu lösen.
Doch die Anleger und Investoren haben das alles
nicht vergessen. Mit den Problemen Chinas kommen die alten, unbeantworteten
Fragen nun wieder ins Bewusstsein. Was aber sind die Antworten? Und wie real
ist die Gefahr eines neuen großen, globalen Crashs? Es macht Sinn, sich damit
zu beschäftigen bevor das Kind wieder in den Brunnen gefallen ist.
Was sind die Ursachen der Krisenanfälligkeit? Woraus resultiert die Gefahr eines großen Crashs?
Für die Beantwortung beider Fragen kommt
es auf die Perspektive an, aus der man auf die Situation auf den globalen
Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft schaut oder anders ausgedrückt worauf
genau man schaut, was man als zentrale Ursachen für eine mögliche neue große
Krise ausmacht. Plakativ ausgedrückt geht es dabei um die Suche nach der Mutter
aller Probleme und zwar sowohl auf den Finanzmärkten als auch in der Realwirtschaft.
Beide Sphären haben jeweils eigene,
voneinander unabhängige, aber eben auch gemeinsame Probleme. Beispiele dafür
sind die Risiken des Derivatehandels, des Kreditgeschäfts und die großangelegte
Manipulation von Zinsen und Währungen. In der Realwirtschaft sind Probleme
unter anderem die erkennbare Sättigung von Märken und, wie der VW-Abgasskandal
deutlich machte, ebenfalls Manipulationen.
Dass es spezifische eigene, aber auch
gemeinsame Probleme gibt, ist ein wichtiger Punkt. Ein weiterer wichtiger Punkt
auf der Suche nach den zentralen Ursachen für Instabilität und für einen daraus
möglicherweise folgenden neuen großen Crash ist, dass sich die Entwicklung auf
den Finanzmärkten zwar weitgehend von der realwirtschaftlichen Entwicklung
entkoppelt hat. Aber Finanzmärkte und Realwirtschaft brechen im Falle einer
ernsten Krise beide gemeinsam massiv ein. So geschah es nach 1929 und auch nach
2008.
Damit wird der Blick speziell auf die
gemeinsamen Probleme gelenkt.
Die Frage nach der „Mutter“ aller Probleme der globalen Märkte
So betrachtet ist die Frage nach der
Mutter aller Probleme, die chronische Instabilität und latente
Krisenanfälligkeit verursacht, eigentlich leicht zu beantworten:
Die globale Finanz- und die globalen realwirtschaftlichen
Märkte sind ausgereifte, gesättigte und mit – insbesondere auch als Folge hoher
und weiter steigender Einkommens- und Vermögenskonzentration – rückläufiger
Nachfrage kämpfende Märkte, die jeweils von nur noch sehr wenigen, sehr großen
Banken bzw. Konzernen beherrscht werden.
Zusammenfassend resultiert in dieser
Perspektive das Risiko eines neuen großen globalen Crashs aus der Kombination
ausgereifter, stagnierender Märkte und sehr hohen Konzentrationsgraden
(Unternehmenskonzentration sowie Einkommens- und Vermögenskonzentration) sowie
den daraus resultierenden massiven Ungleichgewichten, einschließlich jener
zwischen den Volkswirtschaften weltweit.
Die Flut billigen Geldes der Notenbanken
und die in den letzten Jahren starke chinesische Wirtschaft haben diese nach
wie vor bestehenden und sich weiter zuspitzenden Probleme nicht ausgeräumt,
sondern deren Lösung lediglich in die Zukunft verschoben. Mit den aktuellen
Turbulenzen in China infolge des sich stark abschwächende Wachstums der
chinesischen Wirtschaft brechen diese ungelösten weltwirtschaftlichen Probleme
wieder auf. Mehr noch beginnt sich abzuzeichnen, dass die Geldflut der
Notenbanken 2008/2009 zwar das Schlimmste verhindert, aber andererseits die
Fallhöhe der Finanzmärkte noch deutlich erhöht hat.
Das lässt sich mit einem Blick auf die
langfristige Entwicklung- der Einkommens- und Vermögenskonzentration sowie der
Unternehmenskonzentration/zunehmenden Dominanz weniger, immer größerer
Unternehmen (als Folge von Mega-Fusionen und Übernahmen) verdeutlichen.
Vermögenskonzentration
Abbildung
1 veranschaulicht wie sich das globale Privatvermögen zwischen 2000 und
2015 entwickelt hat. 2000 und 2007 markieren Jahre des Einbruchs an den Börsen.
Gut zu erkennen ist, dass das Platzen der New-Economy-Blase 2000 nach
Vermögensschätzungen der Credit Suisse eine nur geringe Reduzierung des
globalen Privatvermögens nach sich zog, im Unterschied zum Börsencrash von
2008.
Abbildung 1: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Viel wichtiger erscheint aber die
Tatsache, dass das globale Privatvermögen – abgesehen von den beiden
Rücksetzern – über den gesamten Zeitraum bis 2014 immer weiter angestiegen ist.
2015 ist es gegenüber dem Vorjahr erstmals wieder gesunken. Allerdings ins
dabei zu berücksichtigen, dass sich die Vermögensschätzung der Credit Suisse
auf die Mitte des Jahres 2015 bezieht. Es ist gut möglich, dass die Schätzung
noch korrigiert werden muss. Der erste größere Börsencrash in China erfolgte
erst im August 2015 und er vernichtete Kapital in Höhe mehrerer Milliarden.
Die Zunahme des globalen Privatvermögens
nach 2008 muss vor dem Hintergrund der Tatsache bewertet werden, dass es sich
erstens zu einem großen Teil in Händen weniger befindet (hohe
Vermögenskonzentration) und zweitens auch regional sehr stark konzentriert ist.
Der in Abbildung 1 veranschaulichte Anstieg des globalen Privatvermögens nach
2008 bedeutet insofern einen weiteren Anstieg der Vermögenskonzentration
generell sowie vor allem auch regional.
Um die regionale Vermögens-Entwicklung und
(indirekt) Konzentration in den zehn Ländern mit dem größten Privatvermögen geht
es in Abbildung 2.
Abbildung 2: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Wie schon in Abbildung 1 sind auch hier
die Jahre 2000 und 2007 rot hervorgehoben. Über den Säulen ist zudem
ausgewiesen, um wie viel sich das Privatvermögen in den zehn Ländern zwischen
2008, also dem Jahr des Börsencrashs, und 2015 prozentual ausgedrückt
vergrößert oder reduziert hat. Da das Privatvermögen in US-Dollar angegeben
wird, spielen Währungseffekte natürlich eine Rolle. Japan hat seine Währung im
Zuge der „Abenomics“ stark abgewertet. Gerade auch deswegen ist das
Privatvermögen in Japan stark geschrumpft. Bei den in der Abbildung
aufgeführten Ländern der Euro-Zone ist zu berücksichtigen, dass der Euro
zuletzt gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat.
Davon abgesehen lässt sich jedoch
konstatieren, dass sich der in Abbildung 1 veranschaulichte Anstieg des
globalen Privatvermögens um 59,997 Billionen Dollar zwischen 2008 und 2015 vor
allem aus dem Anstieg in den reichsten Ländern erklärt. So vergrößerte sich das
Privatvermögen in Großbritannien um 5,98 Billion, in China um 10,071 Billionen
und in den USA sogar um unglaubliche 33,684 Billionen Dollar. Das heißt, in
diesen drei Staaten erhöhte sich das Privatvermögen im angegebenen Zeitraum
zusammengerechnet um 49,735 Billionen Dollar.
Die USA, China und Großbritannien sind
Länder mit bekanntermaßen sehr hoher Vermögenskonzentration. (1) Das bedeutet,
zwischen 2008 und 2015 hat sich die Vermögenskonzentration regional sowie unter
den Reichsten nochmals signifikant erhöht. Anders ausgedrückt haben sich die ungleiche
Verteilung des globalen Privatvermögens bzw. die Ungleichgewichte in der
Vermögensverteilung nach 2008 erheblich vergrößert.
Das zeigt sich exemplarisch auch beim
Blick auf die langfristige Entwicklung des Anteils der reichsten 1 Prozent und der
reichsten 0,5 Prozent der US-Amerikaner am gesamten Privatvermögen in den USA,
die in Abbildung 3 dargestellt ist.
Abbildung 3: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Wie zu erkennen ist, ist die
Vermögenskonzentration bei den reichsten 1 Prozent der US-Amerikaner bis 2012
auf über 40% gestiegen, der Anteil der reichsten 0,5 Prozent am privaten
Gesamtvermögen in den USA auf rund 35 Prozent. Aus Abbildung 2 oben ist
ersichtlich, dass es in den USA in den Jahren 2013-2015 sogar einen
sprunghaften Anstieg bei den Privatvermögen gegeben hat. Das lässt aufgrund der
hohen Vermögenskonzentration in den USA darauf schließen, dass sich dort
insbesondere das Vermögen der reichsten 1 und 0,5 Prozent nochmals kräftig
vergrößert hat.
Gedanklich lassen sich folglich die
entsprechenden Kurven in Abbildung 3 nach 2012 bis 2015 nach oben verlängern
womit sich die Vermögenskonzentration in den USA bis 2015 stark an die
historisch bisher einmaligen Verhältnisse angenähert haben dürfte, die dort
Ende der 20er Jahre, das heißt vor dem großen Börsencrash von 1929, herrschten.
Unternehmenskonzentration
Eingangs wurde bereits angesprochen, dass
die globalen Märkte nicht nur ausgereift und weitgehend gesättigt sind.
Vielmehr wurde auch darauf hingewiesen, dass sie meist von nur wenigen, sehr
großen Unternehmen/Banken dominiert werden. Betrachtet man das Geschehen auf
dem Markt für Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions (M&A))
sowie speziell auch die vielen Megafusionen in den letzten 25 Jahren sowie insbesondere
auch in 2015 (Beispiele: Pfizer – Allergan (113 Mrd. Dollar, Dell – EMC (67
Mrd. Dollar), Anthem – Cigna (54,2 Mrd. Dollar), dann lässt sich feststellen,
dass sich diese Dominanz weiter vergrößert hat und auf noch weniger Großkonzerne
verteilt. Das heißt, ein immer größerer Anteil der auf den Weltmärkten
generierten Umsätze und Gewinne fällt bei einer kleiner werdenden Zahl sehr
großer, börsennotierter Konzerne an.
Betrachtet man den Zeitraum 1990 bis 2015,
dann lassen sich regelrechte Fusionswellen differenzieren, wobei diese im Takt
der großen Börsencrashs beginnen bzw. enden. Das geht aus Abbildung 4 hervor, in der für die einzelnen Jahre jeweils das
angekündigte Volumen an Fusionen und Übernahmen in US-Dollar angegeben ist.
Abbildung 4: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Die Daten legen nahe, dass die
Fusionswellen ein Indikator für das Risiko von Börsencrashs sind. Wie schon in
den vorangegangenen Abbildungen sind auch hier die beiden Krisenjahre 2000 und
2007 als Höhepunkte in einem Entwicklungsabschnitt rot hervorgehoben. Nach den
Daten von Thomson Reuters markiert das Jahr 2015 beim Gesamtwert der
angekündigten Fusionen und Übernahmen einen neuen Allzeitrekord.
Das muss nicht notwendigerweise bedeuten,
dass die Fusionswelle 2016 mit einem neuen großen Crash bricht. Nimmt man
jedoch die Fusionswellen als Crash-Indikator, dann ist das Crash-Risiko bis
Ende 2015 in jedem Fall deutlich gestiegen.
Nachvollziehen lässt sich dies mit der
einfachen Überlegung, dass – angesichts weitgehend gesättigter globaler Märkte
– die Stabilität oder das Wohl und Wehe der globalen Wirtschaft 2016 in noch
höherem Maße als jemals zuvor von einer sehr kleinen Zahl sehr großer Konzerne
abhängt, die sich zudem überwiegend in nur wenigen Volkswirtschaften ballen.
Damit wird zugleich das Ausmaß der
Abhängigkeit ganzer Volkswirtschaften von wenigen Konzernen klar und wie nahe,
angesichts der anhaltenden Instabilität und hohen Krisenanfälligkeit der
globalen Wirtschaft und Finanzmärkte, wirtschaftliche Prosperität und
wirtschaftlicher Absturz heute beieinander liegen. Abrupt eintretende, tiefe
Krisen sind damit vorprogrammiert.
Die hohe Vermögenskonzentration in den USA
(siehe Abbildung 3) korrespondiert offensichtlich mit den Fusionswellen
(Abbildung 4) und der Entwicklung an den Aktienbörsen. Abbildung 1 verdeutlicht,
dass das globale Privatvermögen mit dem Crash von 2008 massiv einbrach und in
dem bis heute anhaltenden Aufschwung an den Börsen wieder erheblich angestiegen
ist. Die Aktien profitierten dabei von der Flut billigen Geldes der großen
Notenbanken. Die Vermögenden wiederum profitierten von der steigenden
Unternehmenskonzentration oder genauer gesagt davon, dass infolge der Welle von
Fusionen (speziell Megafusionen) und Übernahmen ein immer größerer Anteil der
weltweit erwirtschafteten Gewinne auf eine immer kleinere Zahl von (börsennotierten)
Unternehmen entfällt.
Doch der Anstieg der Aktienkurse und das
externe Unternehmenswachstum (durch M&A) finden keine Entsprechung in der
Entwicklung des globalen Wirtschaftswachstums. Der Anstieg der Aktienkurse
lässt sich folglich nicht ohne weiteres aus den allgemeinen Gewinnperspektiven
ableiten, sofern man dabei auf die Trends beim globalen Wirtschaftswachstum
rekurriert, wie die in Abbildung 5
dargestellten Wachstumsraten für die EU, die G7-Länder und Großbritannien im
Zeitraum 2003 bis 2015 belegen.
Abbildung 5: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
Aus den Fusionswellen resultiert auch kein
erkennbarer positiver Effekt beim globalen Wirtschaftswachstum. Im Gegenteil
erklärt sich die neue, 2009 angelaufene Fusionswelle offensichtlich gerade aus
dem geringen und in den letzten Jahren tendenziell weiter zurückgehenden Markt-
und Wirtschaftswachstum, speziell auch in den Schwellenländern. Es geht dabei folglich
nicht um die Verbesserung der Chancen im internationalen Wettbewerb zur
Generierung von Gewinnen auf wachsenden Märkten. Vielmehr geht es um Vergrößerung
des Marktanteils auf gesättigten Märkten durch Zukäufe bei gleichzeitiger
Realisierung von Kostenersparnissen.
Die neue Fusionswelle ist insofern ein Hinweis
auf ein taktisches Vorgehen, bei dem sich verschlechternde Umsatz- und Gewinn-Wachstumsperspektiven
auf den Weltmärkten kaschiert werden. Letztlich werden vor allem
Kostensenkungspotenziale realisiert und damit der Zeitpunkt herausgeschoben, an
dem sich die eintrübende gesamtwirtschaftliche bzw. weltwirtschaftliche Lage
erkennbar in den Bilanzen niederschlägt.
Insofern verschleiert die aktuelle Fusionswelle
die sich verschlechternden wirtschaftlichen Perspektiven von Unternehmen auf
den globalen Märkten. Auch die Anleger tragen dazu bei. Denn an den Börsen wird
sie direkt oder indirekt positiv gewertet, was sich in steigenden Aktienkursen
widerspiegelt. Zudem hat auch die Flut billigen Geldes, die hauptsächlich in Finanzanlagen,
aber eben nicht, wie von den Notenbanken angestrebt, in die Realwirtschaft
geströmt ist, die Aktienkurse beflügelt. Die Entwicklung der Aktienkurse an den
Börsen hat sich zunehmend von den realen weltwirtschaftlichen Perspektiven abgekoppelt
und das ist ein Problem, wie Abbildung 6
veranschaulichen soll.
Einkommenskonzentration, Fusionswellen und große Börsencrashs
Die Abbildung 6 zeigt die langfristige
Entwicklung der Einkommenskonzentration in den USA sprich den Anteil der Top-1-
und der Top-0,5-Porzent der Einkommenspyramide am gesamten Einkommen in den
USA. Es ergibt sich eine ähnliche Entwicklung wie bei den Top-Vermögenden in
den USA (siehe Abbildung 3). Allerdings gibt es bei den Top-Einkommen viel
stärkere Schwankungen.
Abbildung 6: Zum Vergrößern bitte Abbildung anklicken!
In die Darstellung zu den Top-US-Einkommen
wurden nachträglich die Fusionswellen sowie auch große Börsencrashs
eingezeichnet (vergleiche dazu auch (2) und (3)).
Gut zu erkennen ist, dass
Top-Einkommensanteilsspitzen (in den USA) abgesehen von einer Ausnahme
(1984-1989) immer mit Höhepunkten von Fusionswellen zusammenfielen und der
Anstieg des Anteils der Top-Einkommen sowie die Fusionswellen, wiederum
abgesehen von einer Ausnahme (1969), jeweils mit einem Börsencrash endeten.
Mehr noch zeigt die Abbildung 6, dass die
Fusionswellen seit Anfang der 80er Jahre in kurzen Abständen aufeinander folgten.
Das heißt aber vor allem auch, dass die Unternehmenskonzentration bzw. die
Dominanz weniger, sehr großer Konzerne auf den globalen Märkten seit Mitte der
80er bis heute immer weiter gestiegen ist. So etwas hat es historisch
betrachtet in dieser Form noch nicht gegeben.
Es wäre voreilig, vor diesem Hintergrund
den nächsten großen Crash für 2016 prognostizieren zu wollen. Möglicherweise
setzt sich die Fusionswelle auch 2016 noch fort. Eventuell kühlen sich die
Aktienmärkte weltweit vorübergehend erst einmal nur etwas ab und beim Anstieg
der Einkommens- und Vermögenskonzentration gibt es gegebenenfalls eine Pause.
Dennoch ist die über die letzten Dekaden enorm gestiegene Konzentration bei
Unternehmen, Einkommen und Vermögen in Verbindung mit ausgereiften, überwiegend
gesättigten globalen Märkten bei zugleich steil und über das Vorkrisenniveau
von 2007 hinaus gestiegenen Aktienkursen ein klarer Hinweis auf eine sehr hohe
Crashgefahr für die globalen Märkte.
Die Situation, die sich durch die beschriebenen
Konzentrationsprozesse inzwischen ergeben hat, ist gleichbedeutend mit
massiven, in dieser Form bisher nicht gekannten Ungleichgewichten auf
verschiedenen Ebenen der Weltwirtschaft. Und sie ist gleichbedeutend mit einer
sehr hohen systemischen Instabilität, bei der globale Stabilität und globaler
Crash nur einen Wimpernschlag weit auseinander liegen.
China könnte der Auslöser eines neuen
großen, globalen Crashs sein. Vielleicht aber auch nicht. In Jedem Fall kann
das Unvermögen des zentralistischen chinesischen Regimes, die Turbulenzen an
den chinesischen Börsen, die Kapitalflucht und die wachsenden Probleme der
chinesischen Wirtschaft in den Griff zu bekommen, als ein Zeichen dafür
gewertet werden, dass das Umsteuern weltweit problematisch geworden ist.
Insofern ist es aber auch sehr fraglich
geworden, ob Notenbanker und Regierungen weltweit in der Lage sind, eine neue
Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise, die sie bis jetzt nicht kommen sehen,
abzuwenden oder sie, so wie 2008/2009, zu stoppen, wenn sie bereits abrupt mit
einem großen Crash begonnen hat.
Schaut man sich dazu nochmals Abbildung 6
an, dann können einem daran große Zweifel kommen.
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