Sonntag, 21. August 2011

Washington pokert. Sind die USA noch zu retten?


Kurz vor Beginn der neuen Woche herrscht Anspannung bei Finanzmarktakteuren, Notenbankern und Politikern. Wird sich die Talfahrt an den Aktienmärkten fortsetzen oder nicht? Das ist die Frage, die viele beschäftigt und die niemand im Vorhinein zuverlässig beantworten kann. Doch mittlerweile wird realisiert, dass es a) zu viele ungelöste Probleme gibt und b) den politischen Entscheidern die passenden Lösungen fehlen, weswegen c) die wirtschaftlichen Aussichten eher düster sind. Die aktuell nachdrücklich betonten positiven Wirtschaftsprognosen von Experten und Lobbyisten für Deutschland, vermögen bedingt durch die gefährlich hohe Exportabhängigkeit niemanden wirklich zu überzeugen.


Und während sich in Europa alle Gedanken über die prekäre Lage des Wirtschaftszwergs Griechenland machen, das mit dem zwangsweise verordneten Austeritätskonzept auf eine ungebremste wirtschaftliche Talfahrt geschickt wurde, wächst in der weltgrößten Volkswirtschaft USA die Angst vor einer neuen Rezession. Anders als in den europä-ischen Schuldenstaaten herrscht dort indes politische Lähmung, das heißt es geschieht seit Monaten rein gar nichts, um die beginnende wirtschaftliche Talfahrt und die zugleich unvermindert weiter ansteigende Staatsverschuldung zu stoppen. Und wer vermag zu sagen, ob es nicht am Ende um eine neue Depression geht? 45,753 Millionen Essens-markenempfänger (Stand Mai 2011) gibt es in den USA mittlerweile schon - um nur einmal ein Beispiel für den Ernst der Lage zu geben. Das ist deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands, die dort in bitterer Armut lebt - und die US befinden sich noch gar nicht in einer Rezession.

Amerika pokert! Denn wenn man das Handeln Washingtons einmal auf eine griffige Formel zu bringen versucht, dann richtet es sich allein auf den Erhalt der wirtschaftlichen (und militärischen) Vormachtstellung - und die steht und fällt letztlich mit dem Dollar.

Nicht nur China und Russland sägen am Leitwährungsstatus des Dollars. Auch die BRIC-Staaten und ebenso die Schweiz leiden unter der lockeren Geldpolitik und der immer wieder laufenden Gelddruckmaschine der Fed. Immer mehr schwindet in aller Welt die Bereitschaft, für die verantwortungslose Verschuldungspolitik der USA zu bezahlen. Und auch immer weniger sind bereit, Öl und viele Rohstoffe in Dollars handeln oder bezahlen zu müssen.

So gesehen wird die Luft für die USA immer dünner. Denn wie bei jedem Pokerspiel funktioniert ein Bluff nur dann, wenn er nicht durchschaut wird. Der Weltöffentlichkeit dämmert jedoch immer mehr, dass die USA nicht unverändert die starke Weltmacht und jederzeit in der Lage sind, die eigenen Probleme und zusätzlich auch noch die anderer zu lösen - so groß sie auch sein mögen. Die Abwertung der US-Bonität durch Standard & Poors erfolgte zu einem Zeitpunkt, an dem das ohnehin den meisten längst klar war. Dennoch ist dieser Schritt vielleicht auch der Punkt gewesen, an dem die Aussicht, mit dem Bluff durchzukommen und den Status Quo halten zu können, unwahrscheinlich zu werden begann.

Vor diesem Hintergrund gelangen die USA nun an den Punkt, an dem zu entscheiden ist, ob weiter gepokert wird. Das wäre keine Frage, wenn Washington in der Lage wäre, seine Probleme selbst zu lösen. Doch genau das ist vermutlich der Knackpunkt: Sind die USA dazu überhaupt noch in der Lage?

Die Parallele zur Griechenland-Krise drängt sich auf. Auch dort sind viele Fachleute überzeugt, dass Griechenland seine Probleme nicht mehr aus eigener Kraft lösen kann. Doch Griechenland ist Teil der Europäischen Union und wird von dieser aufgefangen und unterstützt. Aber wer könnte die USA auffangen und bei der Lösung seiner Probleme unterstützen?

Genau diese Frage kann Washington nicht mehr gänzlich ignorieren. Wenn der Rest der Welt das Weginflationieren der US-Schulden über lockere Geldpolitik und die Gelddruck-maschine nicht mehr mitzutragen bereit ist, dann bleibt nur noch eine Alternative: Die USA müssen sich von der Weltgemeinschaft bei der Lösung ihrer Probleme helfen lassen. Dann wird es um Schuldenerlass und, je nachdem wie ernst die wirtschaftliche Krise der USA am Ende wirklich ist, auch um eine Art Marshall-Plan für die USA gehen.

Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die USA mit ihrer bisherigen Strategie nicht mehr weiter kommen. Dass Ben Bernanke vor wenigen Wochen ein drittes Anleihenaufkauf-programm (QE3) in Aussicht stellte und wenige Tage später wieder zurückruderte, ist ein solches Zeichen. Der Druck, die Geldmaschine nicht mehr anzuwerfen, kommt nicht nur von außen - insbesondere von China -, sondern auch von innen. Viele US-Bürger und -Politiker wollen die Demontage des Dollars nicht mehr länger akzeptieren. Wie erzürnt sie sind, zeigt auch die Tatsache, dass jüngst etwa Rick Perry, Gouverneur von Texas, ein drittes Anleihenaufkaufprogramm in die Nähe des Landesverrats rückte.

Vor diesem Hintergrund könnte auch die für Dienstag erwartete Entscheidung, ob das sehr umstrittene Verfahren gegen den ehemaligen IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn eingestellt wird, ein solches Zeichen sein. Dass Verfahren einzustellen, dass realistisch betrachtet für die US-Staatsanwaltschaft ohnehin kaum zu gewinnen sein dürfte, weil letztlich Aussage gegen Aussage steht, wäre unter dem Strich eine versöhnliche Geste in Richtung Europa. Jedenfalls wäre es das für all jene, die argwöhnen, die Verhaftung und Anklage Strauss-Kahns sei politisch motiviert gewesen. Das sind wohl nicht wenige. Es mag schon sein, dass es so war oder auch nicht. Zweifelsohne hatte Strauss-Kahn die prekäre Lage der USA und die Möglichkeiten zur Sicherung des Weltwährungssystems im Auge und ein dollarzentriertes war es möglicherweise nicht.

Die neue Börsenwoche wird mitentscheiden, ob die USA ihre bisherige Strategie noch eine Weile beibehalten können. Viele Karten können sie nicht mehr ziehen. Gewinnen können sie die Pokerpartie allerdings wohl nicht mehr.

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