Am Sonntag werden die Griechen ein neues
Parlament wählen. In der letzten, am 1. Juni veröffentlichten Umfrage, führte
das Linksbündnis Syriza mit 31,5 Prozent deutlich vor der konservativen Nea Dimokratia
ND) mit 25,5 Prozent. Seitdem dürfen in Griechenland offiziell keine Umfragen
mehr veröffentlicht werden. (1)
Trotzdem war gestern von mehreren Umfragen
berichtet worden, die jetzt angeblich auf einen Wahlsieg der Nea Dimokratia
hinweisen. Das wurde auch als möglicher Grund für den gestrigen fulminanten
Kurssprung um über 10 Prozent an der Athener Börse und um teilweise mehr als 20
Prozent für griechische Bankhäuser angeführt. (2)
Was sich jetzt, so kurz vor der Wahl in
Griechenland in Presse und Medien in ganz Europa abspielt, ist nichts anderes
als ein mediales, dämonisierendes Powerplay gegen das Linksbündnis Syriza von Alexis
Tsipras. In einer solch massiven Form hat es das in Europa wohl noch nicht
gegeben. Es wird im Prinzip Stimmung gemacht für die Fortsetzung des zwischen
Griechenland und der sogenannten Troika (EZB, EU-Kommission und Inter-nationaler
Währungsfons (IWF)) vereinbarten drastischen Sparkonzepts, das das Land immer tiefer
in die Krise hat sinken lassen. Und es wird Stimmung gemacht für die potenziell
aussichtsreichste, das Sanierungskonzept befürwortende griechische Partei, nämlich
für die Nea Dimokratia mit ihrem Spitzenkandidaten Antonis Samaras.
Das ist paradox. Denn es war gerade die
Nea Dimokratia, die Griechenland in die aktuellen Schwierigkeiten regierte und
die dann 2009 gerade auch deswegen von den Griechen abgewählt worden ist. Damals
wählten die Griechen – nach langer Zeit einmal wieder – die PASOK und Giorgos
Papandreou an die Regierung, die dann den hinterlassenen Scherbenhaufen
aufzuräumen gezwungen war. Es gelang nicht. Griechenland musste finanzielle
Hilfen in Anspruch nehmen und am Ende wurde Papandreou gezwungen, die Verantwortung
für die Misere zu übernehmen und als Ministerpräsident zurückzutreten. Er
machte damit Platz für die von Loukas Papademos geführte Übergangsregierung,
die auch nur wenige Monate im Amt war und letztlich nur den Notstand
verwaltete. Denn vorangebracht hat sie in Griechenland nichts, wie die Zahlen
und Fakten belegen.
Nun sollen also, wenn man der medialen
Flut an Berichten und der Athener Börse Glauben schenkt, die Griechen
ausgerechnet die Nea Dimokratia an die Regierung wählen wollen. Eine Partei,
die ebenso wie die PASOK für Korruption, Vetternwirtschaft, gefälschte
Statistiken und katastrophales Missmanagement steht und seit Monaten auch für einen
drastischen Sparkurs, den laut Umfragen knapp 90 Prozent der Griechen ablehnen,
weil dadurch nichts besser, sondern alles immer noch schlechter geworden ist?
Das ist starker Tobak.
Es ist gut möglich, dass das mediale
Powerplay zugunsten der ND und des Sparkonzepts viele außerhalb Griechenlands glauben
macht, das Pendel schwinge in Griechenland tatsächlich wieder zurück zur „Vernunft“.
Dass es die Griechen in diesem Sinne bei der Stimmabgabe beeinflusst, ist wenig
wahrscheinlich. Es könnte im Gegenteil allenfalls die Wut noch steigern und
viele dazu bewegen, jetzt erst recht nicht die etablierten Altparteien zu
wählen. Denn es ist eine „Vernunft“ aus der Perspektive der Befürworter der
Austeritätspolitik in der Euro-Gruppe, nicht eine aus Sicht der Griechen.
Doch das mediale Powerplay ist dennoch verständlich.
Die Befürworter der Austeritätspolitik in der Euro-Gruppe fürchten einerseits
die Marktreaktionen, wenn Syriza am Sonntag das Rennen macht. Andererseits fürchten
sie den Gesichtsverlust, den sie im Falle eines Wahlsieges von Syriza erleiden
würden. Denn dann wären sie aller Voraussicht nach gezwungen, sich mit diesen „Linksradikalen“
und deren Beratern an einen Tisch zu setzen und sich von ihnen erklären zu lassen,
wie miserabel ihr Krisenmanagement und Krisenkonzept gewesen ist.
Es bleibt dabei: Nicht die Euro-Gruppe und
auch nicht Europas Presse und Medien entscheiden die Wahl in Griechenland und
sie können ihr Wunschresultat auch nicht herbeireden. Der Versuch allein wird
für viele Griechen als Provokation bewertet werden.
Das wissen auch alle. Deswegen bereiten
sich auch alle – insbesondere die Notenbanken – auf einen möglichen Wahlsieg
von Syriza vor.
Ob deswegen aber, wie zuvor immer wieder
als Schreckgespenst an die Wand gemalt, gleich der Weltuntergang eintritt, ist mehr
als fraglich.
Freilich werden die Märkte reagieren. Aber
das liegt einerseits in der Natur der Sache.
Zum anderen aber haben sich die Finanzmärkte
schon lange weitgehend von den wirtschaftlichen Realitäten abgekoppelt. Zu
erwarten ist gerade deswegen allerdings, dass die Realität nun die
Finanzmärkte, Börsen und insbesondere ein Reihe von Finanzmarktakteuren infolge
der Ereignisse in Griechenland wieder einholen könnte.
Das wird hart werden, keine Frage. Aber es
hat dann nichts mit Griechenland und dessen weiterer Entwicklung zu tun. Der
Auslöser dafür könnte genauso gut auch etwas ganz anderes sein.
Viel spannender ist die Frage, ob nach
einem Wahlsieg von Syriza und einer erfolgreichen Regierungsbildung der
Internationale Währungsfonds (IWF) im Zuge der dann erfolgenden
Neuverhandlungen aus den Hilfen für Griechenland aussteigt. Ohnehin gerät der
IWF aktuell wegen seines liberalen, austeritätspolitischen Sanierungs-konzeptes auf
einmal mehr auf breiter Front unter Druck. Bereits vor Beginn der
Finanzmarktkrise hatten aus diesem Grund immer öfter Länder davon abgesehen,
Hilfen beim IWF zu beantragen.
Dass ein Ausstieg des IWF nicht
auszuschließen ist, ist gewiss auch ein wesentlicher Grund für die Regierungen
der Euro-Gruppe, den European Stability Mechanism (ESM) beschleunigt durch die
Parlamente zu bringen, so dass er möglichst rasch seine Arbeit aufnehmen kann. Der
ESM ist schließlich – gemessen an den Funktionen, die er hat – eine mit dem IWF
vergleichbare Institution, eine Art Europäischer Währungsfonds also. Er könnte
bald seine Feuerprobe zu bestehen haben.
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