Dienstag, 4. November 2014

Drohende Weltwirtschaftskrise: Phase 4 der Krisenbekämpfung



Die Krisenbekämpfung in den Industrieländern seit der Finanzmarktkrise lässt sich in Phasen unterteilen. Drei Phasen wurden bisher durchlaufen. Der Eintritt in eine neue, vierte Phase scheint sich gerade zu vollziehen.

Die ersten drei Phasen der Krisenbekämpfung nach der Lehman-Pleite

Die erste Phase, die unmittelbar nach der Lehman-Pleite startete, war die des Schocks und der Ratlosigkeit. Angesichts dieser Ratlosigkeit bei gleichzeitig dringender Handlungsnotwendigkeit aufgrund der sich verschärfenden Talfahrt begann die zweite Phase, nämlich die der Notmaßnahmen zur Verhinderung des Schlimmsten und damit zugleich auch die des Experimentierens. Das Quantitative Easing, Bankenrettungen und Konjunkturprogramme (wie z.B. die „Abwrackprämie“ in Deutschland), alles, was der Instrumentenkasten hergab, wurde in die Waagschale geworfen.
Die dritte Phase war die des Streits der Politiker und Ökonomen über die geeigneten Maßnahmen, um das primär infolge der teuren Krisenpolitik und des Wirtschaftsabsturzes in der ersten Phase entstandene Problem rasant gestiegener Staatsschulden in den Griff zu bekommen und zugleich für stabiles Wirtschaftswachstum zu sorgen. Dieser Streit setzte sich in Europa über die europäische Schuldenkrise hinaus bis heute fort.
Das gilt aber nicht nur für Europa. Es trifft ebenso für Japan zu, wo aus diesem Grund Regierungschefs stürzten und der amtierende Premier Shinzo Abe zuletzt auf den riskanten Kurs einer ultralockeren Geldpolitik, kombiniert mit Konjunkturprogrammen und Strukturreformen, umschwenkte. Und es gilt natürlich gleichfalls für die USA, wo der Streit über den richtigen Kurs zwischen keynesianisch und sozial denkenden Demokraten und konservativ-wirtschaftsliberal eingestellten sowie auf Einsparungen fixierten Republikanern bis heute anhält. Bei den heutigen Kongresswahlen in den USA wird es im Kern um diesen Streit gehen.

Endlosstreit um zwei konkurrierende ökonomische Auffassungen

Im Wesentlichen dreht sich dieser Streit in allen Industriestaaten immer wieder nur um die beiden dominierenden wirtschaftstheoretischen Lehrmeinungen und die jeweils daraus abgeleiteten politischen Konzeptionen. Das heißt, Verfechter einer nicht-interventionistischen, auf deregulierte Märkte und einen sparsamen, schlanken Staat ausgerichteten Politik (liberal-konservative Parteien) streiten mit Befürwortern des Sozialstaates und einer inter-ventionistischen, mithin schuldenfinanzierten Politik der Stimulierung der Wirtschaft (sozialdemokratische Parteien).
Während sich die erstgenannte Gruppe dabei auf die herrschende liberal-neoklassische Wirtschaftstheorie stützt, rekurriert die andere nach wie vor auf keynesianisches Gedankengut. Ein dritte oder generell gesprochen andere ökonomische Lehrauffassung hat – soweit andere, in Fragekommende tatsächlich existieren – bis heute jedenfalls keinen Eingang in die politische Diskussion über die nachhaltige Krisenbewältigung gefunden. Das Resultat sind ungelöste und deswegen immer wieder aufflammende Probleme, Instabilitäten und Dauerinter-ventionen – ob von Notenbanken, der Politik oder von beiden.
Das keine anderen ökonomischen Auffassungen diskutiert werden, ist nicht wirklich erstaunlich. Denn einerseits ist es der Politik sowie in erster Linie den Notenbanken in der Tat gelungen, die akute Phase der Krise von 2008 zu beenden – wenn man einmal die Frage außer Acht lässt, wie hoch am Ende der Preis dafür sein wird. Es gab also bis jetzt – oberflächlich betrachtet – keinen Handlungsdruck mehr für die Politik, die die Krisenbewältigung ohnehin lieber auf die Notenbanken abwälzt. Es lief ja – zumindest irgendwie.

Parteien in der Wirtschaftsideologie-Falle

Zum anderen sind, was für alle Industriestaaten gilt, die beiden führenden politischen Parteien traditionell ideologisch sehr stark mit jeweils einer der beiden angesprochenen ökonomischen Schulen und Wirtschaftsauf-fassungen verbunden. Das ist ein gravierendes Hemmnis für die Öffnung der Diskussion über die richtige Krisen-politik. Denn das ökonomische Dogma ist immer noch, selbst wenn sich die großen Parteien in einigen Bereichen zunehmend „Pragmatismus“ auf die Fahnen geschrieben haben, ein wesentlicher Teil der Sinn und Zusammenhalt stiftenden Identität dieser Parteien.
Das gilt insbesondere in Krisenzeiten wie heute, weil dann wirtschaftspolitische Fragen im Vordergrund stehen und diese auch wahlentscheidend sind. Ein Bruch damit, wird nicht ohne große innerparteiliche Verwerfungen über die Bühne gehen und stellt im Extrem ein Existenzrisiko dar, wenn dadurch die Zustimmung in der jeweiligen Wählerschaft verloren geht.
Wie wichtig die wirtschaftspolitische Identität ist, zeigt in Deutschland das Beispiel der FDP, die diese in der Regierungsverantwortung buchstäblich verlor oder besser gesagt über Bord warf. Die Partei ist heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das hat aber daneben auch damit zu tun, dass die wirtschaftsliberal bzw. neoliberal geprägte Politik, für die die FDP einst stand, heute angesichts der Kritik am Raubtierkapitalismus und der Krisenfolgen in vielen europäischen Ländern umstritten ist.
Mit ähnlichen Problemen kämpft allerdings z. B. auch die SPD schon seit Jahren. Ausgangspunkt war, dass Gerhard Schröder die traditionell keynesianisch geprägte Konzeption zugunsten einer klassischen Industriepolitik mit teils neoliberalen Zügen aufgegeben hatte. Unter Parteichef Sigmar Gabriel scheint die SPD inzwischen so etwas wie ein Mittelding zu probieren. Anders ausgedrückt versucht sie, die eher sozial und keynesianisch geprägten Mitglieder und Wähler des linken Flügels ebenso wie die des eher industriepolitisch bis neoliberal denkenden Wirtschaftsflügels zu bedienen. Den Umfragewerten hat das bisher allerdings nicht geholfen. Das war allerdings vorhersehbar. (1) (siehe dazu vertiefend mit weiterführenden Links hier (2)) Denn eine echte wirtschafts-politische Identität kommt dabei nicht heraus. Die SPD wirkt mithin wie eine etwas weniger wirtschaftsliberale CDU, die sich zugleich auf ihre keynesianischen Wurzeln zu besinnen versucht, was schwer vermittelbar ist.
Das scheint indes ein Trend in der Sozialdemokratie in Europa zu sein. Auch in Frankreich und Italien versuchen sich die sozialdemokratischen Regierungen an diesem Spagat der Versöhnung von Wirtschaftsliberalismus und Keynesianismus oder anders ausgedrückt an einer teilweisen Aufgabe ihre traditionellen wirtschaftspolitischen Identität. Sie wollen einerseits verstärkt sparen und reformieren, andererseits Wachstum und Beschäftigung aktiv fördern, stimulieren. Überzeugend wirkt das offensichtlich nicht. Kein Wunder, wenn es deswegen innerparteilich zu schweren Auseinandersetzungen kommt, wie etwa bei Frankreichs Sozialisten.
In Japan versucht der konservativ-liberale Premier Shinzo Abe mit seinen „Abenomics“ im Grunde dasselbe – eben nur im anderen, gegnerischen politischen Lager. In den USA wiederum stehen die politischen Mühlen in den USA seit vielen Monaten praktisch still, weil ein solcher Mix in keinem der beiden großen politischen Lager gewollt ist und es zu den beiden Parteien auch keine Alternative gibt, die einen entsprechenden Anpassungs- oder Veränderungsdruck erzeugen könnte.

Phase 4 der Krisenbekämpfung

Der Streit um den wirtschaftspolitischen Kurs wird verstärkt angefacht werden, wenn sich die Weltwirtschaft weiter eintrübt. Er findet dann in den davon betroffenen Industrieländern nicht nur zwischen den beiden großen politischen Lagern statt, sondern verstärkt auch innerhalb dieser Lager. Für Parteien die den Weg gewählt haben, beide wirtschaftspolitischen Lehrmeinungen irgendwie in einer Konzeption miteinander zu vereinen, werden die Auseinandersetzungen besonders heftig sein. Das gilt vor allem dann, wenn dieser Versuch in den Augen der Wählerschaft als gescheitert gewertet wird und sie in der Wählergunst deswegen deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Das könnte beispielsweise bald in Japan geschehen, wo die „Abenomics“ genannte Krisenpolitik des Premiers Shinzo Abe, die die Deflation beenden und die Wirtschaft zu Wachstum führen soll, auf des Messers Schneide steht.
Damit zeichnet sich der Eintritt in eine neue, vierte Phase der Krisenbekämpfung ab. Sie beginnt, wenn es den beiden etablierten großen Parteien in den Industriestaaten nicht gelingt, das Abgleiten in eine neue, tiefe Wirtschaftskrise zu verhindern. Die vierte Phase ähnelt stark der ersten Phase, die 2008 begann. Doch dieses Mal ist angesichts der generell sehr hohen Staatsverschuldung in den Industriestaaten der Weg versperrt, die Probleme genauso wie in der zweiten Phase der Krisenbewältigung nach 2008 mit viel Geld temporär zu entschärfen. Auch der Manövrierspielraum der Notenbanken zur wirksamen Beeinflussung der Wirtschaft ist inzwischen weitestgehend ausgereizt.

Eine dritte Weltwirtschaftskrise wird die politischen Systeme in den Industrieländern erschüttern

Die Folge dessen wird sein, dass speziell die beiden großen Parteien in den Industrieländern massiv unter Druck geraten werden, nach anderen Lösungen zu suchen.
Einen Bedarf für einen anderen Problemlösungsweg wird in einer in vielen Industrieländern wachsenden Wähler-gruppe längst gesehen. Sichtbarer Beleg dafür ist der teils rapide Aufstieg neuer oder bisher unbedeutender Parteien. Dazu gehören etwa Nigel Farages´ Unabhängigkeitspartei (Ukip) in Großbritannien, die „Fünf-Sterne-Bewegung“ Beppe Grillos in Italien oder auch der rechtsextreme Front National in Frankreich. Allerdings gibt es mit Blick auf die Gesamtheit der Industrieländer einen bedeutenden Unterschied zur ersten Weltwirtschaftskrise und speziell zur Weimarer Republik: Nationalismus ist dabei nicht die alles dominierende Kraft, auch wenn es ganz klar verbreitet nationalistische Tendenzen gibt. Denn es gibt in allen Industrieländern eine große Gruppe Unzufriedener, die eine komplexere Problemwahrnehmung hat.
Das ist zum Beispiel gerade auch das Problem des US-Präsidenten Barack Obama, der ursprünglich ins Amt gewählt worden war, weil er Veränderung, Wandel versprach, aber dieses Versprechen nicht eingelöst hat. Im Gegenteil. Das Wirtschaftswachstum und die offiziell gesunkene Arbeitslosigkeit in den USA werden zwar von den Märkten honoriert, aber von den Wählern offenbar nicht. Das spricht für sich. Vor demselben Problem wie Obama stehen aber prinzipiell alle Parteien in Krisenzeiten. Spürbarer wirtschaftspolitischer Erfolg ist letztlich ausschlaggebend.

Der Druck zum Paradigmenwechsel steigt

Die vierte Phase der Krisenbekämpfung läuft deswegen im Falle einer dritten Weltwirtschaftskrise für die Gruppe der Industrieländer mit einiger Wahrscheinlichkeit wie in den 1930er Jahren, als die Keynes´sche Theorie die liberale Wirtschaftsauffassung in der Krisenpolitik ablöste, auf einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik hinaus. Während und unmittelbar nach der Krise von 2008/2009 war das sogar schon ein Thema gewesen. Doch nach dem Abflauen der akuten Krise ist das Interesse daran wieder verloren gegangen. Das wird sich ändern.
Es mag sein, dass es jetzt noch vereinzelte Versuche geben wird, die Krise im wirtschaftsliberalen oder keynesianischen Sinne in den Griff zu bekommen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass jetzt gelingen könnte, was auf Basis beider Ansätze seit 2008 nicht gelungen ist. Die Erklärung dafür ist simpel: Die Krise von 2008/2009 sowie die drohende dritte Weltwirtschaftskrise haben primär markt- und wirtschaftsstrukturelle Ursachen, die weder mit einer wirtschaftsliberalen noch mit einer keynesianischen Politik wirksam adressiert und behoben werden können, weil die entsprechenden ökonomischen Erklärungsansätze diese nicht oder nicht zutreffend erklären können. Das ist wie ein blinder Fleck und eine letztlich fatale Unvollkommenheit in der Ursachenanalyse.

Die Ukraine-Krise als Katalysator

Die durch die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers ausgelöste Finanzmarktkrise hat als Katalysator für die unabhängig davon bestehenden gravierenden Probleme der Weltwirtschaft gewirkt. Das ist aus den gerade dargelegten Gründen von Experten und Politikern damals mehrheitlich nicht in dieser Weise wahrgenommen worden, was entscheidend für den krisenpolitischen Kurs war.
In ähnlicher Weise wirkt heute die Ukraine-Krise als mächtiger Katalysator für die Verschärfung der politischen und wirtschaftlichen Krise, insbesondere, aber eben nicht nur in der Europäischen Union. Nach dem heutigen Vorstoß der neuen Regierung in Kiew und auch der NATO zeigt sich das einmal mehr. Kiew hat einen Strategie-wechsel angekündigt und will offensichtlich die von Separatisten gehaltenen Gebiete der Ostukraine zurücker-obern. Die ukrainische Regierung hat darüber hinaus den Westen aufgefordert, seine Wirtschaftssanktionen gegen Russland zu verschärfen. (3)
Sollte die EU auf die Forderung der Ukraine eingehen, wäre dies ein mächtiger Schritt voran in Richtung Wirtschaftskrise und ebenso in der vierten Phase der Krisenbekämpfung, in der zunehmend erkennbar wird, dass den beiden großen, etablierten Parteiblöcken in Europa die Problemlösungskompetenz oder –bereitschaft fehlt – was im Resultat auf dasselbe hinausläuft.
Am grundsätzlichen, hier dargelegten Problem Europas und generell der Industrieländer ändert der Ukraine-Konflikt selbst jedoch nichts. Die USA und Japan, die von der Ukraine-Krise weniger bzw. praktisch gar nicht betroffen sind, stehen mit Blick auf die grundsätzlichen markt-, wirtschaftsstrukturellen und politischen Probleme nicht besser da. Die USA wären, sollten die Demokraten heute auch im Senat ihre Mehrheit verlieren, was erwartet wird, wirtschaftspolitisch de facto gelähmt. Für Japans Premier Shinzo Abe wiederum sind die Wirtschaftswachstumsdaten für das dritte Quartal der Markstein für seine „Abenomics“ genannte Krisenpolitik. Je schwächer sie sind, desto stärker wird er politisch unter Druck geraten.
Die Ukraine-Krise lenkt so betrachtet lediglich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von den Problemen der Regierungen in den USA und in Japan ab.

Explosive Krisenmischung

Nur in der Gesamtschau der skizzierten Entwicklungen in den Industriestaaten wird letztlich klar, wie viel Zündstoff die aktuelle Lage für das Wirtschaftssystem des Westens inzwischen tatsächlich birgt. Das ist vor allem auch ein wesentliches Resultat der bisherigen Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Krisenpolitik der Industrie-länder. Es sind Dominosteinketten entstanden, die alle miteinander verbunden sind und es gibt eine ganze Reihe von Steinen, die wackeln.
Es gibt eine potenziell explosive, in jedem Fall aber eine den politischen Lösungsdruck massiv erhöhende Anhäufung und Mischung von Problemen. Deren Folgen lassen sich zunehmend schlechter verleugnen und verschleiern. In der vierten Phase wird deswegen im Unterschied zur zweiten Phase der Krisenbekämpfung vor allem in der Bevölkerung verstärkt die Erkenntnis reifen, dass andere Lösungen gefordert sind und es wird aus Sicht der Wähler immer weniger ausschlaggebend sein welche Partei diese anbietet, je stärker sich ihre eigene wirtschaftliche Lage verschlechtert. Das kann je nach Entwicklung der Wirtschaft, schneller oder langsamer geschehen.
Bedrohliche wirtschaftliche Aussichten und mehr noch eine Wirtschaftskrise werden Wähler den jeweiligen Regierungen in den Industriestaaten anlasten. Für Regierungsparteien gibt es nichts Bedrohlicheres. Sollten die etablierten großen Parteien nicht dazu in der Lage sein, überzeugende Lösungen zu liefern und umzusetzen, gegebenenfalls auch mit anderen Köpfen an der Spitze, dann werden sie in der vierten Phase ihren Rückhalt in der Wählerschaft immer stärker verlieren.

Griechenland als Vorläufer

In Griechenland dürfte es im Frühjahr angesichts der für einen Großteil der Bevölkerung katastrophalen Lage so weit sein. Die Regierungskoalition der liberal-konservativen Nea Dimokratia und der sozialdemokratischen PASOK wird die erforderliche Mehrheit im Parlament für einen Nachfolgekandidaten für den scheidenden Staatspräsi-denten Karolos Papoulias nicht bekommen. Das haben die Oppositionsparteien bereits angekündigt. In diesem Fall muss es Neuwahlen geben und es ist sehr wahrscheinlich, dass die linksgerichtete Syriza als stärkste Kraft daraus hervorgehen und mit der Regierungsbildung beauftragt werden wird. Das wäre ein politischer Umbruch.
Griechenland sollte nicht als europäischer Sonderfall abgetan werden. Das ist schon einmal schief gegangen.
Als Griechenland Anfang 2010 in die Schuldenkrise schlitterte, hatten die Staats- und Regierungschefs der führenden Euro-Länder auch behauptet, Griechenland wäre ein Sonderfall und kein weiteres Mitglied der Euro-Gruppe werde in eine Krise rutschen. Wenig später traf es jedoch Portugal, Spanien drohte ebenfalls abzustürzen und selbst Italien galt als potenzieller Notfallkandidat. Mario Draghi hat die Situation im Sommer 2012 mit seinem Versprechen gerettet, alles für den Erhalt des Euro zu tun. Doch inzwischen kriselt es seit vielen Monaten auch in Frankreich, was mittlerweile mehrfach gravierende politische Turbulenzen ausgelöst hat und die zuletzt von der EZB ergriffenen Maßnahmen haben der europäischen Wirtschaft und speziell der in den Krisen-ländern bisher keine Impulse geben können.
Es ist insofern keineswegs unwahrscheinlich, dass auch die politischen Systeme anderer europäischer Staaten den griechischen Weg gehen, sofern sich die wirtschaftliche Lage für die Bevölkerung nicht spürbar verbessert.
Überzeugende wirtschaftspolitische Konzepte und Pläne gibt es in Europa, aber auch in anderen Industrieländern immer noch nicht und eine „pragmatische“, experimentelle Herangehensweise ist lediglich eine Fahrkarte ins Desaster, wenn man keinen Plan hat. Können wir uns das noch leisten?

17 Kommentare:

  1. "Die Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise zu überwinden setzt voraus, dass sie verstanden wird.", schreiben Sie.
    Ich widerspreche und behaupte, es muss heißen: Die Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise zu überwinden setzt voraus, dass es gewollt wird!
    Abgesehen von einigem Taktieren und kurzfristigen Überlegungen zum eigenen Vorteil, ist das Ganze bewusst inszeniert worden. Jeder wusste zu jedem Zeitpunkt, dass das Erkaufen von Zeit durch "Qantatative Easing" am Ende des Tages die Probleme nur expotentiell vergrößern wird. Die Gründung eines neuen de facto Weltfinanzsystems an IWF und Dollarsystem vorbei war seitens der BRICS diesen Jahres die strategische Antwort in 2008 auf das totale "Versagen" dieser geopolitischen Maßnahmen.

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    1. Ich stimme Ihnen zu. Beides ist Voraussetzung, dass verstanden wird und auch der Wille existiert oder genauer gesagt, dass dieser Wille auch durchgesetzt werden kann.

      Letzteres ist in der Tat das vielleicht größte Problem unserer Zeit: Durchzusetzen, was richtig, fair und gut ist, im Sinne der Gesllschaft und der gesamten Volkswirtschaft.

      Unser Wirtschaftssystem ist in wesentlichen Teilen nicht mehr als wettbewerblich gesteuerte Marktwirtschaft zu kennzeichnen, sondern als korporative Marktwirtschaft, in der die Interssen starken Lobbygruppen und insbesondere der Konzerne das Drehbuch für die Politik schreiben. Siehe dazu auch den folgenden Aufsatz, den ich schon vor jahren, nämlich Anfang 2010, gepostet habe:

      http://stefanleichnersblog.blogspot.com/2010/01/finanzmarktkrise-und-wirtschaftssystem.html

      Negativ verstärkend kommt hinzu, dass die Oligopolisten weltweit sehr stark vernetzt und über Beteiligungen auch sehr stark miteinander verflochten sind, wobei der einflussreiche Kern dieses Netzwerks internationaler Konzerne heute von der Finanzindustrie dominiert wird. Ich weise in diesem Zusammenhang immer wieder gerne auf eine wissenschaftliche Studie hin, die zu diesem Ergebnis gekommen ist. Siehe dazu hier:

      http://arxiv.org/PS_cache/arxiv/pdf/1107/1107.5728v2.pdf

      Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass es besonders schwirig ist, etwas durchzusetzen oder zum Tragen zu bringen, was nicht ins Schema des großen Interessensverbundes, der nicht nur die Wirtschaft und die Politik umfasst, passt. Als Ökonom mache ich diese Erfahrung auch selbst immer wieder. Andererseits gibt es immer mehr Menschen, die das erkennen und sich dagegen auf ihre Art wehren. Das Wachstum der Bloggerszen hat nicht zuletzt ja gerade auch damit viel zu tun.

      Viele Grüße
      SLE

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    2. Danke, dass Sie mir zustimmen - aber tuen Sie das wirklich?
      Die Implikationen eines bewusst inszenierten Finanzkollaps dieses Ausmaßes, wie es ihn seit dem Zusammenbruch der großen Bankenhäuser (Badi und Peruzzi) des Weltreiches Venedigs, mit dem anschließenden "finsteren Mittelalter" hier in Europa, nicht mehr gegeben hat, müssten wir/Sie dann doch auch einmal in die Gegenwart übertragen: Amageddon, milliardenfacher Bevölkerungskollaps, thermonuklearer Auslöschungskrieg. Oder "nur" eine Hyperinflation, die unsere gesamten Lebensgrundlagen zerstört.
      Und noch wichtiger wäre die Fahndung noch Ross und Reiter dieser finanziell/wirtschaftlich/menschlichen Apokalyse - oder?

      Erst dann, wenn sozusagen reiner Tisch gemacht wurde, könnten wir alle an die Lösungen, respektive den Neuaufbau eines soliden neuen Finanzsystem auf Grundlage dessen, was einmal gut und was weniger gut funktioniert hat, gehen.
      Hinweise auf nicht ganz saubere Verstrickungen diverser Politiker und Privatpersonen verblassen vor diesen Problemen und schaffen nur den Raum, die geopolitischen Täter erneut davon kommen zu lassen.
      Bin ich Ihnen zu direkt?

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    3. Nein, Sie sind nicht zu direkt. Es ist, als Verfasser von Aufsätzen wie diesem, m.E. immer abzuwägen, was man noch sicher sagen kann. Als Kommentator sind Sie da auch generell freier als ein Verfasser, der verantworten muss, was er schreibt.

      In diesem Punkt bin ich auch deswegen vielleicht generell - im Vergleich zu anderen - etwas zurückhaltender. Ich bin halt gelernter Ökonom und habe einige Erfahrung mit wissenschaftlichem Arbeiten. Das prägt.

      Doch wer das hier liest, davon gehe ich aus, macht sich seine eigenen Gedanken dazu und liest auch das, was zwischen den Zeilen steht, aber unausgesprochen bleibt. Nach meiner Erfahrung ist es auch immer schwierig einzuschätzen, wie weit man den thematischen Bogen spannen und wie viele Details man aufgreifen kann, ohne dass die Kernaussage oder -botschaft des Textes drin verloren geht.

      Viele Grüße
      SLE

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    4. Ergänzung zu Ihrer oben angeführten Oligopolistenvernetzung und der ETH-Studie:
      Ein fleissiger Blog-Kommentator hat dieses Netzwerk weiter analysiert und dabei auch eine zentrale Spinne identifiziert:

      http://lupocattivoblog.com/2011/11/14/wem-gehort-die-welt-wer-beherrscht-die-weltwirtschaft/

      Ich habs nicht nachgeprüft, aber wenn auch nur die Hälfte davon stimmt, können wir unseren Glauben an Marktwirtschaft und Demokratie zum Weihnachtsmann und Klapperstorch in die Tonne treten.

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  2. Sorry, aber ich weigere mich zu glauben, daß die maßgeblichen Oligarchen in den Elitezirkeln wirklich so dumm sind.
    Spätestens vor hundert Jahren wurden die Mechanismen, die gerade ablaufen, öffentlich breit diskutiert und allgemein verstanden: "Ponzi-Fiat-Geld".
    Alles, was seit dem als "Volkswirtschaftslehre" entwickelt wurde, sind Rauchbomben zur Verschleierung.
    Googeln Sie mal nach "Goethe, Frankfurt, Geld".
    oder hier: http://www.geld-frisst-mensch.de/beweis.php
    Konsequenz: die vier Phasen, die Sie hier aufzeichnen, sind die Akte des Dramas im Drehbuch für die mediale Inszenierung der Show für das Volk. Dieweil draußen vor dem Theater die Plünderer unbehelligt durch die Lande ziehen können.

    Wolfgang Rosner

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    1. Hallo Herr Rosner,

      ich habe die Wahrheit nicht gepachtet. Der Post bietet zweifellos Diskussionsstoff - hoffe ich.

      Ganz sicher haben Sie auch recht, dass die Elitezirkel auf dieser Welt sicher sehr genau wissen was geschieht. Andererseits denke ich, dass es nicht selten auch in Kreisen, in den man das nicht vermuten würden, eine große Unkenntnis bestimmter Sachverhalte oder ökonomische Zusammenhänge.

      Gerade im letztgenannten Punkt kann ich das mit Gewissheit sagen, weil es schlicht eine Tatsache ist, dass in der Politik und bei Managern in der Wirtschaft volkswirtschaftliche Kenntnisse nicht besonders ausgeprägt sind.

      Vor allem aber kommt hinzu, dass es in den Wirtschaftswissenschaften nicht die eine, richtige Wirtschaftstheorie gibt, sondern oft verschiedene, die miteinander konkurrieren. Keine dieser Theorien ist vollkommen. Sie weisen unterschiedliche Stärken, Schwächen und mithin eben auch gravierende Fehler auf. Der entscheidende Punkt aber ist, dass sie eben auch unterschiedliche Erklärungen beispielsweise zur Funktionsweise von Märkten oder dem Wettbewerb geben.

      Siehe dazu die vierteilige Aufsatzreihe "Vom Problem der Überwindung der Rechts-Links-Logik" in der ich dies ausführlich und leicht nachvollziehbar (für Märkte, den Wettbewerb und das Wachstum) dargelegt habe - hier der Link zum letzten teil, der auch die Links zu allen anderen Teilen enthält:

      http://stefanleichnersblog.blogspot.de/2013/10/vom-problem-der-uberwindung-der-rechts_4.html

      Auch für die mit gravierenden Fehlern behaftete herrschende Lehre gilt, was ich zuvor sagte - einschließlich, was wichtig ist, des Markt- und Wettbewerbsverständnisses.

      Das Problem ist, dass nicht nur die meisten ökonomisch ausgebildeten Menschen, sondern vor allem auch Politiker, Journalisten und über die Medien letztlich auch wir alle bewusst oder unbewusst das Verständnis der herschenden, liberal-neoklassischen Theorie verwenden, um das Geschehen an den Märkten, in der Wirtschaft sowie auch die Wirtschaftspolitik zu verstehen. So zu denken, zu analysieren und zu bewerten, ist zur Gewohnheit geworden und das ist ausgesprochen schwer zu ändern.

      Es ist also nicht nur möglich, sondern tatsächlich auch so, dass viele die Ursachen der Finanzmarktkrise und der Weltwirtschaftskrise, der europäischen Schuldenkrise und der Wirtschaftsschwäche Europas nicht oder zumindest nicht vollständig sehen.

      Das hat allerdings nichts mit Dummheit zu tun, wie ich betonen möchte. Denkgewohnheiten sitzen wie alle anderen Gewohnheiten auch tief und sind schwer abzulegen.

      Viele Grüße
      SLE

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    2. Politik und bei Managern in der Wirtschaft volkswirtschaftliche Kenntnisse nicht besonders ausgeprägt sind.
      Einverstanden - kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
      Aber wo kommt das her? Warum wird das nicht offen gelehrt?
      O-Ton aus meinem ersten Studium (FH Landwirtschaft, ca 3. Semerster, Vorlesung "Landwirtschaftliche Marktlehre")
      ... Standardisierte Güter ... Vollständige Konkurrenz ... Mengenanpasser...
      Der Marktpreis pendelt sich auf die Grenzkosten ein.
      Ich nach der Vorlesung zum Prof: "Verzeihung, aber Ihr Kollege in der BWL-Vorlesung hat uns vor zwei Stunden erklärt, zu Grenzkosten kann kein Unternehmen überleben".
      Antwort des Prof: "Rosner, halten's bitte 's Maul, sonst laufen mir hier alle davon" (!%&§$!)

      Im nächsten Leben - Studium MBA - Ende der Vorlesung "Economics":
      (gleiche Erkenntnis, nur auf Englisch, und offen im ganzen Kurs)
      "This is all bullshit. In a real company, we have to make money"
      Das war die Überleitung zu "Business Policy" aka corporate strategy aka corproate warfare (market entry barriers, monopoly, government relationship management ...)

      Trotzdem hat es mich noch 15 Jahre echte Lebenserfahrung gekostet, bis ich geschnallt habe, daß auch das noch nicht die ganze Wahrheit ist.

      in den Wirtschaftswissenschaften nicht die eine, richtige Wirtschaftstheorie gibt, sondern oft verschiedene, die miteinander konkurrieren.
      Mein Schuldirektor wollte mich auf ein Mathematikstudium schicken. Mir war das zu abgehoben, aber mein Denken ist noch immer davon geprägt.
      Das Hauptproblem der Wirtschafts-Halbwissen-Schaften ist, daß man für die netten Modelle gerne vergisst, die Randbedingungen und Vorausgesetzten Annahmen zu erwähnen.
      Und so postuliert man irgendwo wischiwaschi ein "Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs", aber "das ist halt so, warum das so ist, geht jetzt zu weit".
      Tatsächlich ist aber dieses Postulat Voraussetzung für die Existenz eines Marktgleichgewichtes. Wenn es wegfällt (was in Technologie- und Informationsdominioerten Märkten eher der Normalfall ist) gibt es eben kein Gleichgewicht und der natürliche Endzustand der Märkte ist das Monopol (oder zumindest Oligopol)

      Aber das größte Problem ist, daß der Markt nur unter Knappheit funktioniert - Ohne Knappheit kein Preis. Und deswegen muß der Markt sich die Knappheit selber organisieren. Parkinsons Law par Excellence. Jede Amsstube ist eine Effizienzrakete gegen unsere postmodernen Wohlstandsvernichtungsmärkte.

      So lange wir keine Wirtschaftsordnung finden, die in der Lage ist, in egsättigten Gesellschaften ein stationäres Gleichgewicht zu organisieren, kommen wir aus Hamsterrad und Ressourcenkrieg nicht mehr raus.

      Ihr Links-Rechts-Artikel macht auf den ersten Blick neugierig. Muß ich mal 'ne Stunde investieren...

      Gruß Wolfgang Rosner
      Dipl.Ing. agr. (FH), MBA, Biobauer

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    3. Hallo Herr Rosner,

      vielen Dank für Ihre amüsant zu lesenden Zeilen, die eine keineswegs amüsante Realität schildern. Ich habe einige Jahre an einer Uni im Fachbereich Wiirtschaftswissenschaften gelehrt und deswegen kann ich nur bestätigen, was Sie sagen. Viele bemühen sich inzwischen, daran etwas zu ändern. Aber das ist sehr schwer. Vielleicht braucht es dafür tatsächlich erst noch eine Weltwirtschaftskrise.

      Ihr Hinweis darauf, dass in der Realität nicht das Gleichgewicht der Normalzustand ist, sondern das Ungleichgewicht und es, wie ich ergänzen will, auch kein gleichgewichtiges Wachstum gibt, sondern nur eine ungleichgewichtige Entwicklung, ist vollkommen richtig und entscheidend. Genau aus diesem Grund habe ich mich vor etlichen Jahren auch hingesetzt und eine evolutorische Markt- und Wettbewerbstheorie, also eine ungleichgewichtstheoretische Erklärung der Märkte entwickelt.

      Die Lösung ist vor diesem Hintergrund nicht eine Marktordnung zu finden, die in gesättigten Gesellschaften bzw. Märkten ein Gleichgewicht hinbekommt. Vielmehr gilt es, gesättigten, oligopolisierten und verkrusteten Märkten wieder eine innovative Dynamik zu verleihen, die der unreifer Märkte, also solchen in den frühen Phasen des Lebenszyklus, entspricht. Dann spielt im Wettbewerb nicht mehr Kostensenkung die zentrale Rolle, sondern die Fähigkeiten des innovativen, findigen Unternehmers, wie Josef Schumpeter ihn einst beschrieben hat.

      Ich denke, das ist heute das Kernproblem der Industrieländer bzw. des westlichen Wirtschaftssystems.

      Wenn Sie sich dafür interessieren, können Sie das in den Posts nachlesen, die Sie unter dem oben bereits angegebenen Link

      http://stefanleichnersblog.blogspot.de/2013/10/vom-problem-der-uberwindung-der-rechts_4.html

      finden. Wenn Sie die lange Version bevorzugen, hier der Buchtitel: "Wettbewerb, Industrieentwicklung und Industriepolitik" (2002, Duncker & Humblot).

      Viele Grüße
      SLE

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    4. Hallo Herr Eichner,

      Als jemand der gerne gelegentlich ihren Blog liest und immer wieder selbst für den Laien wie mich verständliche Artikel findet, möchte ich etwas anmerken.

      Sie schreiben:
      "Genau aus diesem Grund habe ich mich vor etlichen Jahren auch hingesetzt und eine evolutorische Markt- und Wettbewerbstheorie, also eine ungleichgewichtstheoretische Erklärung der Märkte entwickelt."

      Ich stelle mir dazu folgende Frage:
      Wie sinnvoll ist es, ein System, von dem man weiß, dass es in dieser Form aus diversen Gründen entweder schlecht funktioniert oder zumindest eher zum Nachteil der Masse funktioniert, wie sinnvoll ist es für dieses System eine Beschreibung, ja ein Modell zu entwickeln.
      Wäre die Zeit und Energie nicht sinnvoller investiert, indem man die Grundlagen und Grundregeln für ein System erörtert wie es besser sein könnte und eher den Menschen dient als es die oligopolisierte Marktwirtschaft heute tut? Dann könnte man am Tag X, an dem vielleicht sogar in der Politik die Erkenntnis zu Tage tritt, dass es so nicht weiter gehen kann, dieses Modell hervorkramen und sagen: "schaut mal, so könnte es doch auch gehen?".

      Ein Naiver Besserwisse ;)

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    5. Es ist sinnvoll besser zu verstehen, wie Märkte und Wettbewerb funktionieren, warum sie es mitunter nicht tun oder problematische Verhältnisse wie die heutigen entstehen lassen und auf dieser Grundlage herauszufinden, was dagegen getan werden kann.

      Denken Sie, das ist überflüssig? Oder anders ausgedrückt: Wenn ihre Waschmaschine nicht mehr das tut, was sie tun soll und sie auch niemanden finden, der sie reparieren kann, verzichten sie dann künftig generell auf eine Waschmaschine?

      Ich denke, es ist sehr wichtig, immer ganz klar zwischen Erklärungsmodell und der Realität selbst - Sie sprechen von "System" - zu unterscheiden. Die heutige wirtschaftliche und poltitische Realität kennzeichnet das aktuelle Wirtschaftssystem. Die Marktwirtschaft ist ein wesentlicher Teil dieses Wirtschaftssystems, die Politik ebenso.

      Wir sind uns sicher einig, dass es in beiden Teilen gravierende Probleme und Fehlfunktionen gibt. In beiden Bereichen muss etwas geändert werden. Im politischen System ist das, was geändert werden müsste, vielleicht leichter zu bennen. In Bezug auf das Wirtschaftssystem ist das ziemlich schwierig.

      Das sieht man auch daran, dass es zwar mehrere Markt- und Wettbewerbstheorien gibt, aber keine einzige, die reale Markt- und Wettbewerbsprozesse perfekt bzw. fehlerfrei erklärt. Wir müssen also als erstes herausfinden, welche am besten geeignet ist, denn das ist der Schlüssel zur Behebung der Probleme in der Marktwirtschaft, so wie sie sich heute darstellt.

      Sie können sich das leicht vor Augen führen, wenn sie diese Theorien bzw. Erklärungsmodelle als eine Art von "Reparaturanleitungen" betrachten. Was ich im Aufsatz oben klar zu machen versucht habe, ist, dass sich die Poltik in den Industrieländern auf fehlerhafte und unzulängliche Reparaturanleitungen stützt und im Zuge der Krise mehr und mehr dazu übergegangen ist, ganz ohne Reparaturanleitung zu operieren - nicht zuletzt gerade auch deswegen, weil die alten Reparaturanleitungen sich in der Krise als weitgehend unbrauchbar erwiesen.

      Doch ganz ohne Reparaturanleitung zu operieren, das kann nicht gutgehen. Das ist auch vor und in der ersten Weltwirtschaftskrise nicht gutgegangen. Damals hat man die von Keynes entwickelte nutzen können. Doch auch die ist nicht vollkommen. Heute hilft sie uns m.E. nicht.

      Ich habe also kein Modell für ein ohnehin kaputtes Wirtschaftssystem entwickelt, sondern eine neue, (hoffentlich) bessere Reparaturanleitung für die Marktwirtschaft, also für einen wichtigen Teil des Wirtschaftssystems.

      Nochmals: Ökonomische Theorien und Erklärungsmodelle beziehen sich nicht auf eine konkrete historische, reale Form der Marktwirtschaft, sondern sie umfassen alle möglichen Formen, die diese annehmen kann und sagen uns, wenn sie wirklich gut sind, was wir tun können, damit sie besser funktioniert.

      Viele Grüße
      SLE

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  3. hi,

    meiner meinung nach liegt das grundproblem im geldsystem und dem zins. die konzentration des geldes und in folge dessen der macht ist die wurzel des problems. eskalieren muss es meiner meinung nach immer im krieg.

    solange dieser zustand besteht, wiederholt sich der zyklus alle paar dekaden.
    start --> wohlstand --> konzentration des geldes (macht) --> verminderung des wohlstands der masse --> armut und geldmangel --> kollaps des systems --> start

    wie ist ihre meinung dazu, herr eichner?

    danke für die antwort!
    grüße,
    flo

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    1. Hallo flo,

      ja, das ist der Ablauf. Und er wiederholt sich zumindest in sehr ähnlicher Form. Das Problem ist, dass Konzentration (in verschiedenen Bereichen) eine natürlich Folge der Entwicklung und Reifung von Märkten und Gesellschaften ist, aber die Politik diese auch dann noch massiv unterstützt und fördert, wenn sich die Entwicklung ins Negative, das heißt in Richtung Instabilität und Kollaps bewegt.

      Die herrschende ökonomische Theorie gibt uns erstens keinen Hinweis, dass das überhaupt passieren kann und erst recht keine Hinweise darauf, ab wann und warum es kritisch zu werden beginnt. Ich denke aber, dass das möglich ist. Jedenfalls habe ich vor Jahren einen Ansatz entwickelt, der dies ermöglicht. Darum schreibe ich hier auch schon seit Jahren und warne.

      Viele Grüße
      SLE

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  4. hi stefan,

    dass die politik das unterstützt und die konzentration ist ja nur eine folge des systems. von daher sind alle folgeprobleme (finanzkrise usw) alles nur die logische konsequenzen. eine gegensteuerung ist damit irgendwie sinnlos.

    selbst eingefleischte ökonomen sehen dies und drehen sich in ihrer meinung.

    wenn man sich mit leuten unterhält und ihnen klar machen will, dass das momentane system nur etwa 10 % der menschen wirklich nutzt, stößt man in der regel auf aggressiven widerstand. schätze mal, dass dies daran liegt: wenn menschen ihr leben lang an etwas geglaubt haben, und man zeigt ihnen auf, dass das, was sie bisher für richtig hielten, völliger blödsinn ist, sie das neue nur schwer annehmen können. sie würden damit bestätigen, dass sie ihr ganzes leben falsch lagen. und das können die meisten menschen einfach nicht. doch wie immer in der geschichte halte ich dieses umdenken für das wichtigste thema der nächsten 80 jahre.

    die lösung des problems sehe ich nur im rückfluss des kapitals nach unten.
    1. umstellung des geldsystems
    2. regionale zweitwährungen
    3. steuern auf besitz --> flächen werden günstig, nutzung wird teurer
    4. bedingungsloses grundeinkommen

    diese ansätze würden den druck nehmen, unbedingt international konkurrenzfähig sein zu müssen.

    bildlich stellt sich mir die welt momentan folgendermaßen dar:
    die industrieländer der welt fahren auf einem zug, der immer schneller wird und trinken champus. dieser fährt durch das elend der welt. will man auch, muss man aufspringen. klar ist aber: der zug fährt mit absoluter sicherheit in den abgrund.

    was wäre denn deine eierlegendewollmilchsau lösung ? :D

    beste grüße,
    flo

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    1. Hallo flo,

      verinfacht ausgedrückt: Ein sukzessiver Umbau des ganzen Wirtschaftssystems ist m.E. unumgänglich.

      Bildlich gesprochen hat die Fokussierung der Industriestaaten auf Großunternehmen in den letzten knapp fünf Dekaden Volkswirtschaften geschaffen, die heute wie Riesen auf zwei inzwischen sehr unterschiedlich langen und starken Beinen stehen. Das (bisher) starke Bein stellen die großen Konzerne bzw. National Champions dar. Das systematisch vernachlässigte und verkümmerte die gesamte mittelständische Wirtschaft.

      Wenn wir nichts tun, kippen die Volkswirtschaften. Je stärker die Abhängigkeit von Konzernen, desto problematischer die Lage. Die Stabilisierung der Volkswirtschaften kann nur von unten her, von der Stärkung eines dynamisch-innovativen Mittelstands kommen. Da entstehen neue Märkte und vor allem neue Beschäftigungsmöglichkeiten.

      Grüße
      SLE

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  5. Es stimmt schon der Eingangs-Slogan, zur Überwindung der weltweiten Wirtschaftskrise sollte diese zuerst einmal in all ihren Ausprägungen verstanden werden. Dafür ist allerdings die Anerkennung eines belastbaren wirtschaftstheoretischen Modells vonnöten, mit dessen Hilfe alle Krisenzyklen erklärt werden könnten. Die beiden konkurrierenden ökonomischen Auffassungen haben sich bisher leider nicht als hilfreich erwiesen. Mit diesen ist nicht einmal eine halbwegs stimmige Erklärung der Vorgänge möglich. Und in der öffentlichen Diskussion existiert offensichtlich keine dritte anerkannte Lehrmeinung, was nicht heisst, dass es keine gäbe.
    Ich denke als gelegentlicher Leser Ihres Blogs durchaus, dass Sie Ideen alternativer Wirtschaftsmodelle in Ihre eigenen Blogeinträge lassen. Man kann vor Mitmenschen wie Ihnen nur den Hut ziehen, die seit Jahren versuchen, bestehende Krisensymptome einzuordnen und einem grösseren Publikum quasi kostenfrei zum Mitdenken zur Verfügung zu stellen.
    Leider verhindert die ideologische Verblendung des Etablishements eine öffentliche Diskussion über neuartige Erkenntnisse in der Wirtschaftstheorie vollumfänglich.
    Sicher nicht ohne Grund, denn dabei könnte sich herausstellen, dass eine für die meisten Marktteilnehmer positive Lösung dieser Krise innerhalb unseres Wirtschaftssystems überhaupt nicht existiert, weil die Probleme systemischer Natur sein könnten. Und um systemische Ursachen des aktuellen offensichtlichen Scheiterns der Marktwirtschaft überhaupt erst erahnen zu können, müssten evtl. grundlegende Kernelemente der existierenden Lehrmeinungen in Zweifel gestellt werden, was für ausgebildete Ökonomen ziemlich viel verlangt ist.
    Ich halte diesen Weg aber für erforderlich, weil er uns am ehesten zu einem neuen Ansatz der Wirtschaftstheorie verhelfen kann, mit dessen Hilfe nicht nur die Krise gelöst, sondern auch künftige evtl. verhindert werden ... (träum).

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    1. Sie haben das sehr gut auf den Punkt gebracht, finde ich.

      Es ist aber nicht so, dass nur andere davon profitieren, wenn ich oder andere Ökonomen ihre Ideen ausbreiten und auf der Grundlage ihrer Denkansätze versuchen, die Ereignisse für die denk-offene Leser einzuordnen und zu erklären. Schließlich ist es ja auch so, dass man Ideen in den Köpfen anderer sät und sie zum Nachdenken und diskutieren anregt. Was nützen Ideen, wenn sie sich nicht verbreiten können? In der Automobilindustrie ist es (bei den Elektro- und Brennstoffzellenautos) inzwischen ja auch so, dass von Fimren wie z.B. Tesla Patente freigegeben werden für andere Hersteller, damit sich das Fahrzeugkonzept verbreitet.

      Viele Grüße
      SLE

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