Donnerstag, 19. Mai 2011

Zum Rücktritt von IWF-Chef Strauss-Kahn


Die Geschichte um die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn nimmt immer skurrilere Züge an. Man hätte erwartet, bezüglich der Sachlage im Fall des wegen "einer ungesetzlichen sexuellen Handlung, versuchter Vergewaltigung und widerrecht-lichen Festhaltens einer Person" verhafteten IWF-Chefs
(1) würde sich sukzessive ein immer deutlicheres Bild abzeichnen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Zunächst wurde über die Medien verbreitet, das mutmaßliche Opfer, ein 32 Jahre altes Zimmermädchen, habe um 13 Uhr im Hotel Sofitel die Suite Nr. 2806 betreten und dort habe sie Strauss-Kahn dann attackiert - so die Darstellung der New Yorker Polizei. (2) Er habe, so der Vorwurf, gegenüber dem Zimmermädchen rohe Gewalt angewendet. Doch die Frau konnte flüchten und Strauss-Kahn sei daraufhin überhastet aufgebrochen, wobei er sein Handy und "andere persönliche Dinge" im Zimmer liegen ließ. (3)

Später wurde dann in der Presse berichtet, Strauss-Kahn sei zur angeblichen Tatzeit gar nicht mehr im Hotel gewesen. Er habe seine Hotelrechnung um 12:28 Uhr bezahlt und dann das Hotel verlassen, um sich mit seiner Tochter zu treffen. (4) Nach dem Essen mit seiner Tochter sei er direkt zum JFK-Flughafen gefahren, wo er um 15:30 Uhr für seinen lange im Voraus gebuchten Flug nach Paris eincheckte. (5) Zunächst hatte es jedoch in der Presse geheißen, Strauss-Kahn habe ein stehendes Arrangement mit Air France, wonach er jederzeit kurzfristig einen Sitzplatz in der First Class bekommen kann - was die These, er wollte sich rasch absetzen, hätte stützen können. (6)

Am Tag der Anhörung vor Gericht wiederum hieß es dann von offizieller Seite abweichend, das Zimmermädchen habe die Suite 2806 um 12:00 Uhr herum betreten, also eine Stunde früher als ursprünglich von der Polizei angegeben. Mehr noch berichtete das Wall Street Journal, die Polizei habe erst durch einen Anruf von Strauss-Kahn im Hotel Sofitel, den er tätigte, weil er sein Mobiltelefon vermisste, herausgefunden, wo er sich befinde, so dass sie ihn dann verhaften konnte. (7) (8) Warum sollte ein Flüchtender am vermeint-lichen Tatort anrufen? Das kann man sich natürlich fragen.

Zuvor war allerdings unter Berufung auf Paul Browne, Sprecher der New Yorker Polizei, berichtet worden, die Polizei schließe aus dem zurückgelassenen Handy darauf, dass Strauss-Kahn das Hotel fluchtartig verlassen hat. (9)

Worum es sich bei den "anderen persönlichen Dingen", die Strauss-Kahn im Hotel liegen gelassen haben soll, handelt, darüber war in der Presse nichts zu erfahren.

Zur Begründung der Entscheidung der Haftrichterin Melissa Jackson, Strauss-Kahn müsse weiter in Untersuchungshaft bleiben, hieß es neben dem Argument, es bestehe Fluchtgefahr, erst medizinische Ergebnisse hätten die Darstellung des Zimmermädchens gestützt. (10) Über die Ergebnisse selbst konnte man nichts lesen. Laut Staatsanwalt-schaft soll es zu einem Gerangel gekommen sein, bei dem die Frau verletzt wurde. (11) Sollte das stimmen, so wurde in der Presse gefolgert, so müssten sich bei den Beteiligten zum Beispiel unter den Fingernägeln oder auf der Haut Spuren des jeweils anderen finden. (12) Strauss-Kahn willigte in eine DNA-Analyse und eine Untersuchung auf Kratzspuren an seinem Körper ein. (13) Der DNA-Test soll bis kommenden Freitag (20.05.), dem Tag der nächsten Anhörung, ausgewertet sein. (14)

In der Zwischenzeit wurde Strauss-Kahn auf die Gefängnisinsel Rikers Island verlegt und zwar in eine Einzelzelle, die eigentlich für Häftlinge mit einer ansteckenden Krankheit gedacht ist. Zur Begründung hieß es, er sei dort am besten vor gefährlichen Gefängnis-insassen geschützt. (15) Darüber hinaus steht er nun wegen Selbstmordgefahr Tag und Nacht unter ständiger Beobachtung, weil er, so wurde gemeldet, bei der routinemäßigen Untersuchung bei seiner Ankunft im Gefängnis etwas gesagt oder getan habe, was den Ärzten Anlass zur Sorge gegeben hätte. (16) Was er gesagt oder getan hat, darüber wurde nichts berichtet.

Anders ausgedrückt: Strauss-Kahn wurde nach seiner Verhaftung praktisch vollständig isoliert und damit von der Außenwelt abgeschnitten. Er hatte keine Gelegenheit, sich gegenüber der Öffentlichkeit zu äußern. Es ist nicht klar, mit wem er - abgesehen von seinem Anwalt und natürlich den Behörden - reden durfte.

Heute wurde gemeldet, es sei ein Überwachungsvideo aus dem Hotel Sofitel aufgetaucht, welches zuerst das offenbar in Panik aus der Suite stürmende Zimmermädchen zeige. Wenig später sei darauf Strauss-Kahn zu sehen, wie er in Hast das Zimmer verlasse. (17) Ein mit dem Fall befasster Vertreter der französischen Polizei hingegen habe gegenüber der Nachrichtenagentur AFP gesagt, in dem Hotel gebe es in den Stock-werken mit Gästezimmern keine Überwachungskameras. (18)

Nun ist Strauss-Kahn also zurückgetreten. Seinen Rücktritt erklärte er schriftlich. Strauss-Kahn bleibt also unter Verschluss und stumm. Die Öffentlichkeit hat über den IWF davon erfahren, der die entsprechende Erklärung Strauss-Kahns ins Internet stellte. (19) Nicht einmal seinen Rücktritt ließ man ihn also mündlich gegenüber der Öffent-lichkeit verkünden. Es mag Gründe dafür geben. Man hätte dann jedoch eher erwartet, dass eine so weitreichende Entscheidung von einem derart streng abgeschotteten Mann über seine Anwälte den Weg in die Öffentlichkeit findet. Gibt es eine Bestätigung von dieser Seite?

Das sind viele Ungereimtheiten. Nichts ist geklärt, nicht einmal das Resultat des DNA-Tests liegt vor und ob Anklage erhoben werden kann, steht auch noch nicht fest. Dass Strauss-Kahn dennoch beinahe wie ein gefährlicher Terrorist behandelt wird, wirkt vor diesem Hintergrund ebenso bizarr wie seine vollkommene Abschottung. Das erweckt nicht bloß den Eindruck, als solle da jemand hastig politisch kalt gestellt werden - was ja bereits gelungen ist. Nein, es wirkt eher wie der wütende und irgendwie verzweifelte Versuch, jemanden politisch zu vernichten und ihn mit allen Mitteln am Reden zu hindern.

Wie auch immer man es betrachtet und bewertet, die angebliche Sex-Affäre Strauss-Kahns wirft nach wie vor viele Fragen auf, vor allem wenn man sie im Zusam-menhang mit seinem Wirken als IWF-Chef sieht. Strauss-Kahn hat als IWF-Chef hervorragende Arbeit geleistet. Das ist unstrittig. Frankreichs Regierung wirkt dennoch nicht übermäßig interessiert an dem Fall. In der Politik scheint man sich leichten Herzens von Strauss-Kahn trennen zu können. Die Debatte um die Nachfolge ist schon in vollem Gange. Bill Clinton hatte seinerzeit bei seiner Sex-Affäre mit Monica Lewinsky wahrscheinlich schlicht bessere Karten oder einfach nur mehr Glück. Er blieb als Präsident der Vereinigten Staaten im Amt.

Ergänzend empfohlene Artikel:
- Dominique Strauss-Kahn and the IMF (v. 19.05.11);
- Mark Weisbrot: The IMF after DSK (v. 19.05.11);
- Vergewaltigungsvorwürfe: Spektakuläre Wende im Fall Strauss-Kahn (v. 01.07.11);

1 Kommentar:

  1. Selbst wenn DSK in dieser Angelegenheit verurteilt würde, bliebe für mich die Vermutung eines Komplotts bestehen.

    Meiner Ansicht nach ist es für Männer in der Position und mit den Finanziellen Mitteln Strauss Kahns in den USA ein leichtes, ein solches Delikt zu Vertuschen. Dies ist die zynische Realität unserer von slbstherrlichen alten Männern mit Geld und Macht dominierten Welt.

    Das ein Zimmermädchen aus der Bronx in den USA nicht mit Geld zum Schweigen gbracht werden könnte oder umgekehrt ein solcher Vorfall nicht inszeniert werden kann ist Naiv.

    Mich irritiert ebenso die Forderungen zu einer Rückkehr in die neoliberalen praktiken der Thatcher und Reagan Zeiten die sofort danach in der Presse Laut wurde.

    Die unerträglichen Äusserungen unserer Kanzlerin oder der Östreichischen Finanzministerin lassen darauf schliessen, dass man sich alles unter den Nagel reissen will was in den PIGS noch nicht in privater Hand ist.

    Die Forderungen nach Privatisierung der Wasser- und Energieversorger, der Fluglinien, Flughäfen usw, die ja derzeit durchaus mit Gewinn arbeiten ist eben jene Strategie von der Strauss Kahn in seiner Zeit als IWF Direktor abschied genommen hatte.

    Es sind die Strategien die zum totalen Zusammenbruch der Argentinischen Wirtschaft geführt haben. Grund dafür kann nur die Begehrlichkeit der Unternehmen sein.

    Aus den Entwicklungen in Bolivien (Wasserkrieg) oder Argentinien wollen diese Unternehmen und ihre politischen Spiessgesellen nicht lernen.

    Die Aufstände in Spanien sind jedoch der Anfang eines Europaweiten Flächenbrandes. Ob das evtl. wiederum gewollt oder geplant ist führt vielleicht zu weit.

    Wie in meinem letzten Kommentar erwähnt, geht Gerald Celente davon aus, dass dem urchaus so sein kann.

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