Dienstag, 15. März 2011

Die japanische Katastrophe - Auslöser für den neuen Finanzmarkt-Crash?


Die Erdbebenkatstrophe in Japan übersteigt bisher wohl die Vorstellungskraft der allermeisten Außenstehenden. Nicht zuletzt die irrealen Reaktionen der Politiker in Deutschland zeigen, dass in den Köpfen noch nicht angekommen ist, was dieses Unglück wirklich bedeutet. Krampfhaft halten sie am politisch engstirnigen Klein-Klein fest, bei dem sie nur die Bedeutung für die anstehenden Landtagswahlen und ihre Zustimmungswerte im Blick haben,  was ebenso peinlich wie beschämend ist.


Erst allmählich stellt sich mit den fortlaufend neu herein kommenden Hiobsbotschaften aus Japan das Erkennen ein und damit auch der Schock - wie so oft zunächst an den Börsen. Die Börse von Tokio war gestern bereits stark eingebrochen. Heute hatte der Einbruch mit einem Minus von über 10 Prozent das Ausmaß eines Crashs und nun scheint auch die Talfahrt der Kurse an anderen Börsenplätzen einzusetzen.

Seit Monaten weisen viele Skeptiker des Aufschwungs und der Hausse immer wieder auf die hohe Instabilität der Finanzmärkte und der Wirtschaft hin. Den fortlaufenden Anstieg der Aktienkurse haben sie mit ungläubigem Kopfschütteln registriert. Denn die Lage hat sich nach der Lehman-Pleite keineswegs verbessert. Im Gegenteil, die Crashrisiken haben sich sowohl vergrößert als auch vermehrt. Die Politiker haben die Krisenursachen lediglich mit Billionen von Dollars übertüncht und keineswegs die erforderlichen Schritte unternommen, um einen erneuten Crash zu verhindern. Nicht zuletzt der Internationale Währungsfonds (IWF) hat jüngst genau das in einer Analyse mit aller Deutlichkeit wieder zum Ausdruck gebracht. Die Politiker haben alle Warnungen in den Wind geschlagen, nach dem Motto: "Ach, das wird schon gut gehen." Nichts hat die Partylaune der Börsianer erschüttern können.

Für viele Skeptiker war indes unstrittig, dass wir auf einen neuen Crash zu laufen. Die Frage war nur wann er eintritt und was ihn auslösen würde. Ist die Erdbeben- und nukleare Katastrophe in Japan der Auslöser? Das ist gut möglich. Ich persönlich denke, dass sie es ist.

Das Erdbeben ist das wahr gewordene Grauen eines zuvor unvorstellbaren Desasters und einer menschlichen Tragödie, die erst begonnen hat. Das Erdbeben und die Beschä-digung der Kernreaktoren in Fukushima haben einen Prozess in Gang gesetzt, der nicht mehr zu beherrschen und nicht mehr zu stoppen ist. Japan hat eine Fläche von 377.000 qkm, auf der 127 Millionen Menschen leben. Es ist damit nur wenig größer als Deutschland (357.000 qkm / 81 Millionen Einwohner). Die Bevölkerungsdichte in Japan ist sehr hoch - allein im Großraum Tokio leben 35 Millionen Menschen. Und Japan ist eine Insel!

Man muss davon ausgehen, dass die Verantwortlichen alles menschenmögliche unter-nommen haben und unternehmen, um eine nukleare Katastrophe abzuwenden. Doch es ist offensichtlich nicht möglich. Nahezu ohnmächtig müssen sie nun zuschauen, wie der Prozess in den betroffenen Reaktoren abläuft - unaufhaltsam, erbarmungslos. Das ist kein Film, keine Hollywood-Phantasie - ich meine es ernst. Es muss in der Mentalität der Japaner begründet liegen, dass die Bevölkerung bisher so bewundernswert ruhig geblieben ist und man kann nur hoffen, dass es so bleibt.

Die Katastrophe ist nicht vorbei, sie hat erst begonnen. Sie ist ebenso ein Beben für die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft. Deren Instabilität ist eine denkbar schlechte Voraussetzung dafür, dass sie es unbeschadet überstehen.

Empfohlene Posts zur Frage der Finanzmarktstabilität:
Querschuesse: Recovery ist gelungen! (v. 26.03.11).

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6 Kommentare:

  1. Ich glaube gar nicht, dass die Finanzwirtschaft fähig ist, mit echten Katastrophen umzugehen...die Marktwirtschaft, ja...aber ein Finanzinvestor zieht sein Geld natürlich ab, wenn die Kurse fallen, ist klar, und bringt es erst wieder hin, wenn Profite in Aussicht stehen. Oder sollte man die Börsenkurse anders interpretieren?

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  2. Sicher, das sehe ich auch so. Kapital ist scheu. Wenn man jedoch das hohe Level der Kurse infrage stellt, weil es die realistischen Werte nicht mehr korrekt, sondern massiv übertrieben widerspiegelt, dann wäre das wie mit einem Kartenhaus. Insofern muss man anerkennen, dass der Rückzug von Investoren angesichts der Katastrophe zwar normal ist. Jedoch muss man auch fragen, inwieweit er nicht eine Korrektur darstellt, die durchaus drastisch ausfallen könnte und insofern das Kartenhaus zum Einsturz bringen könnte. Es ist eben sehr, sehr viel Liquidität im Markt und die Finanzmärkte haben sich weitgehend von der Realwirtschaft abgekoppelt. Das ist es, was ich ansprechen wollte.

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  3. Aber weshalb benötigen die Finanzmärkte eigentlich einen Anlass, um ihr Vermögen abzuziehen? Und, anders gefragt: Wohin zieht denn das Geld hin? In materielle Werte? Wird es einfach vernichtet - aber das wäre ja individuelle Blödheit, wenn das geschehen würde. Ist es nicht der Fluch des Finanzkapitals, dass es sich nicht auflösen, sondern nur wandern kann? Können nicht nur die Notenbanken Kapital vernichten? Oh, viele Fragen eines volkswirtschaftlichen Laien...bin gespannt auf deine Antwort

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  4. In der SZ wird heute die Entmachtung der Energielobby gefeiert.
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/atomkatastrophe-in-japan-nichts-wie-raus-1.1073652

    Ich bin gespannt wie das scheue Kapital darauf reagiert. Gesellschaften die sich plötzlich unter dem Joch der Finanzakteure und Wirtschaftslobbyisten aufbäumen werden gewöhnlich durch Entzug von Kapital "bestraft".

    Hier wird gut auch einer der Gründe für die Macht von (Finanzstarken) Lobbyisten deutlich. Politiker werden mit der Drohung der "sinkenden Wettbewerbsfähigkeit" und des "Standortnachteils" erpresst.

    Wer seine Bürger da nicht im Griff hat, ist in den bestimmenden USAmerikanischen Finanzkreisen gerne als Kommunistisch gebrandmarkt. Wir werden das in den nächsten Wochen sehen.

    Hier sieht man auch wie die Rechtfertigungen des Lobbyismus zu Kurz greifen. Natürlich haben auch Naturschützer und Ökolandwirte eine Lobby. Ihnen jedoch fehlen (unter anderem) diese Erpressungsmittel.

    Im Moment noch haben die Erpresser Aufwind. Der US Staat Wisconsin geht mit der Abschaffung des Streikrechts voran und zeigt wo diese Entwicklung hinführen soll.

    Das alles hat natürlich nichts mit freier Marktwirtschaft oder Demokratie zu tun. Dies wurde in diesem Blog schon des öfteren aufgezeigt.

    Die Einführung der Marktwirtschaft im Deutschen Energiesektor lässt noch auf sich warten. Im Moment herrschen noch die Oligopole die jegliche Dynamik im Keim ersticken.

    Mal sehen wie sich dies Entwickelt.

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  5. Ich will nicht den Eindruck erwecken, als könnte ich all diese Fragen beantworten. Mein Fachgebiet ist nicht die Geldtheorie. Aus markttheoretischer Perspektive kann man sagen: Auf den Finanzmärkten finden Preisbildungsprozesse statt. Wie Preise auf Märkten zustande kommen, das erklärt die neoklassische Theorie. Das Problem ist, dass diese Erklärung nur insofern trägt, als reale Märkte genau so funktionieren wie es die Theorie besagt - genau daran gibt es seit der Finanzmarktkrise große Zweifel.

    Ich weise deswegen darauf hin, weil es doch die Frage ist, ob die Preise auf den Finanzmärkten realistische Preise sind. Wenn man unterstellt, die Märkte funktionieren so, wie die Theorie es erklärt, dann sind die Preise möglicherweise durchaus korrekt. Ist das nicht der Fall und gibt es keine alternative, bessere Erklärung für die Preisbildungsprozesse, dann hat man auch nicht mehr die Möglichkeit zu entscheiden, ob die Preise realistisch sind.

    Es mag ein Ausdruck dieser Unsicherheit sein, dass sich die Ökonomen schon länger uneins sind, ob in der gegenwärtigen Krisensituation eher die Gefahr einer Inflation oder die einer Deflation besteht. Das zeigt, dass diese Frage nicht unabhängig von der Vorstellung von der tatsächlichen Funktionsweise der Märkte beantwortet werden kann. Schließlich ist eine andere entscheidende Komponente, die Geldpolitik, hinlänglich bekannt - nur ist deren Wirkung in Anbetracht der realen Marktentwicklungen nicht mehr zuverlässig einzuschätzen. Das ist eigentlich schon mindestens seit der Lehman-Pleite so. Gerade auch die Notenbanker sind ja mit ihren Theorien und Modellen ins Schleudern gekommen. Es ist also ein heikles Experiment gewesen, die Märkte mit billigem Geld zu fluten.

    Möglicherweise sind die Preise (auf den Finanzmärkten) völlig falsch, das heißt vermutlich überhöht. Dann liegt eine Blasenbildung vor und die Frage wäre, wo überall das der Fall ist, das heißt in welchen Anlageklassen, bei welchen Gütern und Leistungen. Ein außergewöhnliches Ereignis kann dann zu einer drastischen Preiskorrektur führen. Bricht jedoch außerdem die Wirtschaft ein - wie möglicherweise in Japan - oder gar die Weltwirtschaft - bedingt durch die Katastrophe in Japan -, dann werden unabhängig davon Investments auf breiter Front entwertet.

    Nach der Lehman-Pleite haben wir bereits eine starke Korrektur gehabt, weil - insbesondere bei den börsennotierten Konzernen - quer durch alle Branchen die Umsätze weggebrochen sind, teilweise um 20 Prozent und mehr. Entscheidend ist in einem solchen Fall die Frage, ob es sich um ein vorübergehendes konjunkturelles Problem handelt und sich die Umsätze wieder erholen oder um ein grundlegendes, strukturelles Problem, so dass der Umsatzverlust dauerhaft ist und die Existenz von Unternehmen/Banken bedroht.

    Ich komme auf der Grundlage meiner Markt- und Wettbewerbstheorie zu der Einschätzung, dass die Krise, die nach wie vor herrscht, auf fundamentale strukturelle Probleme unseres Wirtschaftssystems zurückzuführen und Konsequenz der Orientierung an einem fehlerhaften Konstruktionsplan (Theorie)ist.

    Ich habe das hier schon in meinem allerersten Post anschaulich zu erklären versucht (http://stefanleichnersblog.blogspot.com/2009/04/okonomie-blog-anwort-veblen.html) und später auch in anderen Aufsätzen vertieft (z. B. http://stefanleichnersblog.blogspot.com/2009/11/wirtschafts-und-finanzmarktkrise.html).

    Wer wissen möchte, wohin das alles führen könnte, wenn man es einmal aus diesem theoretischen Blickwinkel betrachtet, der kann sich gerne auch noch mein "halbes Untergangsszenario" (http://stefanleichnersblog.blogspot.com/2009/10/was-geschieht-wenn-die-nachste-groe_28.html ) zu Gemüte führen und sich daran anknüpfend seine eigenen Gedanken machen. Es ist m. E. immer noch aktuell, wenn auch nicht mehr in allen Facetten.

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  6. @alien observer

    Ja, es ist die große Frage, wie sich das entwickelt und ob die "Fettaugen" - wie Georg Trappe es immer zu bezeichnen pflegt - dank ihrer Lobbymaschine trotzdem weiter oben schwimmen werden.

    Das Thema Kernenergie wird wohl leider bald noch viel höhere Wellen schlagen. Und erste Störungen in der globalen Wirtschaft sind auch schon zu erkennen. Und dann ist da noch die prekäre wirtschaftliche Lage und Verschuldung der USA! Zudem ist Austeritätspolitik aktuell zwar offenbar in Mode, verschärft die Probleme jedoch erheblich - das trifft auch die Oligopolisten.

    Ich frage mich allerdings - ganz besonders eingedenk der Auswirkungen einer nuklearen Katastrophe mit weitreichenden Auswirkungen auf die Weltwirtschaft -, wohin das scheue Kapital wohl flüchten will - um nicht wie Schnee in der Sonne zu schmelzen? Denn wir wissen spätestens seit der Lehman-Pleite, wie schnell es bergab gehen kann - und die Notenbanken haben ihre Pulver verschossen. Damals waren ganz besonders die börsennotierten Konzerne betroffen und ich gehe davon aus, dass es wieder so sein wird. Je nachdem, wie weit es nach unten geht - an den Finanzmärkten und mit den Umsätzen bei den Firmen - könnten wir bald eine Situation erleben, in der einige der Großen ins Wanken geraten. Ob die wieder gerettet werden?

    Wie auch immer, auch für Lobbyisten kommen harte Zeiten. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel. Ob Steuervergünstigungen für Hoteliers, Stuttgart 21, Atomdeal oder E10 - immer öfter stößt Klietelpolitik an ihre Grenzen. Gott sei Dank.

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