Das vom Staatsbankrott bedrohte Zypern war
bei den Verhandlungen der Euro-Gruppe über Finanzhilfen Freitagnacht vor einer
Woche gezwungen gewesen, eine Zwangsabgabe auf Bankeinlagen zu akzeptieren. Im
Rahmen der Einlagensicherung sind Einlagen unter 100.000 Euro vor Verlust geschützt.
Trotzdem endete das Treffen mit der Entscheidung, die Zwangsabgabe auf alle
Einlagen zu erheben, was bei Investoren und Bankkunden europaweit für
erhebliche Verunsicherung gesorgt und die Gefahr eines Bank Runs auf in Zypern heraufbeschworen
hatte.
Wie hoch der dadurch angerichtete
Vertrauensschaden ist, wird erst in den kommenden Wochen an Zahlen zur Höhe der
Kapitalabflüsse bei europäischen Banken und, sofern Institute dadurch bedingt in
Schwierigkeiten kommen sollten, an eventuell notwendig werdenden
Stützungsmaßnahmen ablesen können.
Zyperns Parlament hat den nachtäglich von
der Euro-Gruppe zwecks Schadensbegrenzung eingeräumten Spielraum für die Ausgestaltung
der Zwangsabgabe nicht genutzt, sondern das gesamte Rettungspaket abgelehnt. Regierung
und Parlamentarier Zyperns sind nun im Begriff, ein eigenes, alternatives
Rettungskonzept zu beschließen. Für wesentliche Bestandteile ist das bereits
geschehen.
Der neue Stand
- die Einrichtung eines Solidaritätsfonds zur Ausgabe von Notanleihen für die Rekapitalisierung der Banken, das heißt konkret der beiden größten, hoch verschuldeten Banken des Landes, Laiki Bank und Bank of Cyprus; als Sicherheiten sollen Mittel der orthodoxen Kirche Zyperns und der Rentenkasse sowie die Goldreserven der heimischen Notenbank dienen, wobei inzwischen jedoch von der Heranziehung der Rentenkasse wieder Abstand genommen worden sein soll;
- Kapitalverkehrskontrollen, um verhindern zu können, dass durch Abhebungen und Überweisungen ins Ausland massenhaft Gelder abfließen;
- ein Gesetz zur die Restrukturierung des Bankensektors, das die Zerschlagung von Banken und damit die geplante teilweise Abwicklung der in Schieflage geratenen zweitgrößten Bank des Inselstaates (Laiki Bank) erlaubt; die 361.000 Sparer mit Einlagen unterhalb von 100.000 Euro bei der Bank sind geschützt, während jene mit Einlagen über 100.000 Euro abwarten müssen, ob und wenn ja wie viel sie davon nach der Restrukturierung wiederbekommen; durch die teilweise Abwicklung der Laiki Bank soll sich der die Restrukturierung der Banken erforderliche Betrag um 2,3 Milliarden Euro reduzieren;
- inzwischen haben sich Zypern und Troika auch auf eine Regelung für die Zwangsabgabe geeinigt; demnach soll jetzt auf Einlagen von über 100.000 Euro bei der in Schieflage geratenen größten zyprischen Bank, bei der die meisten Guthaben vermögender Ausländer liegen, nämlich der Bank of Cyprus, eine einmalige Abgabe in Höhe von 20 Prozent und bei allen anderen Banken in Höhe von 4 Prozent erhoben werden. (3)
Am Sonntag soll in einem Treffen von
Staatspräsident Anastasiades Zypern mit Ratspräsident Herman Van Rompuy, José
Manuel Barroso, Mario Draghi und Christine Lagarde in Brüssel das Alternativkonzept
erörtert werden. (4)
Das ist eine Premiere für Europa:
Es gibt erstmals ein Alternativkonzept zur Sanierung der Staatsfinanzen – für Zypern.
Denn die Euro-Retter und insbesondere auch
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erzählen
uns seit Anfang 2010, das heißt seit dem Beginn der Griechenland-Krise, regelmäßig
immer wieder Folgendes:
Es gibt keine Alternative zu dem jeweils von der sogenannten Troika (EU-Kommission, EZB und IWF) in allen europäischen Schuldenstaaten nahezu unterschiedslos forcierten Sanierungskonzept für die Staatsfinanzen.
Das erklärt die zum Teil verstört, in
jedem Fall aber höchst irritiert wirkenden Reaktionen von führenden Politikern der
Euro-Gruppe auf das unerwartete „Nein“ der Parlamentarier des kleinen
Inselstaats Zypern sowie auf die Ankündigung, es werde ein eigener Rettungsplan
ausgearbeitet und dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt.
Verärgert hat zudem viele Euro-Retter,
unter anderem auch die Bundeskanzlerin (5), dass über Tage hinweg Funkstille
zwischen Nikosia und den Euro-Rettern herrschte. Zypern ließ Brüssel und die
Euro-Gruppe in der Luft hängen. Das haben sich die Verhandlungsführer jedoch
selbst zuzuschreiben.
Zwischenzeitlich wurden Zypern und das,
was über den „Plan B“ durchsickerte, über die Medien in einer die Wirklichkeit
verzerrenden Weise schlecht geredet.
Dazu zwei Beispiele:
Das Geschäftsmodell Zyperns
Herbe Kritik wurde am „Geschäftsmodell“
Zyperns geübt, dessen Kern Finanzgeschäfte, extrem anleger-freundliche
Bedingungen und niedrige Steuern sind. Die Bundeskanzlerin erklärte es
beispielsweise sogar für gescheitert. (6) Es wurde der Eindruck erweckt, als
sei dieses Geschäftsmodell die Ursache allen Übels.
Richtigerweise wurde zwar darauf
hingewiesen, dass die Bilanzsumme des zyprischen Bankensektors das 7,1-fache des
Bruttoinlandsprodukt Zyperns beträgt, der damit ungesund aufgebläht ist.
Allerdings scheint es niemanden zu stören, dass die Bankenbilanzsumme in
Luxemburg etwa das 21-fache des Bruttoinlandsprodukts ausmacht (7).
Klar, in Luxemburg gibt es keine
Pleitebanken und das Land muss auch nicht gerettet werden. Steuervermeidung,
Steuerflucht und mithin, wie im Falle Zyperns der Vorwurf lautet – zum Teil
pauschal mit dem Hinweis auf den relativ hohen Anteil russischer Anlagen (ca.
28 Prozent (8)) und Finanzgeschäfte auf der Insel –, auch Geldwäsche, sind
alles Probleme die im Zusammenhang mit diesem Geschäftsmodell auftreten. Es
kann aber nicht angehen, dass ein und dasselbe Geschäftsmodell in einem Fall
verurteilt und als Quell allen Übels darge-stellt wird (Zypern) und im anderen nicht
(z.B. Luxemburg, Irland, britische Kanalinseln oder London) – so wie es gerade
passt. (9)
Das gilt erst recht vor dem Hintergrund
der Tatsache, dass die Europäischen Staats- und Regierungschefs es in all den
Jahren seit der Lehman-Pleite nicht geschafft haben, die Regeln so zu verändern,
dass die Möglichkeiten für Steuervermeidung, Steuerflucht, Geldwäsche und für
einen in Relation zur Größe einer Volkswirtschaft exzessiv aufgeblähten, hoch
riskanten Finanzsektor innerhalb der Europäischen Union wirksam eingeschränkt
werden. Im Gegenteil, sie haben diese Möglichkeiten ja überhaupt erst
geschaffen und dann mit dem Hinweis auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit
vehement verteidigt, was nicht zuletzt für Großbritannien gilt.
Das alternative Rettungskonzept
Was das alternative Rettungskonzept Zyperns
anbelangt, so stößt jetzt vor allem auf starke Ablehnung, dass Zypern Mittel
aus der Rentenkasse als Sicherheit für den Solidaritätsfonds heranzuziehen
plante. So wird etwa Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) mit den Worten
zitiert, „Wir können nicht akzeptieren, dass die Renten der Menschen verpfändet
werden“ (10) und auch die Kanzlerin sagte, für den geplanten Solidaritätsfonds
die Pensionskasse anzuzapfen, komme nicht in Frage (11).
Das ist für sich genommen eine begründete und
nachvollziehbare Kritik. Freilich darf man sich darüber wundern, seit wann in
Berlin darüber entschieden wird, was die Zyprioten mit ihrer Rentenkasse machen.
Zudem ist zu fragen, wie diese Haltung mit der drastischen Kürzung von Renten in
Einklang zu bringen ist, die unter anderem im Gegenzug zu Finanzhilfen von den
europäischen Krisenstaaten gefordert und durchgesetzt wurden und warum es
keinerlei moralische Bedenken gab, als das mit Finanzhilfen gestützte Portugal
im Jahr 2011 6 Milliarden Euro (12) und 2012 2,7 Milliarden Euro (13)
aus dem Pensionsfonds privater Banken in die Staatskasse verschob, um sein
Haushaltsdefizit aufzuhübschen und sich damit für weitere Tranchen der
Finanzhilfe zu empfehlen.
Fazit
Einem Bericht von Reuters zufolge wurde
das am Freitag vor einer Woche beim Treffen der Euro-Gruppe in Brüssel
beschlossene Rettungspaket für Zypern im Wesentlichen in Verhandlungen in
kleiner Runde festgeklopft. (14) Das Ergebnis bzw. unverantwortliche Desaster haben
demnach vor allem zu verantworten: die Verhandlungs-führer von Europäischer
Kommission und EZB, der Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, Bundesfinanz-minister
Wolfgang Schäuble, die IWF-Direktorin Christine Lagarde sowie Zyperns
Staatspräsident Anastasiades und sein Finanzminister.
Das Verhandlungsergebnis zeigt, dass
Zypern beim Treffen dazu gezwungen wurde, entweder eine Zwangsabgabe auf
Bankeinlagen zu erheben und dadurch 5,8 Milliarden abzuschöpfen oder auf die
zur Abwendung des Staats-bankrotts benötigte Finanzhilfe zu verzichten.
Eine offene und sachliche Diskussion über die
Frage, was das beste Konzept zur Rettung Zyperns ist, hat offenbar von
vornherein nicht stattgefunden. Die oben exemplarisch angesprochenen Reaktionen
der Euro-Partner auf die Ablehnung des Rettungspaketes und den von Zypern
entwickelten Alternativplan lassen zudem den Eindruck entstehen, dass dies im
Falle Zyperns auch gar nicht erwünscht ist und die Befürchtung aufkommen, dass es
sich um eine generelle Abwehrhaltung handeln könnte. Anders ausgedrückt: Die
dominierenden Vertretern in der Euro-Gruppe (insb. Deutschland) und innerhalb
der Troika (insb. IWF) scheinen vielmehr darauf fixiert zu sein, das auf die Sanierung
der Staatsfinanzen gerichtete Basiskonzept der Troika durchzuboxen, koste es
was es wolle. Dabei spielt offensichtlich auch keine Rolle, dass dieses im Zuge
der immer stärker sichtbar werdenden katastrophalen Nebenwirkungen für Wirtschaft,
Arbeitsmarkt und Gesellschaft in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien inzwischen
äußerst kritik- und diskussionswürdig geworden ist.
Das ist eine Erklärung dafür, wieso in Brüssel ein Rettungspaket
für Zypern geschnürt werden konnte, das nicht nur eine Totgeburt war, sondern
vor allem auch einen kapitalen Flurschaden anrichtete, was aber keiner der
Verantwortlichen zuzugeben bereit ist. Stattdessen wird der Versuch unternommen,
das eigene Versagen hinter einer unsachlichen Argumentation, dem Zerfleddern
des im Detail noch gar nicht bekannten Alternativkonzeptes und Drohungen zu
verbergen.
Das verheißt zunächst einmal wenig Gutes
für die neue Verhandlungsrunde über das Alternativkonzept Zyperns auch wenn die Pleite abgewendet werden dürfte. Doch andererseits
liegt erstmals überhaupt ein Alternativkonzept vor und es wird in Brüssel darüber
diskutiert werden. Das wiederum bedeutet zweierlei: Das Gerede von der Alternativlosigkeit
ist de facto als Märchen entlarvt worden und Regierungen werden ihre Ideen- und
Konzeptionslosigkeit künftig nicht mehr dahinter verstecken können.
Vielen Dank für diesen hervorragenden Beitrag. Vor allem ihr Absatz zum "Geschäftsmodell Zyperns" hat mich zum nachdenken angeregt. Ich muss in diesem Zusammenhang erwähnen, dass ich Politikwissenschaften studiere und gerade für eine Ausarbeitung zum Thema recherchiere. Ihr Beitrag hat mir wirklich sehr geholfen!
AntwortenLöschenHallo Julia,
AntwortenLöschendas freut mich. Nutzen Sie auch die von mir im Text verlinkten Artikel dazu (Ziffern in Klammern anklicken).
Viele Grüße
SLE
Hi der Beitrag ist wirklich hervorragend. Wir haben uns auch mit dem Thema auseinander gesetzt.
AntwortenLöschenWir denken, dass die Rettung vielleicht über den Tourismus erfolgen könnte. Mehr dazu in unserem Blog:
http://www.rts.de/news/zyperns-chance-liegt-im-tourismus-46719.html