Erinnern Sie sich noch? Bei der Bundestagswahl
im September, vor mehr als zwei Monaten also, ist Schwarz- Gelb abgewählt worden
und die FDP aus dem Bundestag geflogen. SPD und Grüne wurden mit miserablen
Wahlergebnissen abgestraft, nachdem sie sich im Wahlkampf verzettelt hatten und
die Alternative für Deutschland (AfD) verpasste den Einzug in den Bundestag knapp.
Die Bundestagswahl pulverisierte die –
gemessen an den Umfragen ohnehin illusorischen - Hoffnungen in der SPD und bei
den Grünen auf eine eigene Regierungsmehrheit.
Wahlkampfdebakel mit und ohne personelle Konsequenzen
Beide Parteien hatten es im Wahlkampf stets
abgelehnt, im Fall der Fälle mit der Union zu koalieren und so Angela Merkel zu
einer weiteren Amtsperiode als Bundeskanzlerin zu verhelfen. Beide wollten
einen Politik-wechsel – in Deutschland und für Deutschland, aber auch für
Europa.
Für die SPD kam hinzu, dass ihr Spitzenkandidat
Peer Steinbrück erst kein Fettnäpfchen ausließ und sich dann einen aufreibenden
und von der Öffentlichkeitswirkung her schädlichen Kleinkrieg mit dem SPD-Vorsitzenden
Sigmar Gabriel lieferte. Zudem wurde Steinbrück er nicht als glaubwürdiger
Repräsentant des von der SPD geforderten Kurswechsels wahrgenommen.
So geschah es, dass die SPD in ein
Umfrageloch fiel und dort blieb.
Das SPD-Wahlergebnis bestätigte mit knapp
über 25 Prozent der Stimmen nur das, was Meinungsumfragen der SPD über die
letzten Monate des Wahlkampfes hinweg regelmäßig signalisiert hatten.
Im Grunde aber hatten SPD und Grüne am
Wahltag sogar Glück. Denn die Union verfehlte die absolute Mehrheit und es gibt
nun im neuen Bundestag tatsächlich eine linke Mehrheit, allerdings eben „nur“ eine
rot-rot-grüne.
Doch davon wollten SPD und Grüne nichts
wissen. Sondierungsgespräche mit der Linkspartei gab es auf Bundesebene nicht. Peer
Steinbrück und Sigmar Gabriel hatten im Wahlkampf immer wieder betont, dass sie
mit der Linkspartei nicht regieren wollen. Die Spitzenkandidaten der Grünen
hatten sich ähnlich geäußert. Erst später zeigten sich die Grünen offen dafür.
Nach der Wahl zogen die Parteien, die eine
schwere Wahlschlappe einstecken mussten, personelle Konse-quenzen. Es rollten
Köpfe und die Strategien wurden überdacht – bei der FDP und den Grünen, nicht
aber bei der SPD! Peer Steinbrück löste sein Versprechen ein und zog sich
zurück. Das war´s. Ansonsten änderte sich nichts.
Koalitionsverhandlungserfolg mit oder ohne Illusionen?
Nun ist die SPD-Führung also dazu bereit,
in eine von Angela Merkel geführte Große Koalition zu gehen und zwar mit der
Begründung, es sei besser wenigstens einige der SPD-Ziele zum Wohle der Menschen
im Land verwirk-lichen zu können als gar keine. Die SPD-Spitze ist nach
Abschluss des Koalitionsvertrages, der unter dem Vorbehalt der Zustimmung der
SPD-Mitglieder steht, überzeugt, in den Verhandlungen viel für die SPD erreicht
zu haben.
Allerdings stehen im Koalitionsvertrag viele
der vereinbarten Maßnahmen unter einem Finanzierungsvorbehalt und der
flächendeckende Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro, auf den Sigmar Gabriel stets
gepocht hatte, kommt erst dann, wenn schon wieder die nächste Bundestagswahl
ansteht. Sollte sich die deutsche Wirtschaft zwischen-zeitlich schlechter
entwickeln als prognostiziert und deswegen die Staatseinnahmen weniger üppig
fließen als gedacht oder sollten durch eine neuerlich Verschärfung der
Euro-Krise unvorhergesehene Mehrausgaben eingeplant werden müssen, dann könnten
bei den Verhandlungen durchgesetzte Maßnahmen zu Makulatur werden.
Anders ausgedrückt ist das Szenario für
die Wirtschaftsentwicklung und die Entwicklung der Staatsfinanzen, das dem
Koalitionsvertrag zugrunde liegt, angesichts vieler nach wie vor existierender Krisenrisiken
recht optimistisch.
Wie viel von dem, was die SPD von sich in
den Koalitionsvertrag eingebracht hat, in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich
verwirklicht werden wird, hängt letztlich von der wirtschaftlichen Entwicklung
in Deutschland und Europa ab.
Auf viele Krisenrisiken hat die Bundesregierung
zudem keinen oder nur sehr begrenzten Einfluss. Ob in den USA, Japan, China oder
den Schwellenländern, überall können nicht unerhebliche Risiken für die weitere
Entwicklung auf den Finanz- und den globalen Märkten ausgemacht werden. In
Deutschland und Europa hängt indes viel vom künftigen wirtschafts- und
krisenpolitischen Kurs der Bundesregierung ab. SPD, Grüne und Linkspartei waren
jedoch gerade mit der Kernforderung in den Wahlkampf gezogen, der bisherige Kurs
müsse geändert werden, damit Europa die wirtschaftliche Abwärtsspirale
durchbrechen kann.
In der Großen Koalition wird die SPD eindeutig
der Juniorpartner sein. Insofern stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss der
SPD auf diesen Kurs wirklich sein wird.
Die europäischen Börsen haben gestern eine
Antwort auf diese Frage gegeben. Sie haben positiv auf die Nachricht des
Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD reagiert. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen,
warum. Es wird damit gerechnet, dass sich am politischen Kurs in Deutschland
und Europa im Wesentlichen nichts ändert. Er wird in dieser Lesart folglich weiterhin
Angela Merkels Handschrift tragen.
Die SPD-Wette
So betrachtet ist der Koalitionsvertrag
für die SPD eher eine Wette. Sie wettet auf das optimistische
Wirtschafts-szenario. Aber mehr noch wettet sie darauf, den Regierungskurs signifikant
beeinflussen zu können. Die Märkte wetten dagegen und wenn es wirtschaftlich
bergab geht, ist der Schuldige schnell ausgemacht.
Über den gesamten Wahlkampf hinweg hat die
SPD-Spitze allen Umfragen und Problemen zum Trotz an Rot-Grün geglaubt. Jetzt
glaubt sie daran, erfolgreich mit der Union regieren zu können. Ist das
realistisch?
Realistisch betrachtet wird sie den Kurs nicht
signifikant ändern können und zwar erst recht nicht, wenn sich die
wirtschaftliche Lage verschlechtert. Sie sitzt im Regierungsboot, ja, aber am
Steuer sitzt sie nicht. Offensichtlich will sie das auch nicht – jedenfalls
nicht so richtig. Die Aussicht, in ruhigen wie in turbulenten Gewässern die
Verantwortung für ein rot-rot-grünes Boot übernehmen zu müssen, schreckt die SPD-Spitze
weit mehr als in ein Boot zu steigen, das von der Union gesteuert wird, wenn´s
drauf ankommt.
Sie wird wissen, warum. Früher oder später
wissen es die Wähler dann aber auch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen