Donnerstag, 3. November 2011

Giorgos Papandreou - Rebell für einen Tag


So schnell kann es gehen. Das Volk entscheiden zu lassen, ist heutzutage in Griechenland und in Europa keine gute Idee. Es hätte zur Blamage für die Euro-Retter werden können. Doch auch der Vorstoß von Giorgos Papandreou war für die Retter eine Blamage. Denn er ließ zumindest den Eindruck entstehen, Papandreou hielte das Hilfskonzept für derart fragwürdig, dass er es nicht ohne den Segen seines Volkes akzeptieren könne. Wie auch immer, er wird deswegen wohl schon bald nicht mehr Ministerpräsident Griechenlands sein.
Das ändert freilich nichts daran, dass es nach wie vor überhaupt kein Konzept dafür gibt, wie die griechische Wirtschaft gestärkt und entwickelt werden kann, damit das Land sich aus der Abwärtsspirale seiner Staatsverschuldung befreien kann. Dem Druck der Politik und der Medien, die teils wirklich an den Haaren herbeigezogene Horrorszenarien für Griechenland, den Euro und – wieder mal – die Finanzmärkte zeichneten, hat Papandreou nicht standgehalten, obwohl er Recht hatte: das Krisenmanagement und vor allem das „Rettungskonzept“ der Euro-Retter für Griechenland ist diskussionsbedürftig. Eine solche Diskussion hat bisher jedoch nicht stattgefunden. Einseitige Austeritätspolitik wurde von Beginn an und wird nun, nach Papandreous Rückzieher, auch weiterhin als alternativlos verkauft werden. Das liegt nicht daran, dass Alternativkonzepte undenkbar sind. Sie wurden lediglich nie ins Gespräch gebracht. Auch der Ex-Direktor des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn hat neue Konzepte im Sinn gehabt (1) – bevor er im Zuge des Skandals im Mai zurücktrat. Geändert hat sich nichts – nicht beim IWF und nicht bei den Euro-Rettern. Der „Washington Consensus“ ist nach wie vor die zweifelhafte Richtschnur für die Sanierung hilfsbedürftiger Staaten und das heißt: Sparen, sparen, sparen.
Dank Papandreous Rückzieher haben die Euro-Retter folglich ihr Gesicht gewahrt. Sie sind quasi rehabilitiert und brauchen vorerst nicht mehr befürchten, bloß gestellt zu werden und die desaströsen Resultate ihres Krisenmanagements und ihres Rettungskonzepts für Griechenland eingestehen zu müssen. Wenn es mit Griechenland weiter bergab geht, dann liegt es eben an den Griechen. So läuft es dann auch über die Nachrichtenticker.
Wenn Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung ist, dann ist wohl vorerst keine Besserung zu erwarten. Das ist nicht nur schade für Griechenland. Es ist auch schade für die anderen Schuldenstaaten, die sich ebenfalls gesund und in den Wohlstand sparen sollen bzw. müssen – weil sie ebenfalls Hilfen in Anspruch nehmen. Es ist auch schade für die Europäische Union, deren sukzessive Zerrüttung der Preis für die Gesichts-wahrung ist.
Nicht nur die Entschlossenheit, Papandreou in die Schranken zu verweisen, hat heute für Erleichterung an den Börsen gesorgt. Auch die EZB hat mit ihrer Leitzinssenkung maßgeblich dazu beigetragen. Aus Sicht der Finanzmärkte war heute also alles in Ordnung, ein guter Tag – vorbehaltlich des Verlaufs des heute beginnenden G20-Treffens, bei dem es ja auch um strengere Regeln für die Finanzmärkte gehen soll. Für Europa war es eher kein so guter Tag.

4 Kommentare:

  1. Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, weshalb es Schade ist für die EU. Sie nimmt immer mehr faschistische Züge an und wird von den Völkern Europas in der Mehrheit abgelehnt. Ein reines Produkt der sogenannten "Eliten". Und diese wiederum fahren mit voller Absicht den Wohlstand und den Frieden in Europa gegen die Wand.

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  2. Ich hoffe, dass Sie nach meinen Ausführungen erkennen können, weshalb es schade ist, dass die EU so unklug ist. Aufgrund der Länge der Ausführungen konnte ich hier nicht posten, sodass ich meinen Link anhänge.

    http://klauskastner.blogspot.com/2011/11/schade-dass-die-eu-eliten-so-unklug.html

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  3. Hallo Herr Kastner,

    ich habe Ihren Aufsatz gelesen und damit rennen Sie bei mir offene Türen ein. Der Knackpunkt sind die Importzölle.

    Ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, einmal in einen Aufsatz die Frage zu behandeln, ob die aktuelle Schuldenkrise - Paradebeispiel Griechenland - nicht letztlich das Freihandels-Paradigma kippen muss.

    Denn vom Freihandel profitiert der Starke und der einstmals Starke, die USA, die ja das hohe Lied vom Freihandel immer gesungen haben, sehen sich aufgrund der wirtschaftlichen Talfahrt mehr und mehr in die Rolle des Verlierers gedrängt.

    Umgekehrt wird in schwachen und durch die Krise zusätzlich geschwächten Volkswirtschaften unter Freihandelsbedingungen eine wirtschaftliche Aufwärtsbewegung m. E. nicht zu erreichen sein.

    Dominique Strauss-Kahn wollte, als er noch IWF-Chef war, weg vom "Washington Consensus" - der als eine wesentliche Maßnahme zur Sanierung finanziell angeschlagener Staaten bzw. Bedingung für die gewährung von Hilfen Freihandel vorsieht.

    Im Falle Griechenland sieht man jedoch, dass der IWF - nach dem Ausscheiden Strauss-Kahns - unverändert den Washington Consensus anwendet. Und heute haben wir erfahren dürfen, dass sich nun auch Italien bei seinen Sparbemühungen vom IWF "die Hand führen" lässt.

    Ich bin auch immer dafür gewesen, den IWF in der Euro-Schuldenkrise ganz außen vor zu lassen. Stattdessen scheint er jedoch eine immer stärkere Rolle zu spielen.

    Vor diesem Hintergrund vermute ich sehr stark, dass der IWF (und vor allem die USA) Importzölle, auch wenn sie nur die Funktion von Schutzzöllen für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Volkswirtschaft haben sollen, zum gegebenen Zeitpunkt nie und nimmer akzeptieren würden. Es ist aber besonders fatal, dass die Staats- und Regierungschefs bis heute noch nicht einmal in diese Richtung zu denken begonnen haben. Vielleicht haben Sie eine Idee, wie man das ändern kann - über das, was wir hier in Blogs ohnehin schon dafür tun.

    Viele Grüße
    SLE

    PS: Ich habe denselben Aufsatz zeitgleich auch im Blog "Querschuesse" gepostet ( http://www.querschuesse.de/13114/)und lade Sie recht herzlich ein, Ihren Kommentar mitsamt Hinweis auf Ihren Aufsatz auch dort zur Diskussion zu stellen.

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  4. Hallo Herr Dr. Eichner,

    wieder ist meine Antwort zu lang und ich schicke sie als Link. KK

    http://klauskastner.blogspot.com/2011/11/brief-herrn-dr-stefan-eichner.html

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