Montag, 10. Oktober 2016

TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten: Der unsinkbare Trump



„Sex-Skandal“ (1), „Politischer GAU“ (2), „Endspiel für Trump“ (3) – das sind einige Beispiel dafür, wie die deutsche Presse auf die Veröffentlichung eines elf Jahre alten Videos in der Washington Post (4) reagierte, in dem vor allem Donald Trump, aber auch Billy Bush, der einzige Spross der Bush-Familie, der Trumps Präsidentschaftskandidatur bisher offen unterstützt, in rüder und anzüglicher Weise über Frauen herzieht. Trump reagierte zwar rasch und entschuldigte sich für seine Äußerungen. (5) Gleichwohl löste deren Veröffentlichung einen wahren Sturm der Entrüstung gegen Trump in den Medien aus, der weit über die USA hinausreichte, was es in dieser Dimension in einem US-Wahlkampf zuvor wohl noch nicht gegeben hat.
Damit nicht genug. Eine Reihe von Mitgliedern der republikanischen Partei forderte Trump prompt zum Rücktritt auf oder entzog ihm die Unterstützung, unter anderem tat dies der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain. (6)

Trump hält den medialen Druck locker aus

Mit all dem sah sich Donald Trump unmittelbar vor der zweiten TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten Sonntagnacht konfrontiert. Schlimmer hätte es für ihn kaum kommen können. In den Medien hatte deswegen die Einschätzung vorgeherrscht, dies sei ein überaus schwerer und womöglich nunmehr der finale Schlag für die ohnehin immer wieder strauchelnde Kampagne Donald Trumps.
Doch es kam anders.
Wer die TV-Debatte aufmerksam verfolgt hat, der wird zum Schluss gelangen, dass Trump eine Belastung durch diesen Skandal nicht anzumerken war. Er wirkte nicht nervös, war aufgeräumt, ruhig, für seine Verhältnisse sogar erstaunlich beherrscht und in jedem Fall besser vorbereitet als beim ersten TV-Duell.
Mehr noch hat Hillary Clinton praktisch kein Kapital aus diesem jüngsten Mega-Skandal schlagen und Trump auch nicht in die Enge treiben können, so wie es ihr beim ersten Aufeinandertreffen im Fernsehen mithin gelungen war. Ihre größten Trümpfe waren einmal mehr ihre große politische Erfahrung und die großen Kenntnislücken Trumps, die ihn immer wieder irrlichtern und falsche Behauptungen aufstellen ließen, wie Faktenchecks zeigen (7).
Bisher hat ihm dies allerdings nicht geschadet. In Umfragen liegt er zwar seit Wochen hinter Clinton. Aber der Rückstand von 3-7 Prozentpunkten scheint nicht gänzlich uneinholbar. Freilich sagen die Umfragen noch nicht viel über die Wahlchancen. Denn entscheidend ist, wer in den US-Bundestaaten die meisten Wahlmänner holt.

Laut Umfrage hat Clinton auch das zweite TV-Duell gewonnen

An den Umfragewerten hat sich durch die TV-Debatte wenig geändert. Eine erste Umfrage von CNN (8) kommt zwar zu dem Ergebnis, dass Clinton die Debatte für sich entscheiden konnte. Das glauben 57 Prozent der Befragten, wohingegen nur 34 Prozent meinen, Trump hätte sich besser geschlagen. Gleichzeitig sagen demnach aber auch 60 Prozent, Trump hätte sich besser geschlagen als von ihnen erwartet. Vor allem aber ist es offenbar weder Clinton noch Trump in der Debatte gelungen, mehr Wähler auf ihre Seite zu ziehen. 53 Prozent der Befragten sagten, die Debatte würde ihr Wahlverhalten nicht beeinflussen. Von denen, die es nun ändern wollen, gaben 25 Prozent an, sie wollten für Clinton stimmen und 21 Prozent für Trump. (9)
Allerdings darf angesichts dessen nicht unberücksichtigt bleiben, dass Trump und Clinton die unbeliebtesten Präsidentschaftskandidaten in der US-Geschichte sind.
In einer Umfrage von Ende August erreichte Clintons Popularität ein für sie neues historisches Tief. Nur 41 Prozent der Amerikaner bewerten sie demnach positiv, 56 Prozent hingegen negativ. Über Trump senken demnach 63 Prozent den Daumen, während 35 Prozent ein positives Bild von ihm haben. (10)
Im Schatten der vielen Aufmerksamkeit erregenden Berichte über die Trumps Fehltritte gerät leicht in den Hintergrund, dass auch Clinton vieles angelastet wird und vor allem, dass sie zu viele Dinge von sich verheimlicht. Viele Amerikaner halten sie deswegen für nicht glaubwürdig. Das hat gute Gründe.

Hillary Clinton ist kaum weniger angreifbar und umstritten

Umstritten ist beispielsweise ihr Verhalten als US-Außenministerin im Zusammenhang mit dem Attentat auf die US-Botschaft im libyschen Bengasi im Jahr 2012. Die Republikaner werfen ihr schwere Versäumnisse vor. (11) Familien von Opfern machen Clinton für deren Tod persönlich verantwortlich und haben sie verklagt. (12)
Hinzu kommt der sogenannte E-Mail-Skandal. Clinton geriet ins Visier der Behörden, weil sie als Außenministerin einen privaten Computer für ihre E-Mail-Korrespondenz nutzte und dieser gehackt worden war. Deswegen wurde vom FBI überprüft, ob sie damit gegen Gesetze verstoßen und die nationale Sicherheit gefährdet hat. (13) Allerdings sind E-Mails verschwunden, auch Laptops. Mobiltelefone wurden von ihren Mitarbeitern zerstört und viele Mails gelöscht, sodass dem FBI eine vollständige Überprüfung des Falls offenbar gar nicht möglich gewesen ist. (14)
Clinton behauptet, es habe sich bei den gelöschten Mails um private Nachrichten gehandelt, nicht um solche mit vertraulichem Inhalt. Bei der Befragung gab sie mitunter an, Gedächtnislücken zu haben. Auch gab es Hinweise, dass ihr privater Computer nicht sicher war. (15) Das FBI empfahl dem Justizministerium dennoch, kein Verfahren gegen Clinton einzuleiten (16) und zwar noch vor dem Nominierungsparteitag der Demokraten. Derweil hält das US-Außenministerium noch immer viele Informationen zur E-Mail-Affäre zurück, die erst nach und nach aufgrund von richterlichen Urteilen an die Öffentlichkeit gelangen (17) (18).
Aufgrund solcher veröffentlichten E-Mails wiederum sind weitere Vorwürfe gegen Clinton erhoben worden. E-Mails legen den Verdacht nahe, dass sich ausländische Regierungen und Geschäftsleute mit Spenden für die Clinton-Stiftung in ihrer Zeit als Außenministerin Vorteile erkaufen haben könnten, es somit keine saubere Trennung von Amt Stiftung gab. (19) Eine besondere Rolle spielt dabei eine der engsten Vertrauten von Hillary Clinton, die infolgedessen selbst in die Schusslinie geraten ist und zu einer Belastung für den Wahlkampf zu werden droht. (20)
Kurz vor ihrer Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin veröffentlichte WikiLeaks darüber hinaus gehackte interne E-Mails der Demokraten, aus denen hervorging, dass die Parteiführung, die im Vorwahlkampf zu Neutralität verpflichtet ist, ihr Gewicht in die Waagschale geworfen hatte, damit nicht Bernie Sanders, sondern Clinton die Vorwahlen gewinnt. (21) In der Folge kam es denn auch zu Rücktritten noch vor dem Nominierungsparteitag. (22)

Kann Clinton die Anhänger von Sanders hinter sich bringen?

Im Medienrummel um das Skandal-Video von Trump ist im Übrigen beinahe gänzlich untergegangen, dass es ebenfalls am Freitag auch neue WikiLeaks-Veröffentlichungen gab. (23) Sie erschüttern Hillary Clintons Glaubwürdigkeit weiter und vergrößern damit ein weiteres Problem. Denn die demokratische Partei ist tief gespalten. Viele der zahlreichen Anhänger von Bernie Sanders haben massive Vorbehalte gegen Clinton.
Es ist deswegen fraglich, ob Clinton die Anhänger ihres parteiinternen Rivalen aus dem Vorwahlkampf in ausreichendem Umfang mobilisieren kann, am 8. November ihre Stimme für sie abzugeben.

Wie viele Wähler verlieren Trump und Clinton an die Libertären?

Von der Unpopularität beider Präsidentschaftskandidaten hat zudem bisher schon ein anderer Kandidat in für US-Verhältnisse außergewöhnlichem Umfang profitieren können: Gary Johnson von der libertären Partei. Gemäß Umfragen kann er auf 8-12 Prozent der Stimmen hoffen. (24) Damit könnte er Trump und Clinton zwar nicht gefährlich werden, aber ihnen in den Bundestaaten zum Teil die für einen Sieg notwendigen Stimmen kosten. (25)
Die oben zitierten Umfrageergebnisse zur zweiten TV-Debatte deuten darauf hin, dass Clinton und Trump viele Wähler nach wie vor nicht überzeugen können. Sie könnten beiden Kandidaten einen Korb geben oder gar nicht wählen gehen. Clinton mag als Siegerin aus dem TV-Duell hervorgegangen sein. Doch Trump ist noch nicht geschlagen, viele Sanders-Anhänger hat sie noch nicht überzeugt und wie stark andere Parteien abschneiden, insbesondere die Libertären, ist ungewiss. Und wer weiß schon, was in den letzten 4 Wochen bis zum 8. November noch alles an wahlbeeinflussenden Informationen an die Öffentlichkeit gelangt.
Fest steht, dass nicht nur Donald Trump, sondern auch Hillary Clinton viele Schwächen und Angriffspunkte hat. Sie verbirgt sie vielleicht einfach nur besser. Politische Erfahrung und fachliche Kompetenz sind zudem schon lange keine ausschlaggebenden Voraussetzungen mehr für das Amt des US-Präsidenten. Ronald Reagan war Schauspieler, Donald Trump ist ihm zumindest in dieser Hinsicht nicht unähnlich.
Clinton ist nicht die bessere Wahl, sondern allenfalls die weniger schlechte und selbst das ist beim gegenwärtigen Stand der Dinge alles andere als gewiss. Das Bild der beiden Top-US-Präsidentschaftskandidaten, das die beiden von sich selbst und die Medien von sich aus vermitteln, ist deswegen mit Vorsicht zu genießen.

6 Kommentare:

  1. Hallo Herr Eichner,

    Ich fürchte der Stellenwert der Debatten in den USA wird hier wie dort überschätzt- Die sehr angesehene Soziologin Arlie Hochschield (Autorin zahlreicher Pflichtlektüre für Gesellschaftswissenschaftler in Universitäten Weltweit), hat unlängst ein sehr wichtiges Buch veröffentlicht: "Strangers in Their Own Land".

    Siehe z.B. Artikel in Mother Jones: http://www.motherjones.com/politics/2016/08/trump-white-blue-collar-supporters

    Sie beschreibt darin wie sie 5 Jahre in Lousiana, dem Kernland der evangelikalischen Rechten in den USA verbrachte um den Ursachen der Spaltung der USA auf den Grund zu gehen. Warum wählen so viele US Amerikaner Trump?

    Mit der Empathie einer Ethnologin stellt sie dar wie die Menschen im weissen Amerika heute ihrem Land entfremdet sind. Die Wähler Trumps fühlen sich verraten von ihrer Regierung und dem System, dass sie u.a. als "Marginalisierungsmaschine" bezeichnen. Sie bemerken zu recht wie sie von einem gleichgültigen "Norden" in die Prekarität gedrängt wurden und erleiden den wachsenden Druck der Prekarität den ein Korruptes System im Namen der Konzerne auf sie ausübt. Aber die Konzerne sind gerade im Süden gut darin ihre Rolle durch erfolgreiche PR Strategien zu verschleiern.

    Es ist daher der Rechten im Namen der Konzerne gelungen den Staat als den Verursacher für diese Entwicklung darzustellen. Diese Kernbotschaft der Tea Party Bewegung (die von den Koch Brüdern initiiert wurde) bleibt bei allen haften und ist die Kernbotschaft Trumps. Natürlich bedient sich die Rechte daneben auch erfolgreich der Identitätspolitik um Minoritäten für die Entwicklungen verantwortlich zu machen und dem Zorn der Menschen ein Ziel zu geben.

    Egal wieviele Skandale es daher um Donald Trump gibt, die Spaltung zwischen dem Establishment des "Nordens" und der Bevölkerung wiegt schwerer. Ausserdem ist es der rechten gelungen diese ihre wähler zu mobilisieren.

    Auf der anderen Seite spürt man offene Verachtung für den evangelikalen Süden. Hillary macht nicht die geringsten Anstrengungen ihre Geringschätzung für die abgehängten weissen im Süden zu verbergen.

    Interessant ist nebenbei, dass wenn man Arlie Hochschild zuhört, man sich auch eine Reise in den Deutschen Osten vorstellen könnte über die sie so schreibt.

    Egal ob bei uns oder den USA, die Themen die von Bedeutung wären um diese Spaltung zwischen Staat/Politik und Volk zu überwinden, werden nicht zur Sprache gebracht. Das Theater der Politik und der Medien wird von den Anhängern Trumps durchaus als Schauspiel wahrgenommen ("Lügenpresse").

    Um diese Spaltung geht es in den Präsidentschaftswahlen vor allem. Die Kandidaten könnten diese Spaltung kaum besser repräsentieren als Donald und Hillary. Diese Spaltung zieht sich dabei nebenbei ebenso durch die Parteien wie die Gesellschaft.

    Mit den Augen des weissen Prekariats betrachtet spielt es keine Rolle, dass Trump keine Vorstellungen davon hat wie er die USA als Präsident führt. Es spielt keine Rolle, ob die Medien Trump als "Verlierer" oder "Gewinner" gesehen haben. Die Gräben in diesem Konflikt sind tief, und beide arbeiten daran sie tiefer zu machen.

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  2. Interview mit Arlie Hochschild aud "Democracy Now":
    https://www.youtube.com/watch?v=21ijh_LMw08

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  3. Zitat Arlie Hochschild:
    "I realized there’s a core here that could be told through narrative. This is what I call the deep story. It’s a story in which you lift away facts and moral judgment and just find the story that feels true.
    ...

    So the deep story I felt operating in Louisiana was this: Think of people waiting in a long line that stretches up a hill. And at the top of that is the American dream. And the people waiting in line felt like they’d worked extremely hard, sacrificed a lot, tried their best, and were waiting for something they deserved. And this line is increasingly not moving, or moving more slowly [i.e., as the economy stalls].

    Then they see people cutting ahead of them in line. Immigrants, blacks, women, refugees, public sector workers. And even an oil-drenched brown pelican getting priority. In their view, people are cutting ahead unfairly. And then in this narrative, there is Barack Obama, to the side, the line supervisor who seems to be waving these people (and the pelican) ahead. So the government seemed to be on the side of the people who were cutting in line and pushing the people in line back."

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    1. Hallo alien observer,

      Sie haben recht, diese Wahrnehmung ist zunehmend überall zu spüren, vor allem dort, wohin die vielen Flüchtlinge strömen. Und anders als die sich weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich werden die Flüchtlinge genau so wie auch abgehängte Arbeitslose oder generell die Systemverlierer von jedem wahrgenommen. Denn sie sind im täglichen Leben schlicht physisch präsent.

      Sie sind eine einfach Projektionsfläche für allen Zorn über das, was das die Spaltung vorantreibende System den Menschen antut. Dieses "System" ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch eine hochkonzentrierte wirtschaftliche Macht, einmal auf der Ebene von Märkten (Konzerne/Oligopolisten), auf der Ebene der Profiteure (Einkommen und Vermögen) sowie auf der Ebene einer zunehmend merkantilistischen Politik, die sich im selben Boot mit den Konzernen, Reichen und Mächtigen sitzen sieht und sich einseitig dafür einsetzt, dass dieses Boot nicht sinkt.

      Hillary Clinton steht in den USA wie kein anderer Politiker für dieses System. Sie will in dieses Boot und deswegen ist auch von vornherein klar, was sie tun wird, wenn sie dies geschafft hat. Und deswegen wird sie auch von der finanziellen und wirtschaftlichen Elite unterstützt. Sie ist für diese eine sichere Sache und genau darin liegt der Unterschied zu Trump. Denn der ist für das Establishment eine gefahr, im günstigsten Fall eine höchst unsichere Wette. Er ist unberechenbar und, was auch sehr wichtig ist, finanziell unabhängig.

      Clinton hat es bisher sehr gut verstanden, zu verschleiern wie sie wirklich ist, denkt und handelt. Aber geleakte E-Mails von Colin Powell (General, Ex- Außenminister, Demokrat) und Condoleezza Rice (Rep), spricht Bände. Hier ein paar Auszüge:

      "I would rather not have to vote for her, although she is a friend I respect. A 70-year person with a long track record, unbridled ambition, greedy, not transformational"

      "Everything HRC touches she kind of screws up with hubris."

      "Well, their email ploy this week didn't work and she once again looks shifty if not a liar. Trump folks having fun with her."

      (Quelle URL: http://www.reuters.com/article/us-usa-election-powell-idUSKCN11K2RK)

      Viele Grüße
      SLE

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    2. Vielen Dank für den Link, sehr interessant.

      Ich finde es sehr amüsant, wie die USA jetzt bestürzt feststellen wie unangenehm es ist, wenn ein fremder Geheimdienst sich in die inneren Angelegenheiten eines Staates einmischt.

      Ob sie daraus lernen werden? Natürlich nicht.

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    3. Die Wahlnacht ist vorbei und Trump wird Präsident Hassen Sie es auch manchmal recht gehabt zu haben?

      Wenn es etwas gibt was man möglicherweise als Positiv resümmieren kann ist, dass damit der Neoliberalismus abgewählt wurde. Das heisst natürlich nicht, dass Trump nicht im wesentlichen neoliberale Politik machen wird, aber die Botschaft der Wähler ist eindeutig.

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