Mittwoch, 13. Juli 2011

Die EU-Schuldenkrise und die Ratingagenturen: Ratings aus Absurdistan


Nun hat die US-Ratingagentur Moody´s nach Portugal
(1) auch Irlands Bonität auf Ramschniveau abgesenkt. (2) Griechenland wird von den großen drei Ratingagenturen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch, die bei Ratings zusammen auf einen Weltmarkt-anteil von über 90 Prozent kommen, schon länger auf Ramschniveau verortet. Und nachdem zunächst immer wieder Spaniens Kreditwürdigkeit im Fokus der Rating-agenturen stand, ist es nun doch das wirtschaftlich drittgrößte Euro-Land Italien, dessen Bonität als zunehmend kritisch angesehen wird.

Was man sich dabei vor Augen führen sollte, ist, dass die wirtschaftliche Basis und Lage sowie vor allem auch die Verschuldungssituation in allen genannten EU-Staaten nicht identisch, sondern sehr unterschiedlich sind.

Mehr noch ist daran zu erinnern, dass sich - lässt man einmal den jüngsten "Krisenfall" Italien außen vor - alle EU-Schuldenstaaten mit harten Sparmaßnahmen ernsthaft darum bemühen, ihre Staatshaushalte wieder in den Griff zu bekommen und ihre Schulden abzubauen. Das gilt für Irland ebenso wie für Portugal und Spanien und ganz besonders auch für Griechenland. Das Ausmaß der Proteste der Bevölkerung gegen diese Sparmaßnahmen kann durchaus als Indikator dafür genommen werden, wie hart gespart wird. Die OECD hatte Griechenland jüngst sogar im Rahmen einer Analyse attestiert, so konsequent zu sparen wie kein anderes Industrieland in den letzten 25 Jahren. (3)

Zudem gilt, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union sowie die EZB mit ihren finanziellen Stützungmaßnahmen faktisch die Zahlungsfähigkeit der EU-Schuldenstaaten garantieren.

Das alles spielt bei der Bewertung der Bonität der EU-Schuldenstaaten durch die großen drei Ratingagenturen offensichtlich so gut wie keine Rolle. Egal, was unternommen wird, es ist immer zu wenig und immer wird der Erfolg der Maßnahmen in Zweifel gezogen. Jeder neue Schritt zur Entschärfung der Situation wird paradoxerweise mit einer Abwertung der Bonität quittiert.

So geht das seit dem Beginn der Griechenland-Krise, also seit Anfang 2010.

Blickt man in Sachen Rating indes auf die USA, dann wird es noch paradoxer. Die Regierung in Washington hat schon im Mai die gesetzliche Staatsschulden-Obergrenze von 14.290 Milliarden Dollar erreicht und ist überhaupt nur noch mit Hilfe von Tricks bis zum 2. August zahlungsfähig. Es gibt keinerlei Sparanstrengungen, stattdessen streiten Republikaner und Demokraten mit- und untereinander über die Frage, wie und wo gespart werden soll. Es ist fraglich, ob die USA letztlich ein derart konsequentes Sparpaket auf die Beine gestellt bekommen wie die EU-Schuldenstaaten, die zudem längst mit dem Sparen begonnen haben. Doch selbst wenn Obama mit seinem Vorschlag durchkäme - Einsparungen in Höhe von 4.000 Milliarden Dollar in den nächsten zwölf Jahren (4) bzw. neuerdings zehn Jahren (5) -, ist mehr als fraglich, ob das bei einem chronischen Haushaltsdefizit von jährlich 1.500 Milliarden Dollar ausreicht, um einen Schuldenkollaps abzuwenden.

Die Beendigung des Streits verhindert deswegen letztlich nur temporär die Zahlungs-unfähigkeit der USA und zwar durch eine neuerliche Erhöhung der US-Staatsschulden-Obergrenze. Das wird geschehen, ganz sicher. Aber durch die Anhebung der Schulden-grenze wird kein einziges der diversen fundamentalen strukturellen Probleme der USA gelöst. Um im Übrigen die neuerliche Anhebung der Schuldengrenze richtig bewerten zu können, muss man den Hintergrund kennen: Laut Bericht des Congressional Research Service von April 2011 wurde die US-Schuldengrenze seit März 1962 insgesamt 74 Mal verändert und seit dem Haushaltsjahr 2001 stieg die Schuldengrenze von 5.950 Milliarden Dollar auf 14.290 Milliarden Dollar in 2010. (6)

Zu den Verschuldungs- und Haushaltsproblemen Washingtons kommen jedoch noch die zahlreicher US-Bundesstaaten hinzu, die ebenfalls hoch verschuldet sind und zum Teil an der Grenze der Zahlungsunfähigkeit stehen. (7) Im US-Staat Minnesota ist die Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten. (8)

Das alles spielt jedoch bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der USA seitens der großen drei Ratingagenturen bisher keine Rolle: Die USA bekommen von Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch unverändert die beste Bonitätsnote.

Und auch im Fall des US-Bundesstaats Minnesota halten sich die Auswirkungen der Zahlungsunfähigkeit auf die Kreditwürdigkeitsbewertung in Grenzen: Fitch stufte Minnesota von der höchsten Note "AAA" nur geringfügig herab, auf "AA+". (9)

Messen also die großen drei Ratingagenturen mit zweierlei Maß?

Während viele Fachleute dies längst bejahen - erst jüngst wieder zum Beispiel Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank (10) - und die simple Mechanik des Spiels an den Finanzmärkten durchschauen (11), bemühen sich die für die Euro-Zone Verantwortlichen nach wie vor darum, es den Ratingagenturen und den Finanzmärkten recht zu machen. Dabei ist längst klar, dass ihnen das gar nicht gelingen kann, sondern dies ein fortlaufendes finanzielles Ausbluten der EU sowie die Beschädigung des Euros und letztlich der Wirtschaftsbasis der EU zur Folge haben muss.

Eine konsequente Beendigung dieses Spiels ist die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern. Ein erster wichtiger Schritt wäre es, die Ratingagenturen jetzt aus aktuellem Anlass kurzfristig und ultimativ zur Aufdeckung ihrer Bewertungskriterien aufzufordern. Sollten sie dazu nicht umgehend und vollumfänglich bereit sein, wäre die Basis für ihre Zulassung in der EU nicht mehr gegeben und infolgedessen auszusetzen. Rating-kompetenz existiert auch in der EU und die Ratings für Staaten könnte zumindest übergangsweise auch die EZB vornehmen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

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