Montag, 27. Mai 2013

Kursrutsch Nr. 2 in Tokio: Warnschuss gegen „Abenomics“



Nachdem der Nikkei am Donnerstag um 7,32 Prozent eingebrochen war, sich aber am Freitag nach starkem Auf und Ab mit einem leichten Plus von 0,89 Prozent aus der Woche verabschiedet hatte, startete er zum Wochen-auftakt erneut mit einem deutlichen Minus von 3,22 Prozent.
Das ist nicht das, was sich der konservative japanische Premier Shinzo Abe und der neue Präsident der Bank of Japan von ihren Maßnahmen zur Bekämpfung der Deflation und der Wirtschaftsflaute in Japan erwartet haben.
Die milliardenschweren Stimulierungsmaßnahmen für die Wirtschaft und die ultra-lockere Geldpolitik sollten die Zuversicht in die Erholung der japanischen Wirtschaft stärken und die Anleger in die Aktienmärkte treiben. In den vergangenen Wochen hatte das geklappt. Jetzt sind erstmals die Zweifel an dieser „Abenomics“ genannten Politik durchgeschlagen. Der Kurseinbruch in der vergangenen Woche ist kein Ausrutscher gewesen. Das ist heute klar geworden.
Die Sorge, dass die Rechnung des Premiers nicht aufgehen könnte, rückt Japans Schuldenproblem in den Fokus und verleiht den Zinsen Auftrieb. Die Bank of Japan musste letzte Woche gegensteuern, indem sie zusätzliche 19,4 Milliarden Dollar in den Markt pumpte. (1) Doch den neuen Notenbankchef Haruhiko Kuroda schreckte der heftige Aktien-Kursrutsch in der vergangenen Woche offenbar noch nicht. Er beschwichtigte. Ein Zinsanstieg auf bis zu 3 Prozent sei zu verkraften – vorausgesetzt die Preise stiegen und die Wirtschaft entwickele sich positiv. Anzeichen für Übertreibungen bzw. Blasen auf den Finanzmärkten gebe es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, signifikante Hinweise auf mögliche Instabilitäten im Finanzsystem lägen nicht vor. (2)
Nun ja, …
Im Vergleich zum Schlussquartal 2012 ist Japans Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2013 um 0,9 Prozent gewachsen. Das ist ein gutes Zeichen. Andererseits gingen die Investitionen in Anlagen im fünften Quartal in Folge zurück, nämlich um 0,7 Prozent. Das ist kein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft Fahrt aufnimmt. (3) Und während der deutlich gesunkene Außenwert des Yen Japans Exporte stützt, was gewünscht ist, verteuert er zugleich die Importe. Das wiederum kann sich negativ auf den im ersten Quartal 2013 um 0,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegenen Konsum auswirken, der etwa 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Japans ausmacht. (4)
Der Kursrutsch am vergangenen Donnerstag hing wesentlich mit dem vorläufigen HSBC Einkaufsmanagerindex (Flash HSBC PMI) für Chinas zusammen – diese Woche folgt die endgültige Fassung –, der erstmals seit Oktober wieder unter die 50-Punkte-Grenze fiel (von 50,4 für April auf 49,6 Punkte) und damit auf eine Kontraktion der Wirtschaft hindeutet. Der Sub-Index für die Auftragseingänge fiel demnach sogar noch etwas tiefer, nämlich auf 49,5 Punkte. (5)
Chinas bisheriger wirtschaftlicher Erfolg basiert auf seinen Exporten. Zwar ist die neue chinesische Führung dabei, ein neues Wachstumsmodell zu suchen, das sich auf eine starke Binnennachfrage sowie zudem auf Innovation und nicht mehr auf niedrige Kosten stützen soll. Ob das aber gelingt, ist jedoch noch unklar zumal das neue Konzept überhaupt erst im Herbst vorgestellt werden soll. (6) Einstweilen verlangsamt sich aber das exportgetriebene Wirtschaftswachstum in China.
In diesem Zusammenhang ist die starke negative Reaktion der Börse in Tokio zu sehen. Im Übrigen ließ der Flash HSBC PMI aber auch die Kurse der Aktien großer europäischer Autohersteller einbrechen ließ, die bisher in China erhebliche Wachstumschancen realisieren konnten und immer noch dort sehen. (7)
Chinas Wachstumsperspektiven können die Exportnation Japan nicht kalt lassen – vor allem deswegen nicht, weil China neben den USA Japans wichtigster Handelspartner ist. Im vergangenen Jahr hatte sich das nur zu deutlich gezeigt, als in China japanische Unternehmen und Produkte im Zuge des Streits um die Senkaku Inseln boykottiert worden waren. Im September waren die Exporte Japans nach China um 14,1 Prozent eingebrochen und insgesamt – auch wegen der Krise in Europa – um 10,3 Prozent. (8)
Die aktuellen Kurseinbrüche an der Börse in Tokio zeigen, wie groß die Unsicherheit über den Erfolg der „Abenomics“ und die wirtschaftlichen Perspektiven wirklich ist: Vielleicht ist es aber auch eher der Schrecken über die möglichen negativen Folgen des Scheiterns dieser Politik für Japan und die Finanzmärkte.
Doch selbst wenn nun die Euphorie über die aggressive Geldpolitik der Bank of Japan, die die Aktienkurse an der Börse in Tokio rasch klettern ließ, lediglich verflogen ist und die Kurse sukzessive wieder auf ein vielleicht realistischeres Niveau eingedampft werden, wäre das vom Resultat her bereits ein herber Rückschlag für die „Abenomics“. Denn die Zuversicht der Märkte in Japans wirtschaftliche Erholung, die Abe mit seiner Politik schaffen wollte, wäre damit schließlich wieder futsch.
Für Premier Shinzo Abe kommen der Kursrutsch und die neuen Zweifel an seiner Krisenpolitik in jedem Fall höchst ungelegen. Denn im Juli finden in Japan Oberhauswahlen statt, die er gerne gewinnen würde. Bisher hat seine Partei dort keine Mehrheit. Schafft seine Partei es, dann hat sie die Mehrheit in beiden Häusern und er damit politisch endgültig freie Bahn. Ob ein derart starker Abe für Japan etwas Gutes bedeutet, das ist fraglich - und keineswegs nur in wirtschaftlicher Hinsicht (siehe dazu (9)).

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