Angela Merkel hat die Bundestagswahl definitiv
gewonnen, ja. Peer Steinbrück kam als ihr Herausforderer nicht einmal annähernd
an ihre Popularität heran. Er war für die Mehrheit schlicht keine glaubwürdige
Alternative.
Er war es nicht, weil er als Mann des SPD-Wirtschaftsflügels
und Befürworter von Gerhard Schröders Agenda 2010 die Rückbesinnung der SPD auf
ihr Kernthema „soziale Gerechtigkeit“ verkaufen sollte. Und er war es nicht,
weil er zwar die Regierungspolitik von Schwarz-Gelb pointiert und mithin
treffend kritisieren, aber keine die Mehrheit überzeugende alternative Politikkonzeption
präsentieren konnte. Das mag auch damit zusammenge-hangen haben, dass er in der
letzten Großen Koalition als Bundesfinanzminister gemeinsam und in höchster
Übereinstimmung mit Angela Merkel Krisenpolitik gemacht hat.
Auf der anderen Seite hat Schwarz-Gelb die
Wahl definitiv verloren. Mehr noch hat es weder für die FDP noch für die neue
Alternative für Deutschland (AfD) gereicht. Das ist erstaunlich.
Nun kann man sagen, die eurokritische
Haltung der AfD hat nicht so viel Widerhall gefunden. Tatsache ist aber auch,
dass beide Parteien, FDP und AfD, ganz klar für eine wirtschaftsliberale
Politik stehen. So betrachtet kann man sagen, dass es keine Zustimmung für eine
starke – wie auch immer geartete – wirtschaftsliberale Regierungskoalition
gegeben hat. Es ist im Übrigen daran zu erinnern, dass nicht nur die AfD,
sondern bisweilen auch FDP-Chef Rösler den Austritt Griechenlands aus dem Euro befürwortet
hatte.
Wie auch immer, einen wirtschaftsliberalen
Partner haben die Wähler nicht an die Seite von Angela Merkels Union gewählt. Der
Union stehen nun im Bundestag drei Parteien gegenüber, die auf der linken Seite
des Politik-spektrums verortet werden. Das ist ein Novum.
Sagt uns der Wahlausgang folglich, dass die
Bundesbürger eine neue Große Koalition gewählt haben? Sagt uns das, dass die
Union mit Angela Merkel an der Spitze weiterregieren kann?
Würde die Rhetorik in Presse und Medien folglich
beibehalten, müsste jetzt vor dem Hintergrund einer tatsäch-lichen
parlamentarischen Mehrheit für Rot-Rot-Grün auch davon die Rede sein, dass de
facto Rot-Rot-Grün die Wahl gewonnen hat. Das gilt umso mehr, als die Wähler
auch bei der Landtagswahl in Hessen die Linkspartei überraschend ins Parlament
gewählt haben und damit rechnerisch Rot-Rot-Grün gewonnen hat.
Wer den Wahlkampf und den gestrigen
Wahlabend verfolgt hat, der wird zu dem Schluss gelangen, dass sich die Spitzen
von SPD und Grünen in Berlin selbst überschätzt und damit bis zum Wahltag den Realitäten
verweigert haben. Denn in den letzten Monaten hat es laut Umfragen nie eine
Mehrheit für die von ihnen selbst herbeige-sehnte rot-grüne Regierung gegeben. Es
gab auch keinen erkennbar positiven Trend bei den Zustimmungswerten für Rot-Grün.
Gleichwohl gibt es jetzt aber eine
Mehrheit von Rot-Rot-Grün im neuen Bundestag und damit für jene drei Parteien,
die sich in der Wahrnehmung der Wähler als Befürworter von mehr sozialer Gerechtigkeit
präsentiert haben.
Die Wahlkampfstrategien von SPD und Grünen
sind jedoch nicht aufgegangen. Die den Wählern von ihnen angebotene Rot-Grüne
Koalition hat im Wahlkampf der letzten Monate nicht überzeugt und es ist natürlich
ihre Sache zu analysieren, woran das lag.
Doch weil sie sich im Wahlkampf klar gegen
die Politik von Schwarz-Gelb positionierten und über Wochen alles darauf
hingedeutet hatte, dass es für Rot-Grün nicht reichen würde, möglicherweise
aber für Rot-Rot-Grün, wirkt die kategorische Verweigerungshaltung der Wahlkampf-
und Parteispitzen von SPD und Grünen gegenüber Koalitionsgesprächen mit der Linkspartei
wie eine Kombination aus Frust über das eigene Unvermögen und Trotz.
Weil Spitzenvertreter der SPD einer großen
Koalition am gestrigen Abend nicht die Tür öffnen wollten, die Grünen-Führung einer
rechnerisch möglichen Koalition mit der Union eine Absage erteilte und SPD und
Grüne Gespräche mit der Linken geringschätzig als völlig undenkbar abqualifizierten,
sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern Abend im Fernsehen bei
Günther Jauch etwas sehr Wahres, nämlich dass im Grundsatz demokratische
Parteien immer dazu in der Lage sind, miteinander Gespräche zu führen und eine Regierung
zu bilden.
Nun, gestern Abend ist jedenfalls der
Eindruck entstanden, dass SPD und Grüne das nicht können.
Nachdem sie mit ihrer Wahlkampfstrategie
Schiffbruch erlitten haben, stehen sie mit den von ihnen zuvor gegebenen
Versprechen, mit wem sie nicht koalieren wollen, selbst genauso sehr jenseits
der Realität wie die CSU mit ihrer Pkw-Maut für Ausländer. Die Partei-Granden
von SPD und Grünen stellen das Bild, das sie selbst von sich und ihrer Partei
haben und pflegen über das, das die Wähler von ihnen und von den beiden
Parteien haben. Selbstwahrnehmung und Wählerwahrnehmung stimmen offenbar nicht überein.
Die SPD hat nicht mehr das Monopol auf das Thema soziale Gerechtigkeit und die
Grünen sind nicht der heranwachsende grüne SPD-Zwilling.
SPD und Grüne betrügen damit sich selbst und ihre Wähler. Denn es gibt nun
ungeachtet des herausragenden Wahlsieges von CDU/CSU keine Mehrheit mehr im Bundestag für die Fortsetzung der Politik und
insbesondere auch der europäischen Krisenpolitik der Union. Das ist eine
Tatsache.
SPD und Grüne sind mit diesem Wahlausgang jedoch
gänzlich selbstverschuldet in eine sehr unangenehme Lage geraten. Sie müssen sich
nun gegenüber den Wählern zwischen dem Erhalt der Glaubwürdigkeit ihrer Wahlkampf-
und Parteispitzen und dem Erhalt der
Glaubwürdigkeit dessen, wofür die beiden Parteien
stehen und eintreten wollen, entscheiden.
Wenn der Wahlkampf von SPD und Grünen für mehr
soziale Gerechtigkeit und einen anderen krisenpolitischen Kurs in Europa ernst
gemeint war, dann riskieren beide Parteien ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie angesichts
der Koalitionsmöglichkeiten im neuen Bundestag nicht jeden Versuch unternehmen,
um das auch umzusetzen. Ob solche Versuche am Ende auch zu einer Koalition
führen und zu was für einer, das ist eine andere Sache. Wohin es uns führt, ist
ebenfalls eine andere Sache. Doch so oder so ist es nun einmal das, was wir
gewählt haben.
NEIN - bloss nicht !!! zwingt sie in die Minderheitsregierung und boykottiert all ihre Entscheidungen. Damit helft ihr Deutschland am meisten !
AntwortenLöschenHallo Herr Eichner,
AntwortenLöschenOffensichtlich haben die Wähler dem Marktradikalismus eine Absage erteilt. Trotzdem wird Kritik an diesem System gerne als "nicht Politikfähig" bezeichnet. Diese Verweigerung wird sich rächen. Ich sehe die Verantwortung diesmal aber nicht bei Wählern oder Parteien sondern bei den Medien. Innerhalb der Parteien wird es vielleicht zu einer Auseinandersetzung zwischen Systemkritikern und Systembefürwortern kommen müssen, und dieses Systemkritiker gibt es in allen Parteien des Bundestages.
Obwohl wir eine Linke Mehrheit haben und vielleicht sogar eine Mehrheit dafür die Martwirtschaft zukunftsfähig zu reformieren, zittern die Parteien vor der Macht der Bild Zeitung. Nicht die Zukunft des Landes, sondern die Zukunft der Parteien wird die Koalitionsverhandlungen bestimmen.
In den öffentlich-rechtlichen und den anderen "Leitmedien" gibt keinen Konflikt um das System. Die Diskussionen drehen sich um Stinkefinger oder Pädophilievorwürfe, oder ob die Grünen das Steuerthema zu sehr in den Vordergrund gestellt haben. Wie immer unterliegt die Diskussion um Zukunftsthemen in den "seriösen" Medien einer rigorosen Selbstzensur. Auch dort hat man Angst vor einer Bild Zeitung die dazu in der Lage ist eine Frau Merkel an die Macht zu schreiben.
Es ist nicht die Vernunft der Stunde, sondern einige Skrupelose Lohnschreiber des Springerverlages, die es in der Hand haben welche Politik den Vorzug erhält. Es ist die Verantwortung dieser Texthuren wenn wir bald ein Brüning - dejavu erleben.
Gruß
AlienObserver
Hallo alien observer,
Löschenich sehe das nicht so einseitig. Den Politikern geht es im Grunde eher wie Goethes Zauberlehrling, die die Geister rief und dann nicht mehr los wird.
Viele Politiker sind heute nicht auf die Wähler fokussiert, sondern auf Presse, Medien und Talkshows. So erreicht man natürlich leichter die große Masse der Wähler, als wenn man die auf Veranstaltungen oder gar einzeln überzeugen müsste. Aber wer die Medien um des politischen Erfolges nutzt, der darf sich nicht wundern, wenn seine Karriere auch auf dem gleichen Wege zerstört werden kann.
Die Abgeordneten und Parteien haben es doch in der Hand, sich Regeln oder einen Kodex zu geben, um diese Möglichkeiten und damit auch die Abhängigkeit von den Medien zu begrenzen.
Grüße
SLE
Geile Geschichte: "Regierung abgewählt - Regierungschefin fulminant bestätigt!" War die Bleierne die letzten 4 Jahre auf Kaderschulung?
AntwortenLöschenDas Wahlergebnis ist für die SPD die Chance, sich in einer starken Opposition klar zu positionieren und zu organisieren.
AntwortenLöschenEs besteht die Möglichkeit, in den einzelnen Sach- und Fachgebieten quasi ein Kompetenzteam aufzubauen, das in den nächsten 4 Jahren den Wähler mit sachlicher, fachlicher Kompetenz überzeugt und gewinnt.
Das macht dann die ganze Partei in der Wahrnehmung der Wähler wesentlich glaubwürdiger. Das ewige geschachere um Posten und Positionen nach der Wahl, vom Gesundheitsminister zum Wirtschaftsminister, vom Wehrdienstverweigerer zum Verteidigungsminister, der Quote halber zur Familienministerin u.s.w. fällt dann weg.
Wirtschaftlich wird es die Kanzlerin mit Ihrer Partei nicht schaffen, Deutschland innerhalb der nächsten 4 Jahre an die Wand zu fahren.
Außenpolitisch ist Deutschland in den letzten Jahren doch eh zur Lachnummer geworden.
Ich bin überzeugt, daß durch konstruktive Oppositionsarbeit eine solide Basis für die Zukunft unseres Landes geschaffen wird.
Es liegt doch klar auf der Hand, daß der deutsche Wähler mündig ist. Das Wahlergebnis zeigt, daß die Mehrheit der Wähler nicht `eingelullt´ werden will.
Die SPD, Die Linke, Bündnis90 / Die Grünen, Afd , FDP und sonstige Parteien haben die Mehrheit !
Es sollte nicht sein, daß sich eine Partei mit 150 jähriger Tradition in eine Regierungsverantwortung pressen lässt.
Grüße
Thomas Kluge
Hallo Thomas Kluge
Löschenund vielen Dank für Ihren Kommentar. Was Sie schreiben ist richtig, denke ich. Nur die Frage, ob die SPD aus der Opposition all das von Ihnen Angesprochene besser erreichen kann als aus der Regierung heraus, dürfte nicht so klar zu beantworten sein.
Ich nehme jedenfalls stark an, dass gerade jetzt und sicher auch heute, da die SPD darüber berät, wie sie weiter verfahren soll, die Erfahrungen einer Rolle spielen werden, die Rot-Grün als Minderheitsregierung in NRW gemacht hat. Das gilt sicher umso mehr, als die SPD-Ministerpräsidentin von NRW, Hannelore Kraft, vehement gegen eine Große Koalition auf Bundesebene ist.
Denn die Arbeit von Rot-Grün in NRW als Minderheitsregierung, die von den Linken toleriert wurde und deswegen möglich war, war ja offensichtlich so erfolgreich, dass das Bündnis bei den vorgezogenen Neuwahlen im Mai 2012 von den Wählern nicht nur im Amt bestätigt, sondern mit einer satten Mehrheit (50,4 Prozent bzw. 128 der 237 Sitze) ausgestattet wurde. Und NRW ist ja nun kein kleines Bundesland, mit seinen 13,2 Millionen Wahlberechtigten.
Aus meiner Sicht dürfte es der SPD schwer fallen, die Wähler aus der Opposition heraus in gleicher Weise zu überzeugen.
Es könnte deswegen gut möglich sein, dass Frau Kraft heute bei den Gesprächen der SPD-Parteispitze über den Kurs bei den anstehenden Koalitionsgesprächen in eine Zwickmühle gerät, sofern sie dabei bleibt, dass die SPD keine Große Koalition eingehen sollte. Denn was bleibt übrig, wenn die Große Koalition den SPD-Mitgliedern nicht vermittelbar und Opposition, wie Franz Müntefering sagte, Mist ist.
Viele Grüße
SLE