Es gibt in Deutschland keine einzige auch
nur annährend vergleichbar starke Regionalpartei: Die CSU ist das
Alleinstellungsmerkmal Bayerns im Bund – allen Affären und Skandalen der
letzten Monate zum Trotz.
Nicht der Skandal um die BayernLB und den
mit milliardenschweren Verlusten verbundenen und von der CSU forcierten Kauf
der Hype Alpe Adria, nicht der Versuch der Einflussnahme auf die Berichterstattung
in ARD und ZDF aus der Staatskanzlei heraus, nicht die Verwandtenaffäre und
auch nicht der Justizskandal um den sieben Jahre in der Psychiatrie
weggesperrten Nürnberger Gustl Mollath haben bei der Landtagswahl in Bayern
eine Rolle gespielt. 47,7 Prozent und damit die absolute Mehrheit der
bayerischen Wähler wollte eine starke CSU.
Man kann eine differenzierte Bewertung nun
einmal nicht mit einem bzw. zwei einfachen Kreuzen auf dem Wahlzettel zum
Ausdruck bringen. Das ist einfach so. Vielleicht hätten sich viele Bayern mit
Blick auf die vielen Affären und Skandale durchaus einen Regierungspartner für
die CSU gewünscht. Eine Befragung durch Infratest dimap deutet darauf hin: 58 Prozent
Bayern sprachen sich demnach für eine
Koalitionsregierung aus, nur 36 Prozent für eine Alleinregierung der CSU
und selbst unter den CSU-Wählern wünschte sich fast ein Drittel eine
Koalitionsregierung für Bayern. (1) Im Wahlergebnis hat sich dies dennoch nicht
niedergeschlagen. Abgesehen von der SPD hat im Vergleich zur letzten Wahl 2008 keine
der bisher im Landtag etablierten Parteien Stimmen-gewinne realisieren können. Und
wen auch immer sich die Bayern als Koalitionspartner der CSU hätten vorstellen
können, die FDP war es eindeutig nicht.
Das ist ein eindeutiges und dennoch
erstaunliches Votum, denn für die Bayern hat bei ihrer Wahlentscheidung
offensichtlich eine zentrale Rolle gespielt, dass Bayern aktuell wirtschaftlich
sehr gut dasteht. Das dürfte ganz sicher auch ein Verdienst des Wirtschaftsministers
gewesen sein, sollte man annehmen, und der hieß bisher Martin Zeil und kommt
von der FDP.
Freilich ticken die Uhren in Bayern immer
schon etwas anders als im Rest von Deutschland. Parteien auf der linken Seite
des politischen Spektrums haben von jeher in Bayern einen schweren Stand und
auch die FDP ist dort traditionell schwach.
Insofern ist es wirklich nicht einfach zu
deuten, was der Ausgang der Landtagswahl im bevölkerungsreichen Bayern mit
seinen rund 9,3 Millionen Wahlberechtigten für die Bundestagswahl
bedeutet. Vielleicht waren die Bayern letztlich genauso wenig sicher
hinsichtlich des Ausgangs der Bundestagswahl und der künftigen
Regierungskoalition wie alle anderen Deutschen. Schließlich ist laut Umfragen seit
Monaten klar, dass es für Rot-Grün nicht reicht, aber für Schwarz-Gelb
wahrscheinlich auch nicht, weil die FDP die meiste Zeit unter der Fünf-Prozent-Hürde
lag.
Auch den Bayern selbst dürfte zudem bei
der Landtagswahl klar gewesen sein, dass in Bayern die Uhren politisch anders
ticken als im Bund und die Union deswegen eine Woche später bei der
Bundestagswahl nicht so gut abschneiden kann wie daheim. Möglicherweise wollten
viele Wähler in Bayern in erster Linie schlicht eine starke CSU, weil sie es
für wahrscheinlich halten, dass die Union im Bund zwar in der Regierungsverantwortung
bleiben wird, aber es für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb nicht reichen wird.
Vor diesem Hintergrund ergibt das Votum
der Bayern Sinn, die CSU trotz der Affären und Skandale zu stärken und die FDP
trotz der guten Wirtschaftslage des Landes und der skandalfreien Arbeit in der Regierung
Bayerns fallen zu lassen. Sie haben sichergestellt, dass Bayern in Berlin eine
starke Stimme hat, egal mit wem die Union im Bund künftig regiert, falls sie
regiert. Mit wem sie koalieren soll, das haben die Bayern bei der Landtagswahl offen
gelassen. Allerdings ist keineswegs sicher, dass sie das am kommenden Sonntag
auch tun.
So oder so dürfte das Wahlergebnis der CSU
die Oppositionsparteien im Bundestag alarmiert haben – insbe-sondere die Grünen,
deren Umfragen ja zuletzt auch abgesackt waren. Das stärkste Alarmsignal stellt
die Wahl in Bayern jedoch für die FDP dar. Die Unionswähler in Bayern haben die
FDP nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gerettet und das ist für die Bundestagswahl
doppelt fatal.
Einmal haben die bayerischen Unionswähler
damit ein Zeichen für die Unionswähler im Bund gesetzt. Darüber hinaus gibt es
auf Bundesebene aber zwei neue Parteien auf der rechten Seite des politischen
Spektrums, die der FDP Konkurrenz machen, nämlich die Freien Wähler, die in
Bayern mehr Stimmen erhalten haben (9,0 Prozent) als die Grünen (8,6 Prozent)
und die Alternative für Deutschland (AfD), die bei der Landtagswahl in Bayern
gar nicht angetreten ist.
Zwar haben die Meinungsforschungsinstitute
die Freien Wähler und auch die AfD bisher auf Bundesebene unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde
gesehen. Gleichwohl werden sie viele Stimmen erhalten, die dann unter anderem der
FDP fehlen. Je mehr es sind, desto kritischer wird es für die FDP. Das gilt
umso mehr, falls Unions-wähler die Liberalen auch auf Bundesebene nicht mit ihrer
Zweitstimme stützen, weil sie ebenso wie die Bayern in erster Linie eine starke
Union in der Regierung wollen und zwar ganz gleich in welcher Regierungskoalition.
So wie Bayern steht auch Deutschland
wirtschaftlich gut da - noch. Gefahr droht in dieser Hinsicht von der Krise in
einer Reihe von europäischen Mitgliedstaaten. Das wissen die deutschen Wähler.
Die Frage ist, ob sie diese Krise in erster Linie als eine Gefahr für die
deutschen Staatsfinanzen oder für die deutsche Wirtschaft begreifen.
Sehen die Wähler den von der
Bundesregierung und speziell von der Union in Europa forcierten krisenpolitischen
Kurs als Gefahr für die deutsche Wirtschaft und die Arbeitsplätze hierzulande
an, weil sie befürchten, dass die anhaltende Wirtschaftskrise in einer Reihe
von finanziell angeschlagenen europäischen Mitgliedsstaaten bald auch auf
Deutschland überschwappt, würden sie sich wahrscheinlich eher einen echten Kurswechsel
wünschen. Der ist jedoch mit der Union nicht zu haben und im Falle einer Großen
Koalition zumindest unwahrscheinlich.
Geht es den Wählern darum, die
finanziellen Risiken, die die Bundesregierung für die „Euro-Rettung“ auf sich nimmt,
zu begrenzen, werden sie eher eine Korrektur des von der Union eingeschlagen Kurses
wollen und keinen Kurswechsel. Das würde sich für jene Parteien bei der Wahl
günstig auswirken, denen man zutraut, dies als Koalitionspartner gegenüber der
Union durchzusetzen und damit insbesondere für die Alternative für Deutschland,
die als einzige Partei dieses Problem in den Mittelpunkt ihres Programms gestellt
hat. Trauen jene, die das Problem so wahrnehmen, dies auch einer großen
Koalition zu? Eher nicht. Schließlich hat die SPD diesen Kurs bisher
mitgetragen.
Freilich beißt sich die Katze hier in den
eigenen Schwanz. Wenn die Krisenpolitik in den Krisenstaaten nicht zu einer
wirtschaftlichen „Gesundung“ führt, wäre das in wirtschaftlicher wie in
finanzieller Hinsicht für Deutschland fatal. Es ist also mit Blick auf die
Bundestagswahl eine Frage der Problemwahrnehmung seitens der Wähler, nicht der
effektivsten Problembewältigung.
Die deutsche Wirtschaft steht gegenwärtig
gut da und das gilt auch für den Arbeitsmarkt. Was also glauben Sie, welche Problemwahrnehmung
jene Wähler mehrheitlich haben, die gegenwärtig überhaupt schon ein größeres Problem
wahrnehmen?
Die Wahrnehmung wird die Wahl entscheiden.
Nehmen Sie das als mein Basisszenario, wenn Sie möchten.
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