Montag, 28. März 2011

Wie weitreichend sind die Folgen der Katastrophe für Japans Wirtschaft?


Wie hart trifft die Erdbeben- und nukleare Katastrophe die japanische Wirtschaft?


Bisher haben viele - wie unter anderem Bob Doll von Blackrock Inc. (siehe dazu den letzten Post vom 23.03.) - beschwichtigt und gesagt, die Katastrophe in Japan bliebe weitgehend folgenlos für die Weltwirtschaft und auch Japans Wirtschaft sei allenfalls geringfügig sowie kurzfristig beeinträchtigt. Bob Doll bergündete das für Japan damit, dass die Krisenregion nur 9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) Japans erwirt-schaftet, also wirtschaftlich betrachtet eine relativ geringe Bedeutung für Japan habe. Bezogen auf die globale Wirtschaft wird von ihm und anderen argumentiert, Japans Anteil am Welt-BIP liege bei unter 9 Prozent und auch der Anteil am Welthandel sei mit 4,4 Prozent vergleichsweise gering und darum sei kaum mit negativen Auswirkungen zu rechnen.

Was dabei nicht berücksichtigt und zudem schwer einzuschätzen ist, sind die Folgen bedingt durch die Verflechtungen der japanischen Wirtschaft landes- und weltweit sowie durch deren Einbindung in die globalen Wertschöpfungsprozesse. Global operierende Unternehmen haben längst Schritte unternommen, um die Abhängigkeit ihrer Produktion von japanischen Unternehmen und Substitutionsmöglichkeiten zu prüfen. Lieferengpässe sind zu erwarten und teilweise bereits eingetreten.

Nicht alle Engpässe werden sich jedoch durch Ausweichen auf andere Partner beheben lassen - jedenfalls nicht kurzfristig. Wie weitreichend die Beeinträchtigungen der globalen Wirtschaft letztlich sein werden, wird deswegen auch davon abhängen, wie umfassend die Produktionsstörungen in Japan sind und wie rasch sie beseitigt werden können.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Pressebericht vom Wochenende, der eine zentrale Facette dieses Problems behandelt, nämlich die Stromversorgung der japanischen Industrie. Demnach überlegen derzeit die japanischen Autohersteller, abwechselnd ihre Produktion herunterzufahren, um Strom zu sparen. Auf diese Weise wollen sie verhindern, dass es zu Blackouts kommt, weil die Stromversorgung aufgrund von Engpässen wegen des Unglückskraftwerks Fukushima I rationiert werden muss. Laut Bericht würde beispielsweise ein dreistündiger Stromausfall einen neunstündigen Produktionsausfall der Karosseriefertigung nach sich ziehen. Es wird erwartet, dass sich die Autohersteller in Kürze auf einen Rotationsplan einigen. Andere Industriezweige, so heißt es weiter, könnten folgen. (1)

Das hört sich nicht so an, als handele es sich um ein kurzfristiges und zudem ein die japanische Wirtschaft nur geringfügig beeinträchtigendes Problem. Wenn man zudem berücksichtigt, dass, wie es in dem Bericht ebenfalls heißt, die Produktion der japanischen Automobilindustrie gegenwärtig infolge der schweren Erdbebenschäden ohnehin bereits deutlich eingeschränkt ist, so stellt sich die Frage, inwieweit es vor diesem Hintergrund überhaupt zu Versorgungsengpässen kommen kann, die noch dazu möglicherweise weit über die Branche hinausreichen. Immerhin müsste ja die Strom-nachfrage der Industrie aktuell und zumindest so lange, wie es noch nicht gelungen ist, die Erdbebenschäden zu beheben und die Produktionsstörungen zu beseitigen, erheblich geringer sein als bei einer unter Volllast laufenden Industrieproduktion.

Des Weiteren stellt sich die Frage, wie umfänglich die Stromversorgung infolge der Katastrophe von Fukushima I überhaupt beeinträchtigt sein kann und ob dieser AKW-Ausfall allein die Planung solcher weitreichenden Schritte seitens der Industrie ausreichend begründet. Dazu lässt sich sagen, dass die sechs Reaktoren von Fukushima I eine Bruttoleistung von zusammen 4663 Megawatt erbringen. (2) Diese Leistung fällt bedingt durch das Unglück komplett aus - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dauerhaft. Japan verfügt jedoch über 55 Kernreaktoren mit einer Gesamtleistung von 47.348 Megawatt (Netto, Stand Nov. 2010). (3) Bezogen auf die Energieerzeugung durch Atomkraftwerke, deren Anteil an der japanischen Erzeugung 29 Prozent (2009) beträgt (4), liegt der Anteil von Fukushima I somit bei 9,8 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass die Gesamtkapazität aller Kraftwerke bezogen auf die Strom-nachfrage in Japan nicht überaus knapp kalkuliert sein dürfte und die Energieversorger insofern jederzeit in der Lage sein werden, Nachfragespitzen auszugleichen bzw. eine deutlich höhere Nachfrage zu bedienen. Etwas anderes ist schwer vorstellbar.

Insofern ist es wahrscheinlich, dass die japanische Industrie mit den bekannt gewordenen Plänen zur Stromrationierung nicht nur die bereits eingetretenen tatsächlichen, sondern auch die noch zu erwartenden Folgen  der Katastrophe
(in Fukushima) adressiert.

Das alles passt dann aber nicht zu dem von vielen Experten und selbstverständlich auch von der japanischen Regierung vermittelten Bild von vom Umfang her lediglich begrenzten und vorübergehenden Beeinträchtigungen der japanischen Wirtschaft infolge des Erdbebens und der nuklearen Katastrophe in Fukushima I.

2 Kommentare:

  1. Das alles ist doch erst der allererste Anfang! Japan hat ueber Jahrhunderte landwirtschaftlich verlorene Gebiete. Gebiete, in denen keiner eine Immobilie kauft, wenn er Alternativen hat usw.
    Ich habe mal versucht, das gesamte Ausmass der Japan-Atomkatastrophe, Risiken und Gefahren der Atomkraft und was sie fuer Europa bedeuten hier uebersichtlich zusammenzufassen:
    http://www.dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=208864
    Dort auch Hinweise zum Umgang mit radioaktiv verseuchtem Wasser.

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  2. @CrisisMaven

    Vielen Dank für den Kommentar und den Link.

    Das ist erst der Anfang - ich sehe es auch so. Aber natürlich stützt sich meine Einschätzung nicht auf ein so umfangreiches Wissen, wie Sie es anbieten. Es ist ein Prozess, der dort in Fukushima I seit dem Erdbeben abläuft. Das habe ich ja schon in meinem Post vom 15.03. (Die japanische Katastrophe ...) geschrieben.

    Gruß
    SLE

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