Mittwoch, 13. April 2016

Erdogan versus Böhmermann und die Folgen: Wann kommt das Ministerium für Satire und Kabarett?

Wer hätte das für möglich gehalten? Die Bundesregierung behandelt die „Böhmermann-Krise“ mit derselben, staatstragenden Ernsthaftigkeit und mit einem scheinbar ähnlich hohen Zeitaufwand wie die Flüchtlingskrise – und die Sache nimmt gar kein Ende mehr!
Merkt es eigentlich niemand in der Bundesregierung: Sie selbst macht damit alles noch schlimmer. Sie hat auf diese Weise den Ausrutscher eines Moderaters XY über die Grenze des guten Geschmacks auf das Niveau einer Regierungsangelegenheit von höchster Wichtigkeit befördert. Wer sich den Schuh anzieht, dem passt er, kann man dazu nur sagen.
Die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan ist in der westlichen Welt wenigstens umstritten. Das gilt im Zusammenhang mit dem Satireskandal nicht zuletzt hinsichtlich der Presse- und Meinungsfreiheit. Der Fall Böhmermann zeigt nun wohin es unter anderem, quasi als Nebenwirkung, geführt hat, dass die EU so vorbehaltlos bereit war, ihre eigenen Grundwerte einem Deal mit der Türkei zur Flüchtlingsproblematik unterzuordnen. Das war, wie sich jetzt zeigt, ein fatales Signal – nach außen wie nach innen.
Vor allem aber ist es hinlänglich bekannt, dass Herr Erdogan impulsiv und heftig auf nahezu alles reagiert, was er als Kritik an seiner Amtsführung und erst recht an seiner Person wahrnimmt. Der Fall Böhmermann verdeutlicht, dass er dabei überhaupt keinen Unterschied macht, wer ihn mutmaßlich angreift oder beleidigt und von welchem Land aus. Ob Minister XY, Lieschen Müller, ein Büttenredner im Karneval oder eben ein Satiriker – es gibt für ihn scheinbar keine Grenze, ab der er Kritik einfach an sich abperlen lässt oder sie selbstbewusst weglächelt, weil sie so unbedeutend ist.
Selbstverständlich kann jeder im In- und Ausland gegen jeden hierzulande wegen übler Nachrede den Rechtsweg beschreiten. Recep Tayyip Erdogan muss folglich auch gegen Lieschen Müller klagen können, wenn er das unbedingt möchte oder mit Blick auf die Wahrung der Würde seines Amts für unabdingbar hält. Aber wieso kann jemand darauf kommen, dass dies dann gleich eine Regierungsangelegenheit ist?
Die Bundesregierung hat sich nicht nur ein dickes Eigentor geschossen. Sie sorgt in der Sache Erdogan versus Böhmermann auch gleich selbst für die politische Satire. Es fehlte nur noch die Schaffung eines eigenen Ministeriums für Satire und Kabarett.


7 Kommentare:

  1. Das Problem Böhmermann iss doch gelöst, Zitat: /"Damit ist es Kanzlerin Merkel erneut gelungen, sich mit Hilfe Ankaras eines komplexen Problems zu entledigen."/

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    1. Die Washington Post bewertet Angela Merkels Leistung in dieser Sache etwas anders. U.a. die FAZ hat das genüsslich aufgegriffen:

      http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/washington-post-kritisiert-merkels-haltung-im-fall-boehmermann-14178582.html

      Viele Grüße
      SLE

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  2. In Grunde muss man sich freuen. Satire erreicht nur dann etwas wenn sie auch eine Reaktion erzeugt. Durch Extra 3 und Böhmermann steht Erdogan endlich in der öffentlichen Kritik. Der unsägliche Flüchtlingsvertrag könnte damit zu einem Eigentor der Bundesregierung werden.

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  3. Zitat von oben:
    "Selbstverständlich kann jeder im In- und Ausland gegen jeden hierzulande wegen übler Nachrede den Rechtsweg beschreiten. Recep Tayyip Erdogan muss folglich auch gegen Lieschen Müller klagen können, wenn er das unbedingt möchte oder mit Blick auf die Wahrung der Würde seines Amts für unabdingbar hält. Aber wieso kann jemand darauf kommen, dass dies dann gleich eine Regierungsangelegenheit ist?"

    Nun weil Böhmermanns Stück im öffentlich rechtlichen Rundfunk gesendet wurde. Erdogan geht davon aus, dass im öffentlich rechtlichen Rundfunk nur gesendet wird, was der Regierung genehm ist. Wer glaubt denn hier, dass Erdogan sich damit irrt?

    Unsere Regierung jedenfalls nicht; also ist sie verantwortlich, wie der Chef eines Angestellten, der einen wichtigen Kunden verärgert hat.

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    1. ... dann hätte Erdogan gegen das ZDF klagen müssen, nicht gegen Böhmermann.

      Grüße
      SLE

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    2. Hallo,
      dem ist so nicht.Es liegt an dem §103, da muss die Regierung so etwas wie Immunität aufheben. Herr Erdogan klagt ja auch auf dem zivilen Weg. da wäre es doch toll wenn es zwei unterschiedliche Urteile gäbe. Es ist oben ja angemerkt, der Ausgangspunkt war Extra3, für Böhmermann ist es ein Job. Da muss es gar nicht bewertet werden.Wie im Artikel gesagt ist es ein nonsens bei den "Problemen" die auf Lösung harren.Eins ist sicher die Türkei. Gruß Peter http://www.heise.de/tp/artikel/47/47976/1.html

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    3. Danke für den Hinweis un den Link.

      Viele Grüße
      SLE

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