Montag, 27. Juni 2016

Keine Überraschungen bei der Wahl in Spanien, Regierungsbildung unverändert schwierig



Viele hatten erwartet, dass das Brexit-Votum und Korruptionsskandale um die konserva­tive Regierungspartei die Neuwahl in Spanien beeinflussen würden. Doch das Wahlergeb­nis sieht nicht danach aus.

Wahlergebnis in Spanien: Es bleibt wie es war - vertrackt

Bei praktisch gleich hoher Wahlbeteiligung wie im Dezember 2015 (69 Prozent) wurden – allen Korruptionsskandalen zum Trotz – die Konservativen von Premier Mariano Rajoy (Partido Popular (PP)) mit einem Stimmenanteil von 33,03 Prozent (2015: 28,71 Prozent) und 137 Sitzen (2015: 123) erneut stärkste Partei. Sie konnte sich sogar deut­lich verbessern. In Reichweite der absoluten Mehrheit (176 Sitze) kam sie jedoch nicht und das bedeutet, dass sie genau wie im Dezember einen Koalitionspartner finden muss, um weiterregieren zu können.
Die Linkspartei Podemos, die in einem Bündnis mit der Vereinigten Linken (Iu) („Unidos Podemos“) ins Rennen gegangen ist, blieb hinter den Erwartungen zurück, vor allem auch hinter den eigenen. Alle Umfragen hatten darauf hingedeutet, dass Unidos Podemos die Sozialisten von Pedro Sánchez als zweitstärkste Kraft im Parlament würden ablösen können. Doch das ist nicht geschehen. Mit einem Stimmenanteil von 21,1 Prozent und 71 Sitzen erreichte das Bündnis ein schlechteres Ergebnis als die beiden Parteien Pode­mos und Iu zusammengerechnet bei der Wahl im Dezember. Parteichef Pablo Igelsias zeigte sich enttäuscht.
Die Sozialisten (PSOE) konnten ihre Position als zweitstärkste politische Kraft zwar halten und ihren Stimmanteil von 22 Prozent (2015) leicht auf 22,66 Prozent erhöhen. Gleichwohl verloren sie bedingt durch die Besonderheiten des spanischen Wahlsystems fünf Sitze und werden im neuen Parlament mit nur noch 85 Abgeordneten vertreten sein.
Die konservativ-liberale Newcomer-Partei Ciudadanos verschlechterte sich ebenfalls gegenüber ihrem Wahlresultat im Dezember. Sie erhielt nur noch 13,05 Prozent der Stimmen (2015: 13,94 Prozent) muss allerdings acht Sitze im Parlament abgeben, in das sie künftig 32 Abgeordnete entsenden kann.

Große Koalition bleibt die wahrscheinlichste Lösung

Das bedeutet: Für die Regierungsbildung kommt praktish lediglich eine von der PP geführte Große Koalition mit den Sozialisten (PSOE) oder eine von der POSE geführte linke Regierungskoalition in Betracht. Allerdings haben PSOE und Unidos Podemos zusammen keine absolute Mehrheit. Sie sind also auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen.
Die Spanier hatten wenig Verständnis für die egoistischen Streitereien der Parteien, an denen die Bildung einer neuen Regierung gescheitert und eine Neuwahl nötig geworden war. Der Druck auf die Parteien, sich nun irgendwie zusammen zu raufen, ist deswegen sehr groß.
Trotzdem wird es sehr schwierig werden, die aufgebauten Unversöhnlichkeiten und persönlichen Animositäten aus dem Weg zu räumen. Gerade Spitzenpolitiker werden über ihren Schatten springen müssen und das könnte durchaus auch das Ende von politischen Karrieren bedeuten.

Am Morgen zunächst keine neuen Turbulenzen an den Börsen

Es ist nicht absehbar, ob die Politiker der Parteien mit Regierungsoption wirklich bereit sein werden, in den sauren Apfel zu beißen und einen erwartbar hohen Preis für die Regierungsverantwortung zu bezahlen. So lange bleibt auch nach dieser Wahl in Spanien alles in der Schwebe. Diese Problematik, das heißt die politische Lähmung, bleibt Spanien folglich zunächst erhalten.
Das sind keine guten Nachrichten aus dem viertgrößten Euro-Land für Europa. Sie addieren sich für die Europäische Union zu den Komplikationen, die sich aus dem Brexit-Entscheid der Briten ergeben haben. Lösungen sind vorerst nicht in Sicht. Das sorgt für Unsicherheit.
Doch wenigstens an den Finanzmärkten ist es am Montagmorgen vergleichsweise ruhig geblieben. Die Börsen in Japan und China, auf wegen des Brexit-Votums die mit Sorge geschaut worden war, beendeten den Handel deutlich im Plus. An Europas Börsen startete der Handel zwar im Minus. Starke Einbrüche gab es allerdings zunächst nicht.

Fragile Ruhe

Die relative Ruhe an den Märkten hat Gründe. Im Moment werden sich viele an die Hoff­nung klammern, dass das britische Parlament den Brexit irgendwie doch nicht Realität werden lässt. Doch das ist eine überaus kühne und letztlich wenig realistische Hoffnung. Sie wird in dem Moment zunichte gemacht, in dem die britische Regierung gegenüber der EU offiziell den Austritt Großbritanniens erklärt.
Für eine Entwarnung ist es also in jedem Fall zu früh. Die allgemeine Besorgnis, das Wissen um die überaus zähen politischen Prozesse auf europäischer Ebene, um die Un­fähigkeit der europäischen Staats- und Regierungschefs zu klaren, raschen Entscheidun­gen im Europäischen Rat und der sich abzeichnende Wackelkurs der Regierung in London wird dafür sorgen, dass die Nervosität an den Märkten weiter sehr hoch bleibt. Denn jeder wird sich daran erinnern, dass nicht die Staats- und Regierungschefs der sich immer weiter zuspitzenden Euro-Krise ein Ende bereiteten, sondern EZB-Chef Mario Draghi.
Ob er und sein Kollege in der Bank of England im Fall der Fälle auch in der Brexit-Krise die Kohlen für Europa aus dem Feuer zu holen vermögen, ist keineswegs garantiert. Das Rad hat sich seit 2012 weitergedreht. Die Ausgangslage an den Finanzmärkten ist heute für die Notenbanken eine sehr viel schwierigere.

1 Kommentar:

  1. In Spanien sind die Militär- und Geheimdienst-Contractors für die Wahlen mit Wahlmaschinen zuständig. Wie man die Ergebnisse solcher "Wahlmaschinen" einseitig verändert, hat der CCC Chaos Computer Club nachgewiesen. Das Wahlergebnis ist unglaubwürdig.

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