Zur europäischen Krisenpolitik, so hört
man es immer wieder, gibt es keine Alternative. Es ist kein Geheimnis, dass
diese auf mehr Markt und weniger Staat in den Krisenländern setzt. Stellt man die
Marktwirtschaft infrage, wenn man die europäische Krisenpolitik deswegen infrage
stellt?
Die Bundestagswahl in Deutschland hat eine
zentrale Bedeutung für die künftige europäische Krisenpolitik. Darum ist diese zugespitzt
formulierte Frage tatsächlich wichtig. Denn in der Rückschau hat sie – in
abgewandelter Form – eigentlich immer wieder im Zentrum historischer
Entwicklungen gestanden, speziell in sozialistischen Ländern, insbesondere auch
in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR).
Kapitalismus oder Sozialismus: Suche nach dem dritten Weg
Ein zentraler Grund dafür war die sich
immer weiter öffnende Schere bei der wirtschaftlichen Entwicklung und dem
gesellschaftlichen Wohlstand. Das galt für die geteilte deutsche Nation ebenso
wie es heute noch für die geteilte koreanische Nation gilt. Während die
marktwirtschaftlich geordneten Länder Bundesrepublik Deutschland und Südkorea
prosperierten, gerieten die planwirtschaftlich geordnete Deutsche Demokratische
Republik und Nordkorea wirtschaftlich immer weiter ins Hintertreffen. Heute
haben wir ganz ähnliche Probleme innerhalb der marktwirtschaftlich geordneten
Industrieländer.
Gerade deswegen wurde in sozialistischen
Ländern immer wieder nach einem „dritten Weg“ gesucht. „Demokra-tischer
Sozialismus“ oder „marktwirtschaftlicher Sozialismus“ sind Begriffe für diesen
dritten Weg. Erfolgreich waren diese Entwürfe nicht. Entweder kamen sie an die wirtschaftlichen
Leistungen der westlichen Marktwirt-schaften nicht heran oder die Menschen entschieden
sich im Zweifel gegen ein neues Experiment und für den Erfolg bzw. das
Wohlstandsversprechen der marktwirtschaftlichen Ordnung kapitalistischer
Prägung. So war das auch in der DDR Ende der 80er Jahre. Welchen Weg die
Menschen dort gehen wollten, lag nach dem Zusam-menbruch des Regimes, der wie
ein Dammbruch wirkte, außerhalb der politischen Kontrolle.
Chinas Suche nach einem chinesischen Erfolgsmodell der Marktwirtschaft
China steht mit seiner Suche nach einem
eigenen marktwirtschaftlichen Weg bzw. einer Marktwirtschaft chine-sischer
Prägung gegenwärtig exakt vor derselben Herausforderung. Die chinesische
Führung mit Staatspräsident Xi Jinping an der Spitze lehnt eine freie, nach wirtschafts-
bzw. neoliberalem Bauplan konzipierte Marktwirtschaft nach westlichem Vorbild
für China ab. (1) Heikel ist das erstens deswegen, weil überhaupt nicht klar
ist ob es gelingen kann, wirtschaftliches Wachstum bzw. wirtschaftliche
Prosperität sicherzustellen, wenn China sich nicht an den wirtschaftsliberalen
Bauplan hält. Zweitens riskiert China damit einen Dammbruch und letztlich
dasselbe Schicksal, das der Sowjetunion infolge der Perestroika des ehemaligen Präsidenten
Mikael Gorbatschow beschieden war, nämlich der Zusammenbruch der Macht des
kommunistischen Regimes. Dieses Risiko resultiert für China sowohl aus der
Umsetzung der für den Umbau des Wirtschaftssystems anvisierten Reformen als
auch aus dem möglicherweise ausbleibenden wirtschaftlichen Erfolg des neuen
Systems bzw. dritten Weges.
Doch bei der Suche nach dem dritten Weg
geht es auch in China ganz sicher vielen, die diesen befürworten, nicht um den
Machterhalt der Partei. Aus Sicht vieler Bürger geht es ebenso wie in der
damaligen DDR um die Suche nach einer demokratischen, nicht korrupten Form des
Sozialismus. Irgendeine Form von Marktwirtschaft wird es in China geben. Nur,
wie soll sie aussehen und löst sie das Versprechen wirtschaftlicher Prosperität
auch ein?
Der Westen hat die Skepsis gegenüber der freien Marktwirtschaft nie ernst genommen …
Freilich, die negativen Bewertungen der
Begleiterscheinungen marktwirtschaftlicher Ordnungen – von materia-listischem,
pekuniärem Denken über Raubbau an der Natur bis zu sozialer Kälte – ist ebenso
wie die damit verbundene Skepsis – Hand aufs Herz – in den kapitalistischen
Ländern von der überwältigenden Mehrheit der Menschen nie wirklich ernst
genommen worden und zwar bis heute nicht.
Woran das liegt, lässt sich in einem Satz
sagen, der das verbreitete Denken, das dazu führt, auf den Punkt bringt: Die
Marktwirtschaft ist nicht vollkommen, aber wir haben nichts Besseres.
Nur damit kein Irrtum entsteht: Wer so
spricht, bezieht sich bewusst oder unbewusst auf das wirtschaftsliberale Marktverständnis.
Gleichwohl handelt es sich dabei nur um eine Halbwahrheit. Denn dieser Satz suggeriert,
die Marktwirtschaft wäre etwas, das man mit allen Stärken und Schwächen
hinnehmen müsste, weil man daran gar nichts zum Besseren verändern kann. Tatsächlich
ist das aber nur eine Hypothese und keine unverrückbare Tatsache.
... solange er wirtschaftlich auf der Erfolgsspur war
Dass auch in westlichen, marktwirtschaftlich
geordneten Volkswirtschaften nicht mehr alles zum Besten steht, das haben erst
mit dem Beginn der Finanzmarktkrise sukzessive immer mehr Menschen im Westen zu
begreifen angefangen. Es ist kein Wunder, dass das in Europa für die Deutschen
immer noch am allerwenigsten gilt, die stattdessen die Staatschulden der
anderen in den Mittelpunkt rücken. Denn wirtschaftlich steht in der
Europä-ischen Union praktisch kein anderes Land so gut da wie Deutschland.
Und das ist es: So lange es wirtschaftlich
gut geht, nehmen wir negative Nebenwirkungen, Schwächen und Entgleisungen der liberalen
Marktwirtschaft in Kauf und Kritik und Skepsis gegenüber der liberalen
Marktwirt-schaft nicht wirklich ernst.
Mit fest auf die Geschichte und die
Realität gerichtetem Blick kann man sogar mit Recht soweit gehen,
festzu-stellen, dass die liberale Marktwirtschaft alternativlos ist, sofern man
wirtschaftlichen Erfolg zum Maßstab erhebt.
Die Erfolgsgarantie der freien Marktwirtschaft stützt sich auf eine Hypothese
Wenn man das allerdings tut, dann wird
dabei völlig übersehen, dass Kritik und Skepsis gar nicht dem Ziel der
individuellen Freiheit in marktwirtschaftlichen Ordnungen gelten, sondern dem
Wirtschaftsliberalismus und damit einem spezifischen
Konzept zur Realisierung und Sicherstellung individueller Freiheit (und
Prosperität) in der Marktwirtschaft. Kritik und Skepsis daran sind jedoch
prinzipiell gerechtfertigt, weil nämlich der Wirtschafts-liberalismus die
Bewertung oder Messung der Ergebnisse von Marktprozessen in der Marktwirtschaft
in Bezug auf individuelle Freiheit und wirtschaftliche Leistungen negiert.
Mit anderen Worten wird aufgrund der liberalen
ökonomischen Theorie von der Funktionsweise von Märkten lediglich hypothetisch unterstellt, dass die
Marktwirtschaft Garant für individuelle Freiheit und individuelle ökono-mische
oder gesamtwirtschaftliche Vorteilhaftigkeit ist und zwar sofern eine
Voraussetzung erfüllt ist: der Staat bzw. die Politik darf nicht in die
Marktprozesse eingreifen, sei es durch gezielte Subventionierungen, sei es
durch verzerrend wirkende Regulierungen.
Freie bzw. liberale Marktwirtschaft,
Marktliberalisierung, liberale Reformen – all diese Ausdrücke meinen genau das.
Es ist eine Politik zur Verwirklichung einer freien, prosperierenden
Marktwirtschaft nach dem Konzept der
wirtschaftsliberalen Theorie von der Marktwirtschaft, bei der es nicht auf den
tatsächlichen feststellbaren oder messbaren Erfolg ankommt, sondern nur auf die
Erfüllung der zentralen Voraussetzung, die sich aus dieser Theorie für eine
freie, prosperierende Marktwirtschaft ableitet.
… eine unwiderlegbare Hypothese
Weil jedoch die Bewertung oder Messung der
Ergebnisse von Marktprozessen in Bezug auf Freiheit und wirtschaftliche
Leistungen abgelehnt wird, ist es unmöglich
die Hypothese zu widerlegen, auf der
die liberale Wirtschaftstheorie, der Wirtschaftsliberalismus, die liberale
Wirtschaftspolitik fußen: von staatlicher Einflussnahme freie Märkte sind
prinzipiell selbstregulierende wettbewerbliche Märkte und sichern deswegen
immerfort individuelle Freiheit und ökonomische Verbesserungen.
Selbstregulierende Märkte bedeutet, der
Wettbewerb sorgt immerfort für eine Art dynamischer Machtbalance auf Märkten,
wobei die Dynamik aus dem fortwährendem Bestreben der Marktteilnehmer resultiert,
sich zu verbessern.
Unvereinbarkeitsthese: Intervention und Marktwirtschaft schließen sich aus
Auf dieser Hypothese fußt ebenso die Behauptung,
dass jegliche staatliche Intervention in das Marktgeschehen den Wettbewerb
verzerrt und nicht nur zu schlechteren Marktergebnissen führt, sondern aufgrund
der verzer-renden Wirkung letztlich immer neue, um Korrektur bemühte
Interventionen nach sich zieht und so die Markt-wirtschaft sukzessive in eine
Planwirtschaft transformiert.
Letzteres wird heute zwar nicht mehr
ernsthaft vertreten, aber bisweilen als provokative Zuspitzung eingesetzt, um Folgendes
deutlich zu machen: In dieser Interpretation kann es gar keinen dritten Weg
zwischen Kapitalismus und Sozialismus und kein „Mittelding“ zwischen
Marktwirtschaft und Planwirtschaft geben. Staatliche Inter-ventionen in die
Märkte sind im wirtschaftsliberalen
Verständnis grundsätzlich nicht
vereinbar mit der „freien“ Marktwirtschaft, weil „freie“ Marktwirtschaft definitionsgemäß eine „von staatlicher Intervention freie“
Marktwirt-schaft ist.
Das Konzept der liberalen Marktwirtschaft ist ein Kartenhaus
Wenn die wirtschaftsliberale Hypothese
selbstregulierender Märkte falsch ist, dann bricht das Gebäude von Annahmen, das
darauf errichtet ist, in sich zusammen. Die Annahme, dass liberale bzw. vom
Staat unbeein-flusste Märkte prinzipiell individuelle Freiheit und ökonomische Verbesserungen
sicherstellen, ist nicht mehr haltbar. Die Annahme, dass Interventionen generell
unvereinbar mit der Marktwirtschaft sind, ist nicht mehr schlüssig begründet.
Die These, dass die Marktwirtschaft grundsätzlich nicht zum Besseren
beeinflusst werden kann, ist nicht mehr haltbar. Die Zuspitzung, dass wir nur
zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft wählen können, lenkt vom
eigentlichen Kern des Problems ab, nämlich der Frage, wovon individuelle
Freiheit und wirtschaftliche Prosperität tatsächlich abhängen, wenn von
staatlicher Einflussnahme befreite Märkte kein Garant dafür sind. Die Frage,
wie beides in Ordnungen sichergestellt werden kann, die eine Mischform
darstellen, stellt sich dann gar nicht. Sie wird tabuisiert, jeder der sie
stellt, wird zum Gegner der freien Marktwirtschaft abgestempelt.
Der dritte Weg für den Westen gar kein Thema?
Das Problem der Suche nach dem „dritten
Weg“ kann in diesem Sinne interpretiert werden als die Suche nach einem
besseren Konzept für die Marktwirtschaft bzw. für die Verwirklichung von
individueller Freiheit und Prosperität in einer marktwirtschaftlich geordneten
Volkswirtschaft. Sofern es so interpretiert wird, was folge-richtig und sinnvoll
wäre, ist es für die westlichen Marktwirtschaften nicht weniger relevant als für
kommunistische Staaten wie China, die die planwirtschaftlichen zugunsten mehr
marktwirtschaftlicher Elemente zurückfahren wollen.
Denn während die kommunistischen Staaten
längst erkannt haben, dass sie eine marktwirtschaftlich geprägte Ordnung des
wirtschaftlichen Erfolges wegen brauchen, um die Stabilität und den Machterhalt
des Regimes zu sichern, brauchen die westlichen Staaten den wirtschaftlichen
Erfolg ihrer Marktwirtschaften ebenso dringend, um die Stabilität ihrer
Demokratien zu erhalten.
Die Krise der Marktwirtschaft ist eine Bedrohung für die Demokratie
Alle Industriestaaten haben dieses
Problem, weil sie alle unter anhaltender Wachstumsschwäche und
Krisen-anfälligkeit leiden. Die wirtschaftliche Abwärtsspirale in den
europäischen Krisenstaaten bedroht nicht nur den sozialen Frieden und den
Zusammenhalt in Europa. Sie bedroht die Demokratie. Wer das nicht glaubt, der
möge sich anschauen, wie sich das Wahlverhalten und infolgedessen die
Parteienlandschaft in Europas Mitgliedstaaten im Zuge der Krise verändert hat.
Appelle aus der Politik, bei Wahlen
Vernunft walten zu lassen, werden daran in Europa nichts ändern. Daran etwas
ändern kann nur eine auf Wirtschaft und Finanzmärkte gerichtete Politik, die
individuelle Freiheit und Prosperität nicht nur zu erreichen verspricht,
sondern in beiden Punkten auch sukzessive, erkennbare Fortschritte erzielt.
Die unbewältigte Krise: Eine zusammenfassende Bestandaufnahme
Die Ursache unserer Probleme ist, dass die
Marktwirtschaft den Industrieländern einen jahrzehntelangen wirtschaftlichen
Aufstieg bescherte und es jetzt nicht mehr tut. Insbesondere deswegen kommen
z.B. auch die europäischen Krisenstaaten nicht von ihren Schuldenproblemen los.
Das Wachstumsproblem wird von der europäischen Krisenpolitik bisher allenfalls am
Rande adressiert.
Unser Problem ist, dass uns die liberale
Wirtschaftstheorie keine geeigneten Hinweise geben kann, wie wir daran aktiv etwas ändern können, außer für – im
wirtschaftsliberalen Sinne – „freie“ Märkte zu sorgen. Das macht aber nur dann
Sinn, wenn die wirtschaftsliberale Marktlogik zutrifft und Märkte
selbstregulierend, das heißt letztlich selbstheilend sind.
Wenn wir aktiv etwas daran ändern wollen, weil
wir die Selbstregulierungshypothese verwerfen, benötigen wir eine andere
Erklärung dafür, wie die Marktwirtschaft funktioniert und sich wandelt, die der
Realität besser gerecht wird.
Unser Glück und zugleich Problem ist, dass
die Wirtschaftswissenschaften keine Naturwissenschaft sind. Das heißt, es gibt
nicht die eine, wahre Theorie, sondern es stehen oft mehr oder weniger
unvollkommene, miteinander konkurrierende Theorien und Erklärungsansätze
nebeneinander, aus denen wir wählen müssen. Das gilt auch für die
wettbewerbliche Marktwirtschaft. Die wirtschaftsliberale Erklärung ist also
nicht die einzige, die wir haben, aber dennoch gibt es keine perfekte andere
Antwort.
Zwei zentrale Fragen für die krisenpolitische Weichenstellung
Die Herausforderung bei der Suche nach
einem neuen Lösungsweg jenseits der Idee der reinen Marktwirtschaft liberaler
Prägung und der Planwirtschaft besteht in der Beantwortung von zwei
grundsätzlichen Fragen:
Wenn Märkte nicht prinzipiell
selbstregulierend sind, wie die liberale klassische und neoklassische
ökonomische Theorie annehmen, und es damit zusammenhängt, dass individuelle
Freiheit und wirtschaftliche Prosperität durch eine liberale Politik nicht prinzipiell
sichergestellt werden können,
- wovon hängt es dann ab, ob und inwieweit beides auf Märkten und in einer Marktwirtschaft realisiert ist?
- wann, wo und wie könnte oder müsste dann gegebenenfalls der Staat Einfluss nehmen, um die wettbewerbliche Marktwirtschaft im Sinne von verbesserter individueller Freiheit und Prosperität zu stärken?
Denn offensichtlich ist es doch heute in
den westlichen Marktwirtschaften infolge der verbreitet fortgeschrittenen
Oligopolisierung der Märkte, des ausuferndem Lobbyismus und der weit geöffneten
Schere zwischen Arm und Reich so, dass einige wenige Akteure auf Märkten de
facto wesentlich freier sind als alle anderen.
Eine bessere europäische Krisenpolitik wird
auf der grundsätzlichen Ebene voraussetzen, dass für diese beiden Fragen
Antworten geben.
Es ist etwas falsch gelaufen, mit unserer
Marktwirtschaft. Es ist nicht so gelaufen, wie es eigentlich hätten laufen
sollen und wir rätseln und diskutieren immer noch, warum. Wir haben
Ungleichgewichte, wir haben anhaltende Wachstumsschwäche, von „Wohlstand für
alle“ entfernen wir uns immer weiter.
Wie lässt sich das erklären?
Es gibt, wie gesagt, unterschiedliche
ökonomische Theorien zur Funktionsweise von wettbewerblichen Märkten. Sie
können uns einigen Aufschluss darüber geben, warum es nicht so gelaufen ist wie
erwartet und wir statt-dessen vor den exemplarisch angesprochenen fundamentalen Problemen
unserer marktwirtschaftlich geordneten Volkswirtschaften stehen, deren Lösung
bisher nicht gelungen ist, weil sie verdrängt, geleugnet und in die Zukunft
verschoben werden und die deswegen zunehmend zu einer ernsten Bedrohung für den
Zusammenhalt Europas und für die Demokratie werden.
Die Bundestagswahl wird eine krisenpolitische Weichenstellung
Nur sehr wenige werden wahrscheinlich bei der
Wahl zum neuen Bundestag daran denken, dass die Bewältigung der Krise in Europa
maßgeblich von der neuen Bundesregierung abhängen wird und noch weniger dürften
eine Vorstellung davon haben, welch fundamentale Herausforderung damit tatsächlich
verbunden ist. Die führenden Parteien haben viel dafür getan, um uns dies im
Wahlkampf nicht bewusst werden zu lassen. Darum habe ich darüber geschrieben.
Verstehen Sie mich richtig. Die
Wirtschaftswissenschaften stecken seit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise selbst
in einer fundamentalen Krise, auch wenn darüber nicht mehr viel geredet wird. Bis
dahin bewährte Theorien und Modelle offenbarten grundlegende Schwächen, deren
Bewältigung wiederum eine eigene Herausforderung darstellt. Gerade deswegen
wurde beispielsweise das Institute for
New Economic Thinking (INET) von George Soros ins Leben gerufen. Es geht
also zunächst bei der Bundestagswahl in erster Linie gar nicht darum, die Partei
mit der richtigen Lösung zu finden. Die
wird es (immer noch) nicht geben. Vielmehr gilt es, politische Wegbereiter für die Suche
nach einer solchen Lösung zu finden und das heißt diejenigen Parteien und vor
allem Politiker, die Schwächen und Fehler nicht mehr leugnen oder verschleiern und
die anerkennen, dass wir mit dogmatischem Tunnelblick in der Sache genauso
wenig weiterkommen werden wie mit Experimentieren.
Wer die europäische Krisenpolitik infrage
stellt, der stellt nicht automatisch auch die Marktwirtschaft infrage, sondern vielleicht
viel eher das liberale Konzept der „freien Marktwirtschaft“. Eine Diskussion
über Alternativen zu diesem Konzept der Marktwirtschaft darf nicht tabuisiert
werden. Wir riskieren ernstlich Europas Zukunft und gefährden unsere Demokratie,
wenn wir das weiterhin einfach zulassen. Das ist eine Sackgasse und aus der
müssen wir wieder herauskommen.
Schauen Sie also genau hin. Die Parteien,
die sich traditionell für die Marktwirtschaft stark machen, haben den Anspruch
auf marktwirtschaftliche Politik und Krisenbewältigung nicht gepachtet und ebenso
wenig die richtigen Antworten, auch wenn sie immer wieder gerne diesen Eindruck
erwecken.
"Woran das liegt, lässt sich in einem Satz sagen, der das verbreitete Denken, das dazu führt, auf den Punkt bringt: Die Marktwirtschaft ist nicht vollkommen, aber wir haben nichts Besseres." Das ist richtig weil "...In den letzten 30, 40 Jahren wurde eine rationale Analyse des Kapitalismus systematisch verweigert. ..."
AntwortenLöschen(Eric Hobsbawm, aus http://www.stern.de/wirtschaft/news/maerkte/eric-hobsbawm-es-wird-blut-fliessen-viel-blut-700669.html) Würde die Breite der VWL und der Politniki den Kapitalismus 'mal auf den Prüfstand stellen, vorbehaltslos, um 'mal zu überlegen: "Geht's auch anders?" könnte sich das ändern. Aber nein: Die Ideologen und Rechthaber regieren weiter!
Es gibt einen Text von Pater Henri-Dominique Lacordaire aus dem Jahr 1848 den man nahezu unverändert heute wieder in den Diskurs um die angebliche Freiheit der freien Marktwirtschaft einbringen könnte.
AntwortenLöschenEs geht in dem Text eingentlich um die Sonntagsarbeit, aber der letzte Absatz ist von so durchschlagender Logik, dass er eigentlich als Leitsatz aller Politik gesehen werden könnte:
"...zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Reichen und dem Armen, zwischen dem Herrn und dem Knecht, es die Freiheit ist, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit."
Diese letzte Absatz des konservativen Paters wurde oft Rousseau zugesprochen.
Hier der Kontext:
(TOME TROISIÈME, ANNÉES 1846-1848, herausgegeben: Paris 1872,
zweiundfünfzigste Rede, gehalten 1848, von der "Doppelten Arbeit des Menschen" )
... Fragen Sie den jungen Mann, der sein Leben verzehrt in einer täglichen Profitjagd, von der er nichts hat, ob er frei ist, auch nur einmal in der Woche die Luft des Himmels und die noch reinere Luft der Wahrheit zu atmen.
Fragen Sie diese welken Wesen, die die Industriestädte bevölkern, ob sie frei sind, ihre Seele zu retten, indem sie ihren Körper Ruhe gönnen.
Fragen sie die zahllosen Opfer der eigenen Gier und der Gier ihrer Herren, ob sie frei sind, besser zu werden, und ob sie den Abgrund einer Arbeit ohne körperliche und moralische Erholung nicht lebend verzehrt.
Fragen Sie sogar jene, die tatsächlich ausruhen, aber die ausruhen in der Niedrigkeit regelloser Vergnügungen, fragen Sie auch die, was aus dem Volk wird in einer Ruhezeit, die nicht durch Gott gewährt und geschützt ist.
Nein, meine Herren, Die Gewissensfreiheit ist hier nicht anderes als der Schleier der Unterdrückung; sie verdeckt mit goldenem Mantel die feigen Schultern der niederträchtigsten Tyrannei, der Tyrannei, die den Schweiß des Menschen aus Gier und Gottlosigkeit missbraucht. ...
So mögen denn alle wissen, die es ignorieren, die Feinde Gottes und der Menschheit, welchen Namen sie sich auch geben, dass zwischen dem Starken und dem Schwachen, zwischen dem Reichen und dem Armen, zwischen dem Herrn und dem Knecht, es die Freiheit ist, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit.
Man kann natürlich ein Jahrhundert später in der Philosophie ähnlich bedeutende Zitate finden. Seit über 250 Jahren hat die intellektuelle Elite Europas vor der freien Marktwirtschaft und ihrer Auswirkung auf den Menschen und diese Welt gewarnt.
AntwortenLöschenBeispiel Adorno:
"In der Reduktion der Menschen auf Agenten und Träger des Warentausches versteckt sich die Herrschaft von Menschen über Menschen [...] Der totale Zusammenhang hat die Gestalt, daß alle dem Tauschgesetz sich unterwerfen müssen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen, gleichgültig, ob sie subjektiv von einem "Profitmotiv" geleitet werden oder nicht" (Adorno, 1970, S. 217).
"Im gesellschaftlichen Tauschverhältnis als solchem wird der Antagonismus gesetzt und reproduziert, der organisierte Gesellschaft jeden Tag mit der totalen Katastrophe auslöschen könnte. Einzig durch das Profitinteresse hindurch und den immanent-gesamtgesellschaftlichen Bruch erhält sich, knirschend, stöhnend, mit unsäglichen Opfern bis heute das Getriebe" (Adorno, 1970, S. 143).
Beispiel Erich Fromm:
"Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, daß man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muß für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Daß Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, daß Glück das "Billigste" ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen."
"Für jene, die glauben, daß "haben" eine höchst natürliche Kategorie innerhalb der menschlichen Existenz ist, mag es überraschend sein, wenn sie erfahren, daß es in vielen Sprachen kein Wort für "haben" gibt."
usw.
Eigentlich könnten wir also aus dem vollen Schöpfen. Die humanistische Tradition Europas und Deutschlands hat einen höchst ergiebigen Vorrat an Gedanken über Macht, Herrschaft, Freiheit und Marktwirtschaft hinterlassen.
Wir haben 250 alle Warnungen ignoriert, die großen Denker vergessen und den neoliberalen Volkswirtschaftlern das Feld überlassen. Die geistige Armut und die intellektuelle Bedüftigkeit in dem Diskurs um einen neuen Weg macht einen sparachlos.
Wie gut wir fahren würden wenn wir nicht auf unsere Ökonomen sondern unsere Philosophen hören würden zeigt sich z.B. in diesem Text von Jürgen Habermas zur Euro Umstellung 1998: (Die postnationale Konstellation und die Zukunft der Demokratie)
Hallo alien obeserver,
Löschenvielen Dank für diese ganzen Textstellen. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft nicht nur einem Jugendwahn unterliegt, sondern dazu durchaus sehr passend einem Neuheitswahn. Alte Literatur gilt vielen nichts oder genauergesagt, weckt Niemandes Interesse, weil "alt" in diesem Zusammenhang nicht mit (potenziell) "werthaltig" assoziiert wird, sondern mit "obsolet", "überholt". Darin kommt ganz gewiss auch eine Haltung zum Ausdruck, dass der "moderne" Mensch von heute ganz selbstverständlich allen aus früheren Zeiten überlegen sein muss.
Das gilt auch in den Wirtschaftswissenschaften. Neue Literatur, die man verwendet, ist ausschlaggebend. In alten Fachbüchern liest kaum jemand. Ich selbst habe es getan und sehe es als fruchtbar an, es zu tun.
Das hat allerdings auch etwas mit dem Anspruch der Wirtschaftswissenschaften zu tun, eine echte Wissenschaft zu sein, eben so wie die Naturwissenschaften, mit echten, allgemeingültigen und somit von historischen sowie kulturellen Gegebenheiten unabhängigen Aussagen, Gesetzen und Theorien.
Liest man Fachpublikationen zum Thema Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik aus der ersten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts, dann gehen einem die Augen auf, was die Ökonomen damals schon alles erkannt hatten.
Man denke beispielsweise nur an
Josef A. Schumpeters "Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" (1912),
Rudolf Hilferdings "Das Finanzkapital" (1910), dass die Macht der Banken und Tendenz zur Monopolisierung sowie die dadurch bedingte Tendenz zu Instabilität der Wirtschaft behandelte,
Walter A. Jöhr "Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik - Bd. 1: Die Argumente der Wirtschaftsfreiheit und das Modell der vollkommenen Konkurrenz und seine Annäherungen an die Wirklichkeit" (1943) oder auch
Hans-Jürgen Seraphims "Theorie der Allgemeinen Wirtschaftspolitik" (1955)
dann bekommt man schon anhand der Titel einen Eindruck davon, was an Erkenntnissen und Wissen heute alles längst vergessen worden ist, weil man es für veraltet hält.
Und welcher Politiker im Bundestag, der wirtschafts- und finanzmarktpolitische Entscheidungen fällt, hat eine volks- oder wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung?
Und welcher Bürger, der seine Meinung zu solchen politischen Aspekten bei Meinungsfragen äußert, kennt sich damit aus, hat darüber schon mal ein Buch gelesen?
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das jetzt richtig zuordne, aber ich meine Friedrich A. von Hayek war es, der einmal sagte, je mehr man liest, desto mehr wird einem klar, wie unwissend man ist.
Wer liest den heute noch, im Zeitalter von 24-Stunden-Berieselung der Medien? Wer bringt den überhaupt noch - wie ich schon vor Jahren von professoren an der Uni hörte - die Konzentrationsfähigkeit auf, über Stunden einem anspruchsvollen Vortrag zu folgen oder ein anspruchsvolles Buch zu lesen, um etwas mehr von den Dingen zu verstehen?
Ich glaube, das ist ein ganz zentrales Problem: Es werden heute weitreichende Entscheidungen von Politikern gefällt, die in der entsprechenden Materie überwiegend gar nicht bewandert sind und jeder Bürger fühlt sich heute ausreichend befähigt - kann man doch alles googlen! - , solche Entscheidungen zu bewerten. Doch wenn man sieht, was dabei herauskommt, kann man oft nur den Kopf schütteln.
Ein gutes Fachbuch ist immer nur die Spitze des Berges an explizitem und implizitem Wissen, das notwendig war, um es zu schreiben.
Viele Grüße
SLE
Als Folge der völligen Verkennung des Charakters unserer Wirtschaft müssen sich Widersprüche zwischen Wirtschaftstheorie und -praxis ergeben. Wenn man die Lehrsätze der Ökonomen, die für eine Wirtschaft der freien Konkurrenz gelten, auf eine Praxis überträgt, die alles andere als eine Wirtschaft der freien Konkurrenz ist, so können sie unmöglich mit der Erfahrung übereinstimmen. Die Berufsökonomen haben irriger Weise eine freie Wirtschaft angenommen, d. h. den freien Wettbewerb für verwirklicht gehalten und diesen Irrtum ganz allgemein zu verbreiten gewusst. Heute wissen wir, dass sich die Wirtschaftswissenschaft tatsächlich geirrt hat. Nicht etwa, dass ihre Schlussfolgerungen nicht gestimmt hätten. Nein, es ist vollkommen richtig, dass eine freie Wirtschaft zu einer dauernden Harmonie von Angebot und Nachfrage, zur Vollbeschäftigung, allmählichen Zinssenkung, ansteigenden Reallöhnen und Wirtschaftsblüte führen muss. Nur die Voraussetzungen bestehen nicht. Was man für eine Wirtschaft der freien Konkurrenz gehalten hat, ist eben keine freie, sondern eine Monopolwirtschaft. Eine solche kann begreiflicherweise die günstigen Auswirkungen, die man von einer freien Wirtschaft mit Recht erwarten darf, nicht erfüllen!
AntwortenLöschenDie schwerstwiegenden Folgen ergaben sich, als die Politik sich des Widerspruchs bemächtigte. Man machte für die üblen Folgen der Monopolwirtschaft, für die wiederkehrenden Wirtschaftsstörungen, Krisen, Dauerarbeitslosigkeit, chronische Unterbeschäftigung, für die sozialen Missstände, die Verarmung der breiten Massen, die Proletarisierung des ehemaligen Mittelstandes usw. die – nicht existierende – freie Wirtschaft verantwortlich. Man warf und wirft der Wirtschaftswissenschaft vor, die von ihr gepriesene und nach ihrer ausdrücklichen Erklärung verwirklichte „freie Wirtschaft“ tauge nichts, habe nicht gehalten, was man sich von ihr versprochen habe und führe, anstatt zur vorausgesagten Wirtschaftsblüte und Harmonie, zu unerträglichen wirtschaftlichen und sozialen Missständen. Das Heil liege in einer staatlichen Planwirtschaft, in einer rigorosen Einschränkung, wenn nicht gar Abschaffung der privaten Unternehmertätigkeit, in einer Abkehr von der „freien“ Wirtschaft. Andere politische Richtungen wieder verweisen auf die zahlreichen Übelstände der staatlichen Planwirtschaft und fordern die „Rückkehr zur freien Wirtschaft“ – die es noch nie gegeben hat -, kurzum: die Begriffsverwirrung ist allgemein.
Die aufgetretenen Missstände dieser so genannten freien Wirtschaft in die Schuhe zu schieben, ist ebenso verkehrt, wie zu ihr zurückkehren zu wollen. Beides ist ein Irrtum. Da es noch niemals eine freie Wirtschaft gegeben hat, ist es ebenso unsinnig, sie zurückzuwünschen, wie es unsinnig ist, sie für soziale und wirtschaftliche Missstände verantwortlich zu machen oder ihr die Nichterreichung des Wirtschaftsideals vorzuwerfen. Was heute als freie Wirtschaft bezeichnet zu werden pflegt, ist bestenfalls eine halbfreie Wirtschaft, eine Mischung von Markt- und Monopolwirtschaft, ein Bruchstück der freien Wirtschaft, mit einem Wort: Zinswirtschaft. Nicht weil die Wirtschaft (angeblich) frei war, hat sie versagt – wie die Anhänger der so genannten Planwirtschaft glauben -, sondern im Gegenteil: weil sie unfrei war und daher ein Instrument der Ausbeutung, musste sie versagen! Nur deshalb zeigten sich die bekannten wirtschaftlichen und sozialen Missstände.
Marktgerechtigkeit
Hallo Herr Wehmeier,
Löschenim Wesentlichen halte ich Ihre Analyse für sehr richtig. Ich möchte noch ergänzend etwas besonders herausstellen.
Es ist richtig, dass die freie Marktwirtschaft nicht das Problem ist, sofern man damit nicht das aus der wirtschaftsliberalen Theorie abgeleitete KONZEPT zu deren Verwirklichung meint, sondern das ZIEL der individuellen Freiheiten auf Märkten, die im Idealfall der Wettbewerb wirksam (bzw. "effektiv") in einer dynamischen Balance hält. Denn nur dann kommt es nicht zu einer Machtkonzentration und den bekannten Exzessen.
Das Ziel einer so verstandenen Freiheit ist richtig und das haben Sie ja auch so erklärt.
Was falsch ist, ist das aus der wirtschaftsliberalen Theorie abgeleitete KONZEPT dafür, wie man das so verstandene Freiheitsziel erreichen und damit auch, wegen des dann gegebenen effektiven Wettbewerbs, wirtschaftliche Entwicklung realisiert und eine prosperierende Wirtschaft möglich wird.
Genau das ist es ja, was wir uns von der Marktwirtschaft versprechen und weil wir wissen, dass sie das leisten KANN, WENN die RICHTIGEN Voraussetzungen geschaffen werden, wollen wir ja auch die Marktwirtschaft. Dieses Potenzial liegt in der Dezentralität der Steuerung von Märkte über effektiven Wettbewerb.
Es ist richtig, dass wir heute - im von mir oben definierten Sinne - keine freie Marktwirtschaft haben UND wir sie auch NICHT verwirklichen KÖNNEN. Denn Märkte sind - anders als die liberale Theorie unterstellt - NICHT prinzipiell selbstregulierend und deswegen tendieren sie allein schon aufgrund der Entwicklung bzw. Reifung von Märkten und Volkswirtschaften zur Oligopolisierung und der Wettbewerb dazu, zu erlahmen.
--> Teil 2 der Antwort
Teil 2 der Antwort
LöschenDas auf die wirtschaftsliberale Theorie abgestützte KONZEPT der freien Marktwirtschaft kann also selbst bei exakter Befolgung WEDER die von den Wirtschaftsliberalen selbst als Voraussetzung definierte, von jeglicher staatlichen Beeinflussung "freie" Wirtschaft verwirklichen helfen - weil es die nicht gibt und nicht geben kann - NOCH kann sie "Freiheit" auf Märkten (bzw. effektiven Wettbewerb) im von mir oben definierten Sinne dauerhaft sicherstellen helfen, weil die wirtschaftsliberale Theorie mit gravierenden Schwächen behaftet ist, die zur Definition inadäquater Voraussetzungen für die Sicherstellung von individueller Freiheit und effektivem Wettbewerb auf Märkten geführt hat. Genau aus dem letztgenannten Grund stellt sich bei Befolgung dieses KONZEPTS im Laufe der Jahre Stagnation und Verkrustung der Wirtschaft ein und im schlimmsten Fall die Form von Raubtierkapitalismus, die wir in den letzten Jahren erlebten.
WAS WIR NICHT ÄNDREN KÖNNEN, ist die Tatsache, dass es eine gänzlich VON STAATLICHER EINFLUSSNAHME FREIE Marktwirtschaft NICHT zu erreichen ist.
Genau genommen ist das aber nicht schlimm. Denn WAS WIR ERREICHEN KÖNNEN, ist die Bestimmung von GEEIGNETEREN VORAUSSETZUNGEN für die Schaffung und Erhaltung von effektivem Wettbewerb, der sowohl eine dynamische Machtbalance der individuellen Freiheiten auf Märkten als auch wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht und damit auch wirtschaftliche Prosperität.
Fataler Weise klammern sich die Anhänger der freien Marktwirtschaft - im wirtschaftsliberalen Sinne - an die Forderung einer von staatlicher Einflussnahme freien Marktwirtschaft, als hinge davon unser wirtschaftliches Wohl und Wehe ab. Das ist ein Irrglaube! Und diesen Irrglauben haben die Vertreter wirtschaftsliberaler Lehre und Politik sehr geschickt dadurch verbreitet, dass sie den Menschen immer wieder erzählt haben und weiterhin erzählen, das wirtschaftsliberale KONZEPT für die freie Marktwirtschaft und das Ziel effektiver Wettbewerb bzw. individuelle Freiheit und wirtschaftliche Prosperität SEIEN DASSELBE!
Den meisten Menschen, die für eine wirtschaftsliberale Politik sind, ist gewiss überhaupt nicht bewusst, dass es denen, die diese Politik geprägt und geformt haben oder umsetzen, de facto nicht in erster Linie um das Ziel individueller Freiheit auf Märkten geht, sondern um die Umsetzung des liberalen KONZEPTS zur Verwirklichung dieses Ziels. Dieses Ziel ist richtig. Das Konzept ist in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage ungeeignet.
Grüße
SLE