Stavros Dimas (73), Ex-EU-Kommissar und
Vize-Chef der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia von Premier Antonis
Samaras hat als Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten erwartungsgemäß auch
in der zweiten Wahlrunde im griechischen Parlament nicht die erforderliche Zahl
der Stimmen erhalten.
168 Abgeordnete stimmten für Dimas, acht
mehr als in der ersten Runde. 200 Stimmen wären erforderlich gewesen. (1) In
der dritten und letzten Wahlrunde am 29. Dezember benötigt er die Zustimmung von
nur noch 180 der insgesamt 300 Abgeordneten. Über die Feiertage muss die Regierungskoalition,
die 155 Abgeordnete im Parlament stellt, folglich die hinzugewonnenen Stimmen
halten und darüber hinaus weitere 12 Abgeordnete aus der Opposition auf ihre
Seite ziehen. Nur dann kann sie es doch noch vermeiden, dass die Griechen Ende
Januar oder Anfang Februar ein neues Parlament wählen müssen und der Regierung
Samaras bei dieser Gelegenheit möglicherweise endgültig die rote Karte zeigen.
Skandal um versuchten Stimmenkauf überschattet die Wahl
Es dürfte in jedem Fall sehr schwer
werden, die für die Wahl von Stavros Dimas erforderliche Zahl der Stimmen zu
erhalten. Schwer, aber nicht ausgeschlossen. Allerdings werden diese Bemühungen
zusätzlich durch den jüngst erhobenen Vorwurf der versuchten Bestechung eines
Abgeordneten der Partei „Unabhängige Griechen“ (ANEL) erschwert, der deswegen die
Staatsanwaltschaft einschaltete. (2)
Der Fall hat in den letzten Tagen in
Griechenland und vor allem im Parlament hohe Wellen geschlagen.
Dazu beigetragen hat ein in Umlauf
gebrachtes Video (3), das den angeblichen Bestechungsversuch zeigen soll und
das auch der Staatsanwaltschaft zugeleitet wurde. Die hat es jedoch inzwischen
als zweifelhaft bewertet und deswegen keine weitergehenden Ermittlungen aufgenommen.
Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall damit abgeschlossen (4), für die
Politik angesichts der Brisanz für die laufenden Präsidentschaftswahlen indes
sicher nicht.
Konkret ging es darum, dass dem
Abgeordneten finanzielle Vorteile im Wert von 2-3 Millionen Euro angeboten
worden sein sollen, wenn er für den Präsidentschaftskandidaten der
Regierungskoalition stimmt. (5)
Ein Banker, der Griechenlands Top-Politiker berät und Stimmen kauft?
Die besondere Brisanz des angeblichen Bestechungsversuchs
resultiert aus dem beruflichen Hintergrund desjenigen, der ihn unternommen
haben soll: Giorgos Apostolopoulos.
Apostolopoulos war laut Zeitungsberichten
bisher für die Deutsche Bank, verschiedene Investmentfonds und die Piraeus Bank
tätig. Er war laut eigenen Aussagen daneben jedoch auch Berater von Giorgos
Papandreou (PASOK) und von Antonis Samaras (ND), der Papandreou – nach der eingesetzten
Interimsregierung von Lucas Papademos – als neuer gewählter Regierungschef
ablöste. (6)
Beraten hat Apostolopoulos ferner den ehemaligen
griechischen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou (PASOK), der später im den
Skandal um die sogenannte „Lagarde-Liste“ in die Schusslinie geriet. (7) Bei
der Lagarde-Liste handelt es sich um eine CD mit Namen von potenziellen
griechischen Steuerhinterziehern, die von Christine Lagarde im Jahr 2010 an den
damaligen Finanzminister Papakonstantinou weitergegeben worden war. Allerdings
hatte dieser sowie auch sein Amtsnachfolger Evangelos Venizelos (PASOK) in
dieser Sache nichts unternommen. Erst Ende 2012 wurde bekannt, dass eine solche
CD überhaupt existierte, vorübergehend verschwunden und dann zunächst in einer manipulierten
Version wieder aufgetaucht war. (8)
Apostolopoulos hat darüber hinaus auch den
Parteichef der „Unabhängigen Griechen“, Panos Kammenos, beraten und damit jene
Partei, die nun den Bestechungsskandal ins Rollen brachte. (9)
Außerdem sagte Apostopoulos in einem
Prozess in Griechenland aus, in dem es um Wetten auf die Staatspleite
Griechenlands ging. (10) Seinerzeit waren griechische Politiker in den Verdacht
geraten, mit Kreditausfallver-sicherungen (Credit Default Swaps (CDS)) auf die
Pleite Griechenlands zu wetten, um finanziell davon zu profitieren.
Juristisch abgeschlossen, aber politisch explosiv
Apostolopoulos hat in seiner Aussage zu
den Vorwürfen das Treffen mit dem Abgeordneten nicht geleugnet, aber den
Verlauf anders dargestellt. Demnach soll der Abgeordnete die Initiative
ergriffen und nach einer finanziellen Kompensation für seine Stimme gefragt
haben. (11) Doch weil die Staatsanwaltschaft den Fall bereits geschlos-sen hat,
spielt rechtlich die Frage, von wem die Initiative ausging, keine Rolle mehr.
Ungeklärt bleibt auch die Frage, was die
Motivation von Apostolopoulos war. Gegenüber dem Staatsanwalt erklärte er, er
habe vollkommen unabhängig und aus eigener Initiative gehandelt. (12)
Angesichts der Top-Berater-rolle, die er in der griechischen Politik in den
zurückliegenden Jahren eingenommen hat, vor allem bei Giorgos Papandreou
(PASOK) und Antonis Samaras (ND) und der Tatsache, dass er zeitgleich für
Banken und Fonds tätig war, kann diese Aussage ganz sicher nicht jeden zufriedenstellen.
Der Stern der amtierenden griechischen Regierung sinkt
Gerade deswegen stellt der Skandal eine
schwere Hypothek für die von Nea Dimokratia und PASOK gebildete Koalitionsregierung
dar und zwar sowohl bei der Suche nach einer Mehrheit für ihren Präsidentschaftskandidaten
Stavros Dimas als auch im Falle von Neuwahlen.
Zugleich dürfte der Skandal um die
angebliche Bestechung dafür sorgen, dass bei Überzeugungsversuchen auf beiden
Seiten viel stärker darauf geachtet wird nicht in den Verdacht zu geraten, Grenzen
zu überschreiten. Die leicht zu überzeugenden Abgeordneten der Opposition
dürfte die Regierung inzwischen auf ihre Seite gebracht haben. Die schwer zu
überzeugenden sind die, die sie jetzt noch gewinnen muss. Es ist wie gesagt nicht
ausgeschlossen, dass ihr das gelingt. Aber es wäre angesichts der beschriebenen
Situation recht optimistisch, ihre Chancen bei mindestens 50:50 anzusetzen.
Gerade heute wird zudem berichtet, dass Ex-Premier
und PASOK-Mitglied Giorgos Papandreou nach der dritten Wahlrunde angeblich die Gründung
einer eigenen, neuen Partei ankündigen wird. (13) Das mag ein Hinweis darauf
sein, wie wenig aussichtsreich die Regierungskoalition ist und wie wahrscheinlich
Neuwahlen in Griechenland mittlerweile geworden sind.
Die Opposition, allen voran die
linksgerichtete Syriza von Alexis Tsipras, ist mit der heute erneut
gescheiterten Präsidentenwahl ihrem Ziel von Neuwahlen in jedem Fall wieder ein
Stück näher gekommen und die Griechen scheinen sich langsam darauf einzustellen,
dass es dazu auch kommen wird.
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