Die liberal-konservative britische
Regierung von Premier David Cameron verfolgt ebenso wie auch die Krisen-staaten
in Südeuropa einen harten austeritätspolitischen Kurs. In Großbritannien ist jetzt
eine ganze Reihe von Maßnahmen in Kraft getreten. Die Vergabe von Sozialhilfe wurde
grundsätzlich neu geregelt, was mit tiefen Einschnitten verbunden ist. Dabei
geht es unter anderem um Folgendes: (1)
- Die Sozialhilfe wird – ausgenommen sind Behinderte
- künftig nicht mehr entsprechend der Inflationsrate steigen, sondern um nur
noch 1 Prozent.
Betroffen sind: 9,5 Millionen Familien
Geschätzte Ersparnis für den Staatshaushalt: ca. 2,3 Milliarden Pfund in den nächsten drei Jahren - Bewohner von Sozialwohnungen müssen
künftig Einbußen bei der Sozialhilfe hinnehmen, wenn sie über ein freies
Schlafzimmer verfügen.
Betroffen sind: ca. 1 Million Haushalte (in Zweidritteln davon leben Behinderte)
Geschätzte Ersparnis für den Staatshaushalt: 465 Millionen Pfund p.a. - Kürzung bzw. Streichung (bei mehr als
38.000 Pfund (ca. 38.000 Euro) Haushaltseinkommen p.a.) der Rechtsbeihilfe.
Geschätzte Ersparnis für den Staatshaushalt: 350 Millionen Pfund p.a. - Die Entscheidung über Ausnahmen von der
üblichen Gemeindesteuer für Familien mit geringem Einkommen wird nicht mehr vom
Arbeitsministerium, sondern von den Kommunen selbst gefällt, was darauf
hinausläuft, dass mehr Familien diese zumindest zum Teil selbst bezahlen
müssen.
Betroffen sind: ca. 6 Millionen Familien
Geschätzte Ersparnis für den Staatshaushalt: bis zu 480 Millionen Pfund p.a. - Daneben sind andererseits Haushalte, deren Jahreseinkommen unter 10.000 Pfund liegt, von der Einkommensteuer befreit. Am oberen Ende des Einkommensspektrums wird allerdings auch der Spitzensteuersatz von 50 auf 45 Prozent gesenkt.
Die Labour-Partei hingegen verurteilt die Maßnahmen als ungerecht, weil sie nach deren Auffassung die ärmsten zehn Prozent der britischen Bevölkerung besonders hart treffen, während sich zugleich die hohen Einkommen entlastet werden.
Die BBC hat diese Kontroverse in einer Radiosendung auf BBC Radio 4 am Montag aufgegriffen und interviewte dazu den konservativen britischen Arbeitsminister Ian Duncan Smith. (3) Dieser verteidigte die Maßnahmen mit der Aussage, auch er könne mit 53 Pfund (ca. 63 Euro) pro Woche auskommen, wenn es sein müsse. Diesen Betrag hatte ein zuvor von der BBC befragter Geringverdiener, der Markthändler David Bennet, genannt. (4)
Smith ahnte nicht, was er damit auslösen würde.
Der Musiker Dom Aversano initiierte daraufhin nämlich eine Online-Petition, in der Arbeitsminister aufgefordert wird, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Für wenigstens 1 Jahr soll Smith auf 97 Prozent seiner Minister-Bezüge in Höhe von 1.581,02 Pfund pro Woche verzichten und so beweisen, dass er mit wöchentlich 53 Pfund auskommen kann. (5)
So etwas hat es bisher wohl noch nicht gegeben.
Die Petition wurde inzwischen von über 412.000 Menschen unterzeichnet. (6) 500.000 Unterstützer sind nötig. Aversano hat ins Schwarze getroffen.
In allen europäischen Krisenstaaten wird durchexerziert, was auch Ian Duncan Smith stellvertretend für die gesamte britische Regierung als Krisenkonzept gutheißt. Smith ist kein Einzelfall. So wie er reden und beschönigen viele andere Regierungspolitiker in Europa. Es ist ihnen allen bisher nicht schwergefallen, die soziale Realität und die volkswirtschaftlichen Fakten auszublenden, die diese Art von Krisenkonzept geschaffen hat. Denn von einer Beendigung der Schuldenmisere kann in Europa kaum die Rede sein, von Krisenbewältigung schon gar nicht.
Der Fall Ian Duncan Smith zeigt deswegen vielleicht stellvertretend für ganz Europa, zu welcher Erkenntnis die Bürger inzwischen gekommen sind:
So lange Regierungspolitiker und Abgeordnete nicht selbst die unmittelbaren Konsequenzen ihrer Krisenpolitik erleben und ertragen lernen müssen, haben sie keinen Anreiz, eine in gesellschaftlicher und gesamtwirtschaft-licher Hinsicht vernünftige Krisenpolitik zu betreiben.
Die Kluft zwischen den Lebensrealitäten von Politikern und Bürgern ist offensichtlich viel zu groß geworden. Es müssen Wege gefunden werden, sie zu schließen.
Die Online-Petition könnte ein Beitrag dazu sein. Wer sich dafür interessiert und das Experiment gerne verfolgen möchte, der kann das hier tun:
Ich sehe dass Europa den gleichen Weg gehen will und wird, wie Nordamerika. Auch hier werden Reiche immer reicher und Arme immer aermer. Das`diese Politik volkswirtschaftlicher Selbstmord ist, koennen verantwortliche Gesetzesmacher mit ihrer begrenzten Gehirnkapazitaet wohl kaum verstehen. Wenn Zig-millionen von Menschen immer aermer werden koennen sie kaum mehr an der Marktwirtschaft teilnehmen, fallen als kaufkraeftige konsumenten von der Bank.
AntwortenLöschen"Paul Feyerabend: „Es ist kurzsichtig anzunehmen, dass man „Lösungen“ für Menschen hat, an deren Leben man nicht teilnimmt und deren Probleme man nicht kennt.“" Erkenntnis für freie Menschen, Frankfurt am Main, 1979
AntwortenLöschenDaran krankt (u.a.) die Politik: Sie befindet "so wie es ist, ist es gut" und weiß gar nicht wie es ist, da draußen, da unten ...