Zum Wahlausgang in Mecklenburg-Vorpommern
gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Es ist eingetreten, was erwartet worden
war.
Keine echten Überraschungen bei der Landtagswahl
Die SPD kann weiter regieren. Sie profitierte
von der Beliebtheit und Glaubwürdigkeit ihres Spitzenkandidaten Erwin Sellering,
der im Wahlkampf vor Kritik an der Politik der Bundesregierung nicht
zurückscheute. Die Alternative für Deutschland (AfD) aber ist – wie schon bei
den Landtagswahlen zuvor und wieder einmal getragen vom Aufreger-Thema Nr. 1
„Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin“ – mit einem erdrutschartigen
Stimmengewinn in den Landtag gewählt worden. Dort ist sie nun zweitstärkste
Kraft vor der CDU. (1)
Und wer es bis jetzt noch immer nicht wahr
haben wollte und auch die Analysen zu den Wählerwanderungen und zum
Wahlverhalten verpasst hat, dem sei gesagt, dass die AfD erneut in hohem Maße bisher
politikverdrossene Nichtwähler mobilisierte und Wähler von allen etablierten
Parteien abgeworben hat (2). Sie kommen zudem aus allen gesellschaftlichen (3) und
beruflichen Schichten (4).
Das gilt keineswegs nur für die
Flüchtlingspolitik! Es gilt unter anderem ebenso für ihre rückhaltlose Unterstützung
der höchst umstrittenen Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada (TTIP
und Ceta), für den von ihr forcierten, aber ebenfalls sehr umstrittenen
austeritätspolitischen Kurs in europäischen Schuldenstaaten und beispielsweise
auch für ihren Kurs in der Ukrainekrise und gegenüber Russland, der heftige Reaktionen
in Teilen der Bevölkerung hervorrief.
An der Politik in Berlin wird sich trotzdem nichts ändern, …
Der einzige Joker etablierter Parteien,
der bisher bei Wahlen noch einigermaßen wirksam gegen diese Vorwürfe gezogen
werden kann, sind erkennbar authentische Kandidaten mit einer eigenständigen Haltung,
die sich eben nicht bedingungslos und scheinbar unhinterfragt am Merkel´schen
Kompass ausrichtet.
Bisher gab es in Mecklenburg Vorpommern
eine Große Koalition. Rein rechnerisch könnte die SPD zwar auch mit der
Linkspartei regieren. Doch dass sie in ihrer Unzufriedenheit mit der
Flüchtlingspolitik so weit geht, für die Bundes-SPD die Revolution gegen die Kanzlerinnen-Union
zu proben und ein Linksbündnis schmiedet, das erwartet ernsthaft niemand.
Vor allem aber erwartet niemand ernsthaft,
dass die Bundeskanzlerin (bzw. die Bundesregierung) aufgrund des anhaltenden
Aufstiegs der AfD nun ein Einsehen hat und ihren flüchtlingspolitischen Kurs – einschließlich
der Türkei-Politik – merklich verändert.
… aber warum eigentlich nicht?
Und genau das ist der vielleicht einzig
wirklich interessante Punkt im Zusammenhang mit der Landtagswahl in
Mecklenburg-Vorpommern. Denn wenn die Bundeskanzlerin eines bewiesen hat, dann
dass sie ohne mit der Wimper zu zucken zu 180-Grad-Wendungen in ihrer Politik
in der Lage ist.
Das prominenteste, aber nicht das einzige
Beispiel dafür ist die Energiewende. Kurz vor der Atomkatastrophe von Fukushima
hatte sie für den Ausbau der Atomenergie grünes Licht gegeben. Kurz danach
verkündete sie den Ausstieg aus dieser Technologie. Die Atomenergie war politisch
nicht mehr vermittelbar geworden. Ansonsten hätte sie diesen Schritt nicht
getan.
Angela Merkel kalkuliert und entscheidet –
wenn auch oft erst nach einem unsäglichen Schlingerkurs - nüchtern. Aber sie
vergisst dabei niemals, was dies für sie selbst politisch für Folgen haben wird.
Diese Kunst beherrscht sie offensichtlich nahezu perfekt. Sie wechselte nach
dem Zusammenbruch des DDR-Regimes erfolgreich die Seiten und machte im Westen
politische Karriere, distanzierte sich später von ihrem Förderer Helmut Kohl,
was ihr nicht schadete. Im Gegenteil stieg sie anschließend erst zur
Parteichefin auf und später zur Kanzlerin.
So betrachtet fragt sich, warum sie dieses
Mal, nämlich vor dem Hintergrund der erkennbar hohen Ablehnung ihrer
flüchtlingspolitischen Linie in der Bevölkerung, die die CDU bei Wahlen schmerzlich
zu spüren bekommt, ihrer politischen Linie treu bleibt.
Was strebt Angela Merkel an? Wiederwahl?
Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass Frau
Merkel ihre Entscheidung in diesem Fall nicht sehr genau abgewogen hat. Aber es
erscheint keineswegs mehr ausgemacht, dass sie dabei in erster Linie an ihre
Partei denkt. Die ist – ob des für viele allzu sozialen und ihres umstrittenen
europapolitischen Kurses – schon längst gespalten. Sehr effektiv war sie allerdings
darin, die Wahlchancen der Union an ihre Persönlichkeit zu koppeln. Was die
Union ohne sie bei Wahlen noch wert wäre, ist eine Frage, die so manchen in der
Union umtreiben dürfte. Wenn sie abtritt, könnte die CDU in eine tiefe Krise
stürzen, weil sie sich neu finden und möglicherweise auch neu erfinden muss.
Wer vermag schon zu sagen, was die
Bundeskanzlerin bei ihren wichtigen politischen Entscheidungen der letzten
Monate und Jahre alles bedacht hat und was jeweils den Ausschlag gegeben hat? Will
Sie ihre Karriere als Bundeskanzlerin überhaupt noch fortsetzen? Oder strebt
sie etwas anderes an, beispielsweise die Führungsposition bei einer internationalen
Institution?
Alle Türen für einen Wechsel offen gehalten
Nüchtern betrachtet hat sich Angela Merkel
mit ihren grundlegenden politischen Weichenstellungen (Energiewende,
Klimaschutz, Flüchtlingspolitik) durchaus auch für andere Positionen auf
internationaler Ebene interessant gemacht.
Zudem hat sie sich die dafür sicherlich notwendige
Unterstützung der US-Regierung gewiss erworben. Sie ist im NSA-Skandal nicht
auf Konfrontationskurs gegangen, sie hat den Whistleblower Edward Snowden nicht
unterstützt, sie hat sich im Ukraine-Konflikt und in der Krim-Krise ganz auf
die Seite der USA gestellt, sie hält trotz großer Widerstände am geplanten
Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) fest und fasst den NATO-Partner
Türkei allen Verstößen gegen demokratische Grundwerte zum Trotz mit Glacéhandschuhen
an.
All das hat ihr in der Bevölkerung
Deutschlands und Europas viel Kritik eingebracht – Kritik, die sich in
Wahlergebnissen niederschlägt und Protestparteien europaweit beflügelte. Nicht
zuletzt sind ihre Entscheidungen für Deutschland zum Teil als finanziell und wirtschaftlich
kostspielig anzusehen. Ob sie sich am Ende rechnen oder ob ein zu hoher Preis
gezahlt wurde (z.B. Euro-Rettung, Sanktionen gegen Russland, Türkei-Deal,
Brexit), das ist jetzt noch keineswegs ausgemacht. Gewissheit darüber wird es
erst geben, wenn Angela Merkel längst nicht mehr Bundeskanzlerin ist.
Weichenstellungen
Anfang Dezember wird sich Angela Merkel
zur Wiederwahl als CDU-Parteivorsitzende stellen. Die Frage, ob sie erneut für
das Amt der Bundeskanzlerin kandidieren wird, hat sie offen gelassen. In diesem
Jahr, so viel scheint sicher, wird sie nicht mehr beantwortet werden.
Es mag sehr gut sein und es ist sogar sehr
wahrscheinlich, dass sie wieder als Spitzenkandidatin in den
Bundestagswahlkampf zieht. Ernstzunehmende Konkurrenz gibt es gemessen an den
Umfragen nach wie vor nicht, weder innerparteilich noch in anderen Parteien. Sicher
ist es ihre Kandidatur dennoch nicht. Vielleicht hat sie längst eine andere Position
im Auge und ob dies der Fall ist, das ist die wirklich interessante Frage, die das
Inkaufnehmen eines neuerlichen Erfolges der AfD und des Wahldebakels der CDU in
Mecklenburg-Vorpommern aufwirft.
Die Einheitspartei CDUSPDFTPGRÜNELINKE hat ca. 70% bekommen. Ist doch alles in Ordnung, oder?
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