Ist es nicht paradox? Nachdem die
US-Demokraten gehackt und so im Wahlkampf bloßgestellt worden sind, reiten die
US-Geheimdienste auf der als Fakt verkauften These herum, Russland stecke
dahinter und habe die US-Wahl beeinflusst. Und schwupp, schon springen
Politiker der etablierten deutschen Parteien flugs und in bester
Nachkriegstradition – bei allem was man sagt und tut, immer erst zu schauen,
was die Amerikaner machen – auf diesen Zug auf. (1) So scheint es jedenfalls.
Russlands Cyberkrieg gegen demokratische Parteien im Westen?
Mit Rückendeckung der eigenen Geheimdienste
äußern deutsche Politiker nun die Sorge, auch der Bundestagswahlkampf 2017 könnte
von Russland beeinflusst und manipuliert werden. Befürchtet werden „gezielte Infiltration von außen mit dem
Ziel der Manipulation von Fakten oder Meinungen“ (Wolfgang Bosbach (CDU), „Verzerrungen und Lügengeschichten“
(Rolf Mützenich (SPD)), „dass von
Russland gesteuerte Online-Medien Fehldeutungen und Falschinformationen
verbreiten“ (Christian Lindner (FDP)) und „dass Hackerangriffe auf Parteien und Fraktionen und
Desinformationskampagnen zunehmen werden“ (Stephan Mayer (CSU)). (2)
Allein bewiesen wurden die Behauptungen von
den US-Geheimdiensten und Sicherheitsfirmen bisher nicht. Darauf hat
beispielsweise James Bramford, Autor des Buches „The Shadow Factory: The
Ultra-Secret NSA From 9/11 to the Eavesdropping on America“ und Kolumnist
bei „Foreign Policy“ in einer Analyse ausdrücklich hingewiesen. (3)
In einer weiteren Analyse befasst sich
Bramford mit der Auswertung der bisher gesammelten Hinweise. Er kommt zu dem
Schluss, dass sie nicht auf Russland, sondern viel eher auf einen zweiten und bisher
unentdeckten Edward Snowden bei der NSA hinweisen. (5)
Trump: CIA-Vorwürfe sind lächerlich – wahr oder falsch?
Nachdem zum Wochenende von namentlich
nicht genannten CIA-Mitarbeitern erneut der Eindruck erweckt worden ist, alles
deute darauf hin, dass Russland die US-Wahl beeinflusst habe (6), hat es dem
designierten neuen US-Präsidenten Donald Trump offensichtlich gereicht. Er
erklärte die CIA-Vorwürfe in einem Interview auf Fox News am Sonntag für nach
wie vor unbewiesen und mehr noch für „lächerlich“.
Jede Woche kämen die US-Demokraten mit einer neuen Ausrede für ihre
Wahlniederlage, so sein Fazit. (7)
Das mag ein wenig überspitzt sein, doch so
ganz falsch scheint Trump damit nicht zu liegen. Als der FBI-Direktor James
Comey kurz vor der Wahl ankündigte, die Ermittlungen zu Clintons-E-Mail-Affäre
würde aufgrund neuer E-Mail-Funde wieder aufgenommen, wurde dies von den
US-Demokraten als Versuch der Wahlbeeinflussung hingestellt, obwohl Comey in
seiner langen Karriere über die Parteigrenzen hinweg einen Ruf als integre
Persönlichkeit erworben hat. Mehr noch fordert nun der demokratische Senator
Harry Reid eine Untersuchung, weil er glaubt, der FBI-Direktor halte
Informationen über die behauptete Einmischung Russlands in die US-Wahl zurück.
(8)
Wer anderen eine Grube gräbt …
Was in den USA seit Monaten vor und nach
der Wahl stattfindet, hat inzwischen zunehmend mehr etwas von Verfolgungswahn oder
Verschwörungstheorie und zwar auf Seiten der Trump-Gegner, die sich allerdings zum
Teil in seiner eigenen Partei befinden. Der Alarmismus dort wirkt ebenso überzogen
wie hier, auf dieser Seite des Atlantiks und speziell in Deutschland.
Wenn in den USA trotz der schwachen
Faktenlage Russland für schuldig erklärt wird, die US-Wahl beeinflusst zu
haben, damit Trump gewinnt, dann ist es schon ein wenig befremdlich, wenn
deutsche Politiker nun mit Blick auf die Bundestagswahl dieselben Befürchtungen
äußern, so als wäre die Sache in den USA längst klar. Zudem gibt es in
Deutschland überhaupt keinen starken „Populisten“, der tatsächlich eine
realistische Chance haben könnte, die Bundestagswahl zu gewinnen.
Was soll man also dazu sagen? Willkommen
im „postfaktischen Zeitalter“, das von Journalisten der traditionellen Medien
und eben jenen Politikern ausgerufen wurde, die damit eigentlich das Verhalten
von Populisten und ihren Anhängern meinten, nicht sich selbst. Willkommen in
der Ära also, in der angeblich nicht mehr die Fakten zählen, sondern Emotionen (9)
und in der „Fake News“ bzw. Lügengeschichten verbreitet werden. Wie wahr!
Doch denken Politiker etablierter
Parteien, wenn sie in diesem Zusammenhang von einer „verwilderten politischen
Kultur“ sprechen (10), auch an die nicht geringe Zahl von Fällen, in denen sie
selbst Fakten ignorieren oder in denen Parteimitglieder beispielsweise ihren
Doktortitel durch Abschreiben erschlichen (Plagiate-Skandal) oder ihren
Lebenslauf aufpolierten (11)? Wohl eher nicht.
„Postfaktisch“ als Retourkutsche für „Lügenpresse“
Insofern überrascht es ebenso wenig, dass
die Gesellschaft für deutsche Sprache in den Refrain der Journalisten und
Politiker einstimmte und den auf Anhänger von „Populisten gemünzten Begriff „postfaktisch“
postwendend zum Wort des Jahres 2016 kürte, womit sie allerdings nur nachvollzog,
was ein paar Wochen zuvor auf internationaler Ebene („post truth“ als Wort des
Jahres) vorgekaut worden war. (12)
Das sieht möglicherweise nicht ganz
zufällig nach einer Art Retourkutsche der Vorwürfe aus dem den etablierten
Parteien gegenüber kritisch eingestellten Teil der Bevölkerung aus, der den
Begriff „Lügenpresse“ aus der Taufe gehoben hatte, um so mangelnde Objektivität
und behauptete Falschmeldungen der Mainstreammedien anzuprangern. Diese
Bezeichnung war nach der höchst umstrittenen, einseitigen Berichterstattung der
deutschen Medien im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise aufgekommen. Die
Botschaft hier: Nicht die Medien berichten falsch, sondern ihr erkennt die „Fakten“
nicht an.
Die Wahrheit über Demokraten und Populisten
Inzwischen werden all jene, die sich zu
Sprechern dieser Bevölkerungsteile machen und bei Wahlen antreten, von den
traditionellen Parteien als „Populisten“ bezeichnet. Dabei geht es meist um
eher junge Protestparteien, was aber, wie der Fall Donald Trump zeigt,
keineswegs ein Muss ist. Es ist, wie der Historiker Michael Wolffsohn es jüngst
sehr treffend bezeichnete, eine „Populismus-Keule“, mit der politische Gegner –
ebenso wie zuvor über viele Jahre hinweg mit der „Faschismus-Keule“ – einfach,
rasch und effektiv ausgeschaltet werden sollen. (13)
Genau genommen, so Wolffsohn, geht es
dabei um den Versuch der Abgrenzung der Demokraten, die sich als die Guten, als
die Elite verstehen, von den Populisten, die sie als „die Bösen“, den Pöbel
erkannt wissen wollen. Das Dumme dabei ist, dass es in jedem Volk immer beides
gibt und nicht nur die Demokraten Sprachrohr und Anhänger der Volksherrschaft
sind, sondern auch die Populisten, was den Historiker zu folgendem Fazit
bringt: „Wer Volksherrschaft (Demokratie)
will, kann Populismus, der Volkssorgen thematisiert, nicht ablehnen, ohne sich
selbst in grundsätzliche Widersprüche zu manövrieren und als Anti-Demokrat zu
entlarven.“ (14)
Der fatale Fehler der alteingesessenen Parteien
Was nun bei Wahlen und Referenden
geschieht, ist insofern folgerichtig. Das Volk, so Wolffsohn, bemerkt die
elitäre Herablassung, weil seine Worte, Sorgen und Ängste nicht thematisiert,
sondern diffamiert werden, wie Hillary Clinton im US-Wahlkampf unter Beweis
stellte, als die die Trump-Anhänger als „deplorables“ (frei übersetzt: „Pöbel“)
bezeichnete. Und sie rächen sich dafür in den USA, in Europa und anderswo auf
ihre demokratische Weise, indem sie immer häufiger „Populisten“ ihre Stimme
geben. (15)
Dass Populisten und ihre Anhängerschaft sowie
ihr Treiben, ihre Aussagen, Vorwürfe und Wahlentscheidungen mit dem Attribut „postfaktisch“
belegt werden, wird von diesen lediglich als eine starke Provokation
wahrgenommen werden. Denn es passt in das von Wolffsohn beschriebene Bild von
den elitären, herablassenden Demokraten und dem ungebildeten, uneinsichtigen „Pöbel“.
Das war also keine gute Idee, sondern eher ein Offenbarungseid und ein weiterer
Grund für einen Denkzettel bei der nächsten Wahl.
Nicht jeder kann seine Meinung eloquent anhand von Fakten artikulieren
Das ist noch nicht alles. Denn allein die
Tatsache, dass nicht alle Menschen sprich Wähler Zahlen, Daten und Fakten souverän
analysieren und deren Essenz und Bedeutung eloquent wiedergeben können, heißt
nicht automatisch, dass sie diese nicht begriffen haben. Es sei in diesem
Zusammenhang an die zahlreichen Fach- und Wirtschaftsblogs erinnert, die seit
vielen Jahren detaillierte Analysen von Politik, Wirtschaft und Finanzmärkten
liefern und längst zunehmend als alternatives Informationsmedium neben den
traditionellen Medien gelten. Das ist einzig und allein eine Folge der für
viele als unzureichend und mithin unbefriedigend bewerteten Berichterstattung
in den traditionellen Medien.
Mehr noch haben diese Analysen im Internet
und in Blogs aufgezeigt, ob und inwieweit Regierungen ihre politischen
Entscheidungen an den Fakten ausrichten. Unter dem Strich ist dabei nicht
selten der Eindruck bestätigt worden, dass die traditionellen Parteien die
Fakten ignorieren und genau das ist für viele Wähler explizit oder
unterschwellig einer der Gründe für die Abkehr von den alteingesessenen
Parteien.
Was also bedeutet dieser verstärkte Wahlkampf
der alteingesessenen Parteien mit der „Populismus-Keule“ und der
Diskreditierung rebellischer Wähler als „postfaktisch“ bzw. blind für die
Wahrheit?
Harte Zeiten für erfolgsgewohnte Parteien
Vielleicht ist die Antwort auf diese Frage
ganz simpel.
Der unerwartete Wahlsieg des unablässig
twitternden Donald Trump ist nicht nur eine an das politische Establishment, an
die „guten Demokraten“ gerichtete Botschaft, dass „Populisten“ Wahlen gewinnen
können. Vielmehr ist es auch eine Botschaft an die traditionellen Medien, die
jahrzehntelang die Deutungshoheit hatten und, wie der US-Wahlkampf noch einmal
ganz deutlich zeigte, das wirtschaftliche und politische Establishment
unterstützte. Sie lautet: Die sozialen Medien und das Internet sind mit dem
Wahlsieg von Trump de facto zu einer Informations- und
Meinungsmacher-Gegenmacht aufgestiegen sind, die die traditionellen Medien
übertrumpfen kann.
Das wiederum heißt, die traditionellen
Parteien und etablierten Parteipolitiker können sich allesamt nicht mehr darauf
verlassen, dass die Darstellung ihre Politik, ihres Redens und Handelns in den
traditionellen Medien als erfolgreich und gut die Mehrheit der Wähler
überzeugen und sie vor der Abwahl schützen wird. Es riecht nach Machtverlust
der erfolgsverwöhnten Parteien.
Natürlich gibt es in den sozialen Medien
und im Internet Falschmeldungen und schwarze Schafe. Ja, das ist unbestreitbar
richtig und ein Problem, das thematisiert werden muss. Aber die gibt es ebenso in
den oligopolisierten traditionellen Medien, die jedoch bisher ebenso wie die
politische Elite nahezu unantastbar waren. Die traditionellen Medien, das sind
nicht per se die „Guten“ und das Internet, die Blogs, die sozialen Medien, das
sind nicht per se die „Bösen“. Diese Art von Schwarz-weiß-Malerei“ ist
unhaltbar und wer so argumentiert, dem sind die Argumente ausgegangen.
Die Welt der Information und politischen Meinungsbildung
sortiert sich gerade neu. Das wird nicht ohne Folgen bleiben. Es gibt dabei
Chancen und Risiken. Was überwiegt, ist ein Frage der Nutzung dieser
Möglichkeiten und des Verantwortungsgefühls eines jeden, der sie aktiv oder
passiv in Anspruch nimmt. Das heißt vor allem, dass man heute weniger denn je
einfach schlucken kann, was TV, Printmedien, Internet oder Facebook, Twitter
& Co. liefern. Die Wahrheit herauszufinden ist und war immer schon Arbeit. Aber
die Chance, es zu schaffen, ist heute größer als je zuvor. Wenn das Bewusstsein
dafür nun im Zuge des US-Wahlkampfes und der anhaltenden Debatte über Trump bei
vielen geschärft wurde, dann wäre das eindeutig ein gutes Zeichen für die
Demokratie.
Jetzt ist der Kriegsschauplatz im Internet. Infowars!
AntwortenLöschenDer FBI-Direktor J.C. hat einen integeren Ruf ???? Über Parteigrenzen, das sind mir als Amerikaner ganz neue Töne oder gilt Fox NEws als Partei ??
AntwortenLöschenEntschuldigen Sie, dass ich erst so spät antworte.
LöschenZur Sache: Mag sein, dass das für Sie anders aussieht. Aber das berichtete keineswegs nur Fox News, die ich in diesem Fall als Link angegeben habe. Hier ein anderer Link zu einem Bericht, in dem es genau darum geht: Comeys Ruf über die Parteigrenzen hinweg.
http://derstandard.at/2000046748143/FBI-Direktor-Comey-Alter-Bekannter-der-Clintons-sorgt-fuer-Oktoberueberraschung
Comey war schließlich eine Zeitlang selbst Republikaner, er hat sich als Vize-Justizminister (in der Zeit von Ashcroft) gegen Gesetzesänderungen (Abhörgesetz)der Bush-Administration gewehrt und ist deswegen zurückgetreten.
Obama hat ihn als FBI-Direktor eingesetzt, obwohl er kein Demokrat und in der Bush-Administration tätig gewesen war. Warum hätte er das machen sollen, wenn er und seine Demokraten Comey nicht für intger gehalten hätten?
Viele Grüße
SLE
Mensch warte nur und schon https://www.heise.de/tp/features/Agenten-ohne-Beweise-fuer-russische-Desinformationkampagne-3619511.html
Löschenund egal es wird weiter behauptet.
Nette Betrachtung zur Demokratie http://www.linkes-oldenburg.de/wp-content/uploads/2017/01/Interview-J%C3%BCnke.pdf
Gruß Peter
Hallo Peter,
Löschenin diesem Zusammenhang bin ich eher zufällig auf noch einen interesssanten Bericht gestoßen:
http://www.n-tv.de/politik/Russen-sollen-fuer-USA-spioniert-haben-article19682898.html
Grüße
SLE
Postfaktisch erscheint mir als der der falsche Terminus. Kontrafaktisch passt aus meiner Sicht besser.
AntwortenLöschenDamit haben Sie wohl recht.
LöschenViele Grüße
SLE
Weitere Lügen können die Katastrophe nicht verhindern,…
AntwortenLöschen"Der Begriff Demokratie kommt aus der griechischen Sprache und bedeutet "Herrschaft des (einfachen) Volkes". Die antiken "Demokratien" in Athen und Rom stellen Vorläufer der heutigen Demokratien dar und entstanden wie diese als Reaktion auf zu grosse Machfülle und Machtmissbrauch der Herrscher. Doch erst in der Aufklärung (17./18. Jahrhundert) formulierten Philosophen die wesentlichen Elemente einer modernen Demokratie: Gewaltentrennung, Grundrechte / Menschenrechte, Religionsfreiheit und Trennung von Kirche und Staat."
(https://demokratie.geschichte-schweiz.ch/definition-demokratie.html)
…also bleiben wir bei der Wahrheit:
Silvio Gesell: "In einer Autokratie genügt es, wenn ein Mann die Währungsfrage studiert. In der Demokratie muss das ganze Volk sich dieser Aufgabe unterziehen, wenn die Demokratie nicht den Demagogen verfallen soll."
Genau das ist passiert: Die Demokratie ist den Demagogen verfallen. In einer Zinsgeld-Ökonomie ist das unvermeidlich und umgekehrt können wir auch sagen, dass überhaupt erst die Natürliche Wirtschaftsordnung eine echte Demokratie ist. Jede andere Definition ist gegenstandslos! Das sollte nun nicht zu dem Irrtum der Verschwörungstheoretiker verleiten, dass "die da oben" das Zinsgeld verstehen und absichtlich dem arbeitenden Volk ein fehlerfreies Geld vorenthalten. Im Gegenteil, je höher die "gesellschaftliche Position", desto weniger wird der Fehler im "Geld, wie es (noch) ist" verstanden und desto geringer das Vorstellungsvermögen vom "Geld, wie es sein soll", das die Klassengesellschaft auflöst:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2016/10/selbstvertrauen.html