Mittwoch, 31. Oktober 2012

Griechenland-Meldung des Monats: Warum Papandreou das Referendum über die Austeritätspolitik im November 2011 stoppte

Ende Oktober 2011 hatte der damalige griechische Premierminister Giorgos Papandreou völlig überraschend angekündigt, die Griechen in einem Referendum über die zuvor im Gegenzug zu Finanzhilfen ausgehandelten Sparauflagen abstimmen zu lassen. (1) Wenige Tage später machte er auf Druck der deutschen und franzö-sischen Regierung einen Rückzieher. Die Börsen feierten dies mit einem Kursfeuerwerk. Papandreou musste kurz darauf zurücktreten. (2)

Gestern am späten Abend veröffentlichte die Online-Version der griechischen Zeitung Ekathimerini einen Bericht, der eine Erklärung dafür bietet, warum Papandreou seitens Frankreich und Deutschlands unter Druck gesetzt wurde. (3)
Der damalige französische Finanzminister François Baroin hat demnach jetzt erklärt, Präsident Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel hätten Papandreou damals klar gemacht, Griechenland würde die zu seiner Rettung erforderlichen Finanzhilfen nicht erhalten, sollte er die griechische Bevölkerung in einem Referendum über die Sparauflagen abstimmen lassen. Baroin gibt nun an, seinerzeit mit drei Beratern inoffizielle Gespräche über die möglichen Folgen eines Austritts Griechenlands aus der Währungsunion geführt zu haben, die nicht dokumentiert wurden. Dabei sei es lediglich darum gegangen, zu einer Arbeitshypothese zu gelangen. Was dabei offenbar herauskam, ist Folgendes: Ein Griechenland-Exit hätte nach Baroins´ Auffassung seinerzeit unvermeidlich dazu geführt, dass auch Frankreich gezwungen gewesen wäre die Euro-Zone zu verlassen. (4)
Die Neuwahlen in Griechenland am 6. Mai mussten am 17. Juni 2012 wiederholt werden und waren de facto eine Abstimmung über das austeritätspolitische Sanierungskonzept. Der Druck von außen auf die Griechen, sich bei der Wahl für jene Parteien zu entscheiden, die den Sparkurs befürworten, war immens und letztlich bekann-termaßen erfolgreich. Die Nea Dimokratia (ND) mit Antonis Samaras an der Spitze wurde stärkste Kraft (29,65 Prozent / 129 Sitze) vor Alexis Tsipras Linksbündnis Syriza (26,9 Prozent / 71 Sitze) und ihr gelang es, eine Koalitionsregierung mit der PASOK (12,28 Prozent / 33 Sitze) und der Demokratischen Linken (Dimar) (6,35 Prozent / 17 Sitze) zu bilden. (5)
Seitdem wird Griechenland von der Dreier-Koalitionsregierung unter Premier Antonis Samaras (Nea Dimokratia (ND)) geführt. Seit der Wahl Mitte Juni wurde erneut hart um neue Sparauflagen für Griechenland verhandelt. Dabei kristallisierte sich immer stärker heraus, wie uneins die Koalitionspartner in dieser Frage sind und wie hart am Rande des Auseinanderbrechens die Koalitionsregierung angesichts neuer Massenproteste inzwischen segelt. Nächste Woche soll das griechische Parlament über die ausgehandelten Sparpläne entscheiden. Dimar hat angekündigt, die Zustimmung nicht zu geben. Drei PASOK-Abgeordnete wollen sich ebenfalls verweigern. (6)
Zu den verstärkten Spannungen hat vor allem auch die heftige Debatte um eine verschwundene Liste mit poten-ziellen griechischen Steuerflüchtlingen beigetragen, die Evangelos Venizelos (PASOK), ehemaliger griechischer Finanzminister und aktives Mitglied der Koalitionsregierung, schwer unter Druck brachte. Während die Regierung, seit sie 2010 die Liste von der damaligen Finanzministerin Christine Lagarde erhalten hatte, der griechischen Bevölkerung immer neue Einschnitte zumutete, wurden jene Griechen mit Vermögen in der Schweiz, deren Namen auf der Liste stehen, geschont. Der Liste wurde seitens des Finanzministeriums und der zuständigen griechischen Behörde nie nachgegangen, was erst jetzt, Ende September, durch Presseberichte über die Existenz der Lagarde-Liste herauskam, denn Finanzminister Jannis Stournaras musste eingestehen, dass sie im Ministerium nicht mehr auffindbar war. Daraufhin räumte Evangelos Venizelos ein, er verfüge über eine Kopie der Liste und werde sie dem Finanzministerium zur Verfügung stellen. (7) Das geschah.
Mittlerweile hatte jedoch ein griechischer Journalist die auf der Liste stehenden Namen veröffentlicht – und wurde daraufhin umgehend wegen „Verletzung der Privatsphäre“ verhaftet (8), was neue Empörung auslöste. Doch die Veröffentlichung hatte für die Regierung eine weitere unangenehme Nebenwirkung, weil dadurch nämlich herauskam, dass diese, dem Finanzministerium von Evangelos Venizelos zur Verfügung gestellte Liste nicht identisch ist mit dem Original, das Christine Lagarde dem griechischen Finanzminister Giorgos Papaconstantinou (PASOK) 2010 hatte zukommen lassen. Die offensichtlich bearbeitete Kopie enthält 2059 Namen, bei 245 davon handelt es sich um Firmen. Darauf finden sich ferner nur die Namen von drei griechischen Politikern – alle sind (waren) Mitglieder der Nea Dimokratia. Das Original soll jedoch lediglich 1991 Namen umfasst haben. (9)
Durch diesen Skandal gerät der Streit innerhalb der Regierungskoalition über die neuen Sparmaßnahmen zur Farce. Die Aussagen des ehemaligen französischen Finanzministers Baroin zur damals kritischen Lage für Frankreich rücken zudem die Frage in den Mittelpunkt, für wen – außer reichen griechischen Steuerflüchtlingen – sie eigentlich noch alles mitsparen müssen und warum sie Politikern ihre Stimme geben, die nicht willens sind eine Politik im Sinne der gesamten griechischen Bevölkerung zu betreiben, sondern dies nur vorgeben.

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