Am Sonntag, den 11. November, wird das griechische Parlament spätabends
über den Haushaltsplan für das Jahr
2013 abstimmen. Am Mittwoch, den
7. November steht das über die letzten Monate mit der Troika in
zähem Ringen ausgehandelte neue
Sparpaket (1) zur Abstimmung.
Zwar geben sich Nea Dimokratia (ND) (127
Sitze) und PASOK (33 Sitze) optimistisch, die nötige einfache Mehrheit (151
Stimmen) im Parlament mit seinen 300 Abgeordneten für den Haushalt 2013 und vor
allem auch für das mit der Troika vereinbarte, aber nach wie vor heftig
umstrittene neue Sparpaket zu bekommen. Allerdings hat der dritte
Koalitionspartner, die Demokratische Linke (Dimar) (16 Sitze), bereits
angekündigt, dem Sparpaket nicht zuzustimmen und es ist nicht sicher, ob sich die
Partei nicht auch dem Haushaltsplan bei der Abstimmung verweigern
wird.
Zwar haben ND und PASOK mit zusammen 160
Abgeordneten eine Mehrheit im Parlament, aber einige PASOK-Abgeordnete haben ebenfalls
angekündigt, dem Sparpaket am Mittwoch nicht zuzustimmen und es gibt auch Fälle
unsicheren Abstimmungsverhaltens. Aktuell wird seitens der PASOK damit
gerechnet, dass mindestens 26 der 33 Abgeordneten der Partei zustimmen werden
und die Absegnung der neuen Austeritätsmaßnahmen mit zwischen 153 und 157
Abgeordneten sicher ist. (2)
Unabhängig davon, ob die Abgeordneten von
Dimar nur dem Sparpaket oder auch dem Haushalt ihre Stimme verweigern, wird
damit gerechnet, dass die Koalitionsregierung infolgedessen wahrscheinlich vor
dem Bruch steht. Denn das geschlossen ablehnende Votum Dimars wird als
Anzeichen dafür gewertet, dass die Partei aus der Regierung aussteigen wird. Die
dann von ND und PASOK geführte Regierung hätte aber nur noch eine schwache
Mehrheit im Parlament. (3)
Was die Lage jedoch erschwert, ist, dass die
PASOK seit dem Beginn des Skandals um die 2010 dem damaligen griechischen
Finanzminister Giorgos Papaconstantinou (PASOK) zugegangene, bis vor kurzem
aber verschwundene Lagarde-Liste mit den Namen von knapp 2.000 potenziellen griechischen
Steuerflüchtlingen selbst vor einer Zerreißprobe steht. Im Brennpunkt der Kritik
steht vor allem auch das Verhalten des gegenwärtigen Vorsitzenden der PASOK,
Evangelos Venizelos. Denn dieser hatte erstens Kenntnis von der Liste, war ihr
aber in seiner Zeit als Finanzminister ebenfalls nicht nachgegangen. Gleich zu Beginn
der Affäre hatten bereits prominente Mitglieder der Partei aus Wut und
Enttäuschung den Austritt aus der PASOK angekündigt. (4) Jetzt stellte sich
jedoch zweitens heraus, dass es sich bei der Kopie dieser verschwundenen Liste,
die Venizelos dem aktuellen Finanzminister Stournaras vor wenigen Wochen zur Verfügung
gestellt hatte, um eine offensichtlich manipulierte Version handelt. (5) Jedenfalls
entspricht sie nicht dem Original, um dessen erneute Zustellung Griechenland die
französische Regierung inzwischen gebeten hat.
Der Fall hat eine staatsanwaltschaftliche
Voruntersuchung ausgelöst. In deren Mittelpunkt steht das Verhalten der beiden
ehemaligen PASOK-Finanzminister Papaconstantinou und Venizelos sowie der beiden
ehemaligen Leiter der für die Steuerfahndung zuständigen Behörde (SDOE), Yiannis
Kapeleris und Yiannis Diotis. Dabei geht es darum, ob ein Fehlverhalten
vorliegt, das eine strafbare Handlung begründet. Im Falle der beiden ehemaligen
Finanzminister Papaconstantinou und Venizelos wird das Parlament auf der
Grundlage des zur Voruntersuchung erstellten und dem Obersten Gericht inzwischen
zugeleiteten Berichts entscheiden, ob es eine formale Unter-suchung gegen die
beiden einleiten will. Allerdings wurde gestern gemeldet, dass das Parlament
diesen voraus-sichtlich erst in etwa zwei Wochen erhalten wird. (6)
Insofern ist sichergestellt, dass dieser
Fall die bevorstehenden Abstimmungen über den Haushalt 2013 und das neue
Sparpaket nicht zusätzlich belastet.
Gleichwohl finden die Abstimmungen unter
schwierigen Bedingungen statt, weil für die bevorstehende Woche erneut umfangreiche
Proteste und Streiks, die das Land für Tage lahmlegen dürften, angekündigt
worden sind. (7)
Dieser Hintergrund ist für die PASOK
kritisch. Die Abgeordneten der Partei dürften sich darüber im Klaren sein, dass
sich der Volkszorn auf sie entlädt, falls sie ungeachtet der anhaltenden
massiven Proteste jetzt mit ihrer Stimme sicherstellen, dass das Sparpaket
verabschiedet und anschließend der Bericht zum Skandal um die verschwundene Lagarde-Liste
Belastendes für die beiden ehemaligen Finanzminister der PASOK enthüllen
sollte. Es ist nicht auszuschließen, dass Evangelos Venizelos sich in einem Verfahren
stellen muss, das durchaus das Ende seiner politischen Karriere bedeuten könnte.
Sollte sich die demokratische Linke (Dimar) dann bereits aus der Regierung
verabschiedet haben, wäre eine ernste Regierungskrise die Folge.
In der kommenden Woche stehen in
Griechenland somit nicht nur das Sparpaket und die finanzielle Absicherung des
Landes zur Entscheidung, sondern auch, ob die Regierungskoalition endgültig
zerbricht und es wieder Neuwahlen wird geben müssen. Die Wahrscheinlichkeit
dafür ist beträchtlich gestiegen und die Vorsicht gebietet es, diese
Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Es könnte folglich auch für die Euro-Retter wieder
eine turbulente Woche bevorstehen.
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