Donnerstag, 31. Dezember 2015

Das war 2015: Polens neue Regierung zertrümmert die letzten Fantasien vom einigen und starken Europa



Bei den Parlamentswahlen am 25. Oktober haben die Polen die regierende liberale Partei „Bürgerplattform“ (PO) und damit auch deren austeritätspolitischen Kurs abgewählt und die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) von Jaroslaw Kaczynski mit der absoluten Mehrheit (235 der 460 Sitze) ausgestattet. (1) Keine Frage, diese absolute Mehrheit hat die PiS genutzt. Allerdings in einer Weise, die die Bevölkerung zu Massenprotesten auf die Straße trieb (2) und die Europäischen Union schockierte (3).
Führungspositionen im öffentlichen Sektor, etwa bei der Polizei und den Geheimdiensten sowie in Staatskonzernen, wurden rasch neu besetzt. (4) Auch ein NATO-Spionagezentrum wurde gestürmt, dessen polnischer Leiter ausgetauscht. (5) Und das war erst der Anfang. Mit einem neuen Gesetz über den Staatsdienst sollen laut Medienberichten (6) die Ausschreibung und der offene Wettbewerb bei der Besetzung von Führungspositionen abgeschafft und durch politische Ernennungen ersetzt werden. Alle bisherigen Behördenleiter sollen 30 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes abgelöst werden. In Kraft getreten ist bereits ein Gesetz, welches das Verfassungsgericht entmachtet (7) und ebenso wie die Medien (8) unter die Kontrolle der neuen Regierung bringt. Die PiS baut die Demokratie zurück und nicht nur das.
Keine Frage, die neue polnische Regierung schert sich auch nicht mehr um das, was für die Europäische Union vereinbart wurde. Was in Brüssel für Europa geplant und beschlossen wird, scheint ihr gleichgültig zu sein – und Brüssel schaut konsterniert und letztlich machtlos zu.
Es ist kein Wunder, dass jetzt so etwas in Polen geschieht. Jaroslaw Kaczynski macht keinen Hehl aus seinen Vorstellungen. Nur im Wahlkampf hat er sich zurückgehalten. Und natürlich hat er gesehen, was die Vereinbarungen auf europäischer Ebene zur Bewältigung der Flüchtlingskrise tatsächlich wert sind: Nichts. Sie werden von den Mitgliedstaaten, die damit nicht einverstanden sind, einfach nicht umgesetzt.
Polens neue Regierung wird damit zum Symbol für den rapiden Niedergang des Gedankens eines einigen, starken Europas und das ist die Konsequenz einer von spezifischen nationalen Interessen dominierten und offensichtlich verfehlten europäischen Krisenpolitik.
Mehr noch scheint damit die Flüchtlingskrise zum Endpunkt für die bisherige krisenpolitische Linie Europas und vor allem für den in der Krise forciert vorangetriebenen Prozess der Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen in der Europäischen Union geworden zu sein. Was für ein Desaster! Polen macht nach Ungarn Nägel mit Köpfen. Aber die letzten Wahlen in verschiedenen Mitgliedstaaten zeigen, dass in immer mehr Mitgliedstaaten der EU eine Abkopplung von einem politisch aus Brüssel gesteuerten Europa gewollt ist und tatsächlich auch stattfindet.
Doch es ist nicht in erster Linie die Europäische Kommission, die dies zu verantworten hat, sondern der Europäische Rat. Denn die Staats- und Regierungschefs selbst haben die richtungsweisenden Entscheidungen für Europa und für die europäische Krisenpolitik getroffen. Einige Regierungen, die diesen Kurs unterstützten, wurden deswegen inzwischen von ihren Bürgern abgewählt. In Griechenland steht das politische System mittlerweile kurz vor dem Kollaps, weil es offensichtlich keine der großen Partei es schafft, den von Brüssel aufoktroyierten austeritätspolitischen Kurs zu verlassen. Scheitert die Tsipras-Regierung in Athen, drohen eine Zersplitterung des Parteiensystems Griechenlands und massive Probleme, regierungsfähige Mehrheiten zu bilden. Griechenland drohen die politische Lähmung, der finanzielle Tod und eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Das wäre eine verheerende und schockierende Bilanz für die europäische Krisenpolitik.
Polen scheint hingegen ein Beispiel für das entgegengesetzte Extrem zu werden: Für eine weitest gehende Abkopplung und Negierung von Brüssel bzw. von Entscheidungen des Europäischen Rates.
Wem diese Zusammenfassung des Standes der Auswirkungen der europäischen Krisenpolitik noch nicht deutlich genug ausfällt, dem sei gesagt, dass sich die Europäischen Union offenbar gerade – zunächst politisch –auseinanderzudividieren beginnt. Entweder aus eigenem Antrieb, wie in Polen oder als Folge der großen Abhängigkeit von den politischen Entscheidungen in Brüssel, wie im Falle Griechenlands.
Der Prozess der Zentralisierung von Entscheidungskompetenzen auf europäischer Ebene hat damit einen bitteren Endpunkt erreicht. Der britische Premier David Cameron liegt nunmehr mit seinen Forderungen der Beschneidung von Brüssels Kompetenzen nicht mehr nur im Trend, sondern ist von aktuellen Entwicklungen scheinbar bereits überholt worden. Allerdings ist die Beschneidung der Kompetenzen kein Konzept für Europa, sondern im Grunde schlicht dessen Negation. Einen positiven Entwurf eines anderen Europas, eines dezentralisierten und auf seine Vielfalt setzenden Europas, eines Europas der Regionen etwa, den gibt es jedoch nicht.
Und damit dürfte 2016 ein äußerst schwieriges Jahr für die Europäische Union werden. Die europäische Krisenpolitik hat die Europäische Union nicht aus, sondern erst so richtig tief in die Krise hinein geführt. Das ist auch für die Bundeskanzlerin keine gute Nachricht. Aber noch etwas zeigt das Beispiel Polens: Die Wähler tragen letztlich die Verantwortung für ihre Wahlentscheidungen und damit auch für das, was aus der Europäischen Union wird.

4 Kommentare:

  1. Die Eouropäische Union war gestern! Schuld an dem Auseinanderbrechen hat MERKEL! Als ehemalige FDJlerin glaubt sie bis heute, die Bestimmerin über alle EU-Mitglieder zu sein! Frau Merkel! Mit Geld allein kann ich keine Meinung und keine Demokratie kaufen! Treten Sie zurück! Ihre Politik ist zum Scheitern verurteilt! Sie bilden eine Regierung, die genau wie HONECKER, KEIN VOLK hinter sich hat! Sie kämpfen mit ihren JA-SAGERN ohne DAS DEUTSCHE VOLK! Wenn sie gehen nehmen Sie bitte den POPEN GAUCK gleich mit! Das Ziel wäre vielleicht Kalifornien! Dann sind Sie in der Nähe Ihres ehemaligen Dienstherren, ich glaube OBAMA heißt er, einen Kenyaner, der als Präsident Amerikas illegal das Amt angemaßt hat!

    AntwortenLöschen
  2. Ein einiges Europa entsteht nicht durch diktatorische Zielsetzung von oben. Was ist überhaupt einig - Länder mit verschiedenen Mentalitäten können nie einig sein, weil gerade die Unterschiede in Auffassungen, Kultur und Lebensgewohnheiten die Welt bunt und interessant machen.
    Einigkeit und Freundschaft werden oft damit verwechselt, daß man gleicher Meinung sei. Nein, Freundschaft fängt erst da an, wo man unterschiedlicher Meinung ist und trotzdem den anderen achtet. Wo man sich sogar daran freut, daß der Andere anders ist. Was hat man von einem hundertfachen Abklatsch von sich selbst.
    Aber genau dies wollen die heutigen Regierungen - uns zwingen, ihre Anschauungen anzunehmen, die Buntheit der Welt reduzieren und sogar vorgeben, was gedanklich politisch korrekt ist und was nicht.
    Zu allen Zeiten war dies symbolisch das Prinzip des Teufels, die Unterordnung unter die angebliche "Vernunft" der Bürokraten, Techniker und Taktiker.
    Und ein starkes Europa - stark? Wofür stark? Um gemeinsam mit den Psychopathen aus Amerika einen Atomkrieg vom Zaun zu brechen? Um weiterhin "human" zu intervenieren, wo ein verwüstetes Land nach dem anderen hinterlassen wird? Welche Stärke? Wirtschaftlich? Erstens leben auch wir von Slavenhaltung - die Materialien für Handy's beispielsweise werden teilweise von Kindern gefördert - zu unmenschlichen Bedingungen. Zweitens - auch hier sind die Mentalitäten der Länder so verschieden, daß die Wirtschaftskraft sich ebenfalls sehr unterscheidet. Was der Euro für Unheil angerichtet hat, ist nicht erst seit gestern bekannt.
    Nein, es ist gut, daß die Länder in Europa verschieden sind. Es ist gut, daß man unterschiedlicher Meinung ist - deswegen braucht keine Freundschaft darunter zu leiden, solange jedes Volk für sich bestimmen darf, welche Form des Lebens es bevorzugt. Für Menschen, die gerne herrschen und diktieren ist so eine freie Form natürlich ein Alptraum.
    Zuletzt - das Europa vor dem Lissabon-Vertrag, vor der neoliberalen Ausrichtung gefiel mir bedeutend besser. Und die Völker vertrugen sich auch besser miteinander. Was der Gedanke des Europablocks bisher bewerkstelligt hat, kann man an den Zusammenbrüchen überall bewundern. Aber wir wählen ja immer noch die neoliberale Einheitspartei CDU/SPD/Grüne/FDP...

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich gehe mit ihnen im Wesentlichen daccor, aber was meinen Sie mit dem Unheil, das der Euro angerichtet hat. Der Euro ist die Währung der Eurozone. Was ist also das Unheil, das von ihr ausgehen soll?

      Löschen
  3. Die beiden Kommentare unter dem Artikel sind zutreffend. Nachdem jahrzehntelang europäische Einheit von einer "Elite" gefordert und vollzogen wurde- die Idee stammt noch aus einer Zeit vor dem 2. Weltkrieg- sind es viele Völker leid, immer mehr Souveränität nach Brüssel abzugeben und dafür immer mehr ans Gängelband einer nicht gewählten kommisarischen EU-Diktatur ausgeliefert zu sein. Hat man jemals von einer ähnlichen Einigung Asiens oder Afrikas gehört?

    AntwortenLöschen