Gestern am späten Abend veröffentlichte
die Online-Version der griechischen Zeitung Ekathimerini einen Bericht, der eine
Erklärung dafür bietet, warum Papandreou seitens Frankreich und Deutschlands unter
Druck gesetzt wurde. (3)
Der damalige französische Finanzminister François Baroin hat demnach jetzt erklärt,
Präsident Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel hätten Papandreou damals klar
gemacht, Griechenland würde die zu seiner Rettung erforderlichen Finanzhilfen
nicht erhalten, sollte er die griechische Bevölkerung in einem Referendum über
die Sparauflagen abstimmen lassen. Baroin gibt nun an, seinerzeit mit drei
Beratern inoffizielle Gespräche über die möglichen Folgen eines Austritts
Griechenlands aus der Währungsunion geführt zu haben, die nicht dokumentiert
wurden. Dabei sei es lediglich darum gegangen, zu einer Arbeitshypothese zu
gelangen. Was dabei offenbar herauskam, ist Folgendes: Ein Griechenland-Exit
hätte nach Baroins´ Auffassung seinerzeit unvermeidlich dazu geführt, dass auch
Frankreich gezwungen gewesen wäre die Euro-Zone zu verlassen. (4)
Die Neuwahlen in Griechenland am 6. Mai
mussten am 17. Juni 2012 wiederholt werden und waren de facto eine
Abstimmung über das austeritätspolitische Sanierungskonzept. Der Druck von
außen auf die Griechen, sich bei der Wahl für jene Parteien zu entscheiden, die
den Sparkurs befürworten, war immens und letztlich bekann-termaßen erfolgreich.
Die Nea Dimokratia (ND) mit Antonis Samaras an der Spitze wurde stärkste Kraft (29,65
Prozent / 129 Sitze) vor Alexis Tsipras Linksbündnis Syriza (26,9 Prozent / 71
Sitze) und ihr gelang es, eine Koalitionsregierung mit der PASOK (12,28 Prozent
/ 33 Sitze) und der Demokratischen Linken (Dimar) (6,35 Prozent / 17 Sitze) zu
bilden. (5)
Seitdem wird Griechenland von der
Dreier-Koalitionsregierung unter Premier Antonis Samaras (Nea Dimokratia (ND))
geführt. Seit der Wahl Mitte Juni wurde erneut hart um neue Sparauflagen für
Griechenland verhandelt. Dabei kristallisierte sich immer stärker heraus, wie uneins
die Koalitionspartner in dieser Frage sind und wie hart am Rande des
Auseinanderbrechens die Koalitionsregierung angesichts neuer Massenproteste inzwischen
segelt. Nächste Woche soll das griechische Parlament über die ausgehandelten
Sparpläne entscheiden. Dimar hat angekündigt, die Zustimmung nicht zu geben. Drei
PASOK-Abgeordnete wollen sich ebenfalls verweigern. (6)
Zu den verstärkten Spannungen hat vor
allem auch die heftige Debatte um eine verschwundene Liste mit poten-ziellen griechischen
Steuerflüchtlingen beigetragen, die Evangelos Venizelos (PASOK), ehemaliger
griechischer Finanzminister und aktives Mitglied der Koalitionsregierung, schwer
unter Druck brachte. Während die Regierung, seit sie 2010 die Liste von der
damaligen Finanzministerin Christine Lagarde erhalten hatte, der griechischen
Bevölkerung immer neue Einschnitte zumutete, wurden jene Griechen mit Vermögen
in der Schweiz, deren Namen auf der Liste stehen, geschont. Der Liste wurde seitens
des Finanzministeriums und der zuständigen griechischen Behörde nie
nachgegangen, was erst jetzt, Ende September, durch Presseberichte über die Existenz
der Lagarde-Liste herauskam, denn Finanzminister Jannis Stournaras musste
eingestehen, dass sie im Ministerium nicht mehr auffindbar war. Daraufhin räumte
Evangelos Venizelos ein, er verfüge über eine Kopie der Liste und werde sie dem
Finanzministerium zur Verfügung stellen. (7) Das geschah.
Mittlerweile hatte jedoch ein griechischer
Journalist die auf der Liste stehenden Namen veröffentlicht – und wurde
daraufhin umgehend wegen „Verletzung der Privatsphäre“ verhaftet (8), was neue
Empörung auslöste. Doch die Veröffentlichung hatte für die Regierung eine weitere
unangenehme Nebenwirkung, weil dadurch nämlich herauskam, dass diese, dem Finanzministerium
von Evangelos Venizelos zur Verfügung gestellte Liste nicht identisch ist mit
dem Original, das Christine Lagarde dem griechischen Finanzminister Giorgos
Papaconstantinou (PASOK) 2010 hatte zukommen lassen. Die offensichtlich bearbeitete
Kopie enthält 2059 Namen, bei 245 davon handelt es sich um Firmen. Darauf
finden sich ferner nur die Namen von drei griechischen Politikern – alle sind
(waren) Mitglieder der Nea Dimokratia. Das Original soll jedoch lediglich 1991
Namen umfasst haben. (9)
Durch diesen Skandal gerät der Streit
innerhalb der Regierungskoalition über die neuen Sparmaßnahmen zur Farce. Die
Aussagen des ehemaligen französischen Finanzministers Baroin zur damals
kritischen Lage für Frankreich rücken zudem die Frage in den Mittelpunkt, für
wen – außer reichen griechischen Steuerflüchtlingen – sie eigentlich noch alles
mitsparen müssen und warum sie Politikern ihre Stimme geben, die nicht willens
sind eine Politik im Sinne der gesamten griechischen Bevölkerung zu betreiben,
sondern dies nur vorgeben.
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