„Farbe bekennen“, so lautete der Titel einer Sondersendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ARD) am gestrigen Abend
nach dem Gespräch des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis mit
Bundesfinanz-minister Wolfgang Schäuble in Berlin.
Was Varoufakis sagt …
Der Wirtschaftsprofessor und neue
griechische Finanzminister Varoufakis hat seit seinem Amtsantritt in
zahlreichen Interviews sowie auch bei Gesprächen mit Ministern etwa in Paris
und London immer wieder hervor-gehoben, dass er der Auffassung ist, das austeritätspolitische
Konzept der Troika für Euro-Länder, die seit der Finanzmarktkrise von 2008 mit
Staatsschuldenproblemen zu kämpfen haben, sei falsch gewesen. Es sei falsch
gewesen, weil es ein Einnahmenkürzungsprogramm darstelle und damit die
Bewältigung der Schuldenprobleme unmöglich gemacht werde. Zudem habe es zu
einer humanitären Katastrophe geführt, die Europa vor eine Zerreißprobe stelle.
Deswegen, so Varoufakis, müsse jetzt nicht nur für Griechenland, sondern für
die ganze Euro-Gruppe ein anderer, besserer Weg gefunden werden. Griechenland
will bis Mai ein neues Konzept für die Bewältigung der Krise in Griechenland
erarbeiten. Um es umsetzen zu können, benötigt Griechenland finanziellen
Spielraum. Darum will Varoufakis die aus den Schulden und den Hilfskrediten
resultierenden Lasten senken.
Das ist – sinngemäß – das, was Varoufakis
gegenüber den Medien bisher immer wieder erklärt hat.
Nun war er also gestern auch beim
Bundesfinanzminister in Berlin. Und schon unmittelbar nach dem Gespräch hatte der
erklärt, dass man sich in der Sache nicht näher gekommen sei. Anschließend dann
das Interview mit der ARD.
Welche Rolle Varoufakis Position im Interview mit Schäuble spielte
Nach dem Interview fragte ich mich
ernsthaft, ob die Herren Schäuble und Varoufakis gestern in Berlin überhaupt miteinander
oder nicht wohl doch eher aneinander vorbei gesprochen hatten. Das Interview in
der ARD jedenfalls hinterlässt den Eindruck, dass entweder nichts von dem, was
Varoufakis seit Tagen redet, bei Herrn Schäuble und bei den beiden Moderatoren,
die das Gespräch mit ihm führten, angekommen ist oder sie es für nicht für wert
erachteten, darüber zu sprechen.
Was, diese Frage drängt sich auf, soll man
als deutscher oder griechischer Bürger von einer ARD-"Sonder-sendung“ zum Besuch
des griechischen Finanzministers halten, die all das weglässt, was dessen
Position und Forderungen ausmacht und sie vor allem auch für die Deutschen, die
dieses Interview im TV verfolgt haben, hätte verständlich machen können?
Dieses Interview hat einseitig die
Position der Bundesregierung in der Griechenlandfrage wiedergegeben und zwar unhinterfragt
und kritiklos. Die der griechischen Regierung kam gar nicht vor.
Fatale Botschaft
Die Botschaft hätte gar nicht klarer sein
können. Das Interesse der Bundesregierung an einem offenen und konstruktiven
Umgang mit der neuen griechischen Regierung in Fragen der Krisenpolitik ist offensichtlich
so gut wie nicht vorhanden. Der Besuch des neuen griechischen Finanzministers war
für die ARD zwar wichtig genug für eine „Sondersendung“, nicht aber das, was er
zu sagen hatte. Das passt zusammen.
So betrachtet könnte man dann in der Tat
auch wieder den Titel der Sondersendung, „Farbe bekennen“, verstehen. Bundesregierung
und ARD haben damit, ob beabsichtigt oder nicht, gegenüber Griechenland – und zugleich natürlich auch gegenüber den
Bundesbürgern, die sie mit den Details der Position der griechischen Regierung „nicht
belästigen“ wollten – Farbe bekannt.
Was die deutschen Zuschauer davon halten, die
ihre Informationen nicht nur aus der ARD erhalten, ist eine Sache. Es fällt allerdings
nicht schwer sich vorzustellen, wie das in Griechenland ankommt. Das ist die
andere, besorgniserregende Sache, nämlich das Bild „der Deutschen“ in Europa.
Nur überrascht es einen dann irgendwie doch,
dass die Bundesregierung sich erstaunt und entsetzt darüber zeigt, wie viel Wut
und eben auch völlig entgleiste historische Vergleiche ihr in den griechischen
Medien entgegen-schlagen – und nicht nur dort.
Wie diese Geschichte weitergeht, wenn in
diesem Jahr die Wahlen in Portugal und Spanien gelaufen sind, ist vorhersehbar.
Da rasen zwei große Züge aufeinander zu. Einer ist Deutschland. Ist es der
stärkere?
Das werden wir in 10 Tagen wissen... the Chicken Game is on the run and time runs out:
AntwortenLöschenThe final countdown:
http://www.zerohedge.com/news/2015-02-06/eurogroup-gives-greece-10-day-ultimatum?page=1
Interessante Zeiten.
Also ich dachte aus dem Alter bin ich mittlerweile raus, daß ich Bargeld horte. War das ein Fehler???
AntwortenLöschenIn die Zukunft sehen kann ich natürlich ebenso wenig wie alle anderen. Meine persönliche Einschätzung ist: Griechenland wird NICHT aus dem Euro ausscheiden.
LöschenWas seit Amtsantritt der neuen griechischen Regierung in den Medien geschieht, ist ein Spiel mit den Ängsten. Natürlich ist es das, was sich am besten verkauft - aus Sicht der Medien.
Doch es wird alles nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Zur Orientierung:
Ich denke, was gegenwärtig bei den Verhandlungen der Euro-Gruppe mit Griechenland geschieht, ist ein Machtkampf und zwa interessanterweise weniger zwischen Griechenland und der deutschen Regierung als viel mehr zwischen der deutschen Regierung auf der einen und einer Reihe von Staaten sowie insbesondere auch der Europäischen Kommission auf der anderen Seite.
Worum geht es dabei?
Nur vordergründig geht es allein um Griechenland. In Wahrheit geht es für eine Reihe von Regierungen, unter anderem Italien und Frankreich, und Kommissions-Präsident Juncker um einen Kurswechsel in der europäischen Krisenpolitik, den primär Deutschland, aber auch eine Gruppe von anderen Ländern (u.a. Niederlande, Finnland) nicht will.
Es heißt, dass die Europäische Kommission der griechischen Regierung bei der Formulierung des Briefes bzw, Antrages auf Verlängerung der Kredite geholfen hat. Das heißt mit anderen Worten, dass nicht nur die neue Kommission unter Juncker, sondern eben auch Frankreich, Italien etc. den Fall Griechenland nutzen, um einen Kurswechsel zu erzwingen, gegen den sich die deutsche Regierung bisher erfolgreich gewehrt hat.
Es mag gut sein, dass Schäuble dieses Mal wirklich zurückstecken muss. Aber das lässt sich mit Sicherheit noch nicht sagen.
Ganz unabhängig davon hat aber niemand in der Euro-Gruppe ein ernsthaftes Interesse daran, dass die Verhandlungen zum Austritt Griechenlands aus dem Euro führen. Es geht hauptsächlich um den krisenpolitischen Kurs. Ein Euro-Austritt wäre in jedem Fall mit hohen und im Voraus kaum abschätzbaren Risiken verbunden, die niemand wird auf sich nehmen wollen. Das gilt im Übrigen ganz besonders auch für die EZB und natürlich die Europäische Kommission.
Viele Grüße
SLE