Das sind die Nachrichten, auf die ganz
Europa und die Finanzmärkte gespannt gewartet haben:
Norbert Hofer, der Kandidat der
rechtspopulistischen FPÖ hat die österreichische Präsidentschaftswahl verloren.
Italiens Premier Matteo Renzi ist mit seinem Verfassungsreferendum in Italien gescheitert.
Kein Trump-Effekt in Europa
Nach der Präsidentschaftswahl in
Österreich und dem Referendum in Italien ist somit klar: Einen Trump-Effekt
gibt es in Europa offensichtlich nicht.
Doch das ist nur die Kurzbotschaft und sie
kratzt lediglich an der Oberfläche der Probleme, die die Europäische
Union in die Krise geführt haben. Mit dem Votum in Italien und Matteo Renzis´ Rücktrittsankündigung
hat die EU nach dem Brexit-Referendum die nächste Eskalationsstufe genommen,
auch wenn die erwarteten Turbulenzen an den Börsen zunächst ausgeblieben sind.
Die Freude vieler Politiker über die
Niederlage der Rechtspopulisten in Österreich ist deswegen nicht angebracht.
Denn die Krise der EU hat, wie spätestens
ab heute klar sein müsste, wenig mit rechtspopulistischen Parteien zu tun, die die Wähler aufhetzen und mit falschen Versprechungen erfolgreich verführen.
Italiens „Fünf-Sterne-Bewegung“ ist nicht rechtspopulistisch
Italiens
führende Protestpartei, die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo, deren
Treiben entscheidend zur Niederlage Renzis beigetragen hat und die bei
möglichen Neuwahlen zur stärksten politischen Kraft aufsteigen könnte, ist keine
rechtspopulistische Partei. Sie hat stets alle etablierten großen Volksparteien
Italiens angegriffen – wegen ihrer Korruptheit und ihrer Politik und sich nicht
auf irgendeine Seite des politischen Spektrums einordnen lassen.
Rechtspopulisten werden üblicherweise vor
allem mit Nationalismus, Ablehnung von Flüchtlingen und Ausländerfeindlichkeit
in Verbindung gebracht. Doch wie die Präsidentenwahl in Österreich zeigt, kann
man damit allein in Europa ebenso wenig wie in den USA eine Wahl gewinnen.
Quittung für verfehlte Wirtschaftspolitik
Italiens Premier Renzi hat beim Referendum
vielmehr die Quittung für seine erfolglose Wirtschafts- und Krisenpolitik bekommen. Die
Wähler dort waren nicht bereit, ihn angesichts dessen mit noch mehr Macht
auszustatten. Und kurz zuvor hat ja auch Frankreichs Präsident Francois
Hollande die Konsequenz aus dem Scheitern seiner Wirtschafts- und Krisenpolitik
ziehen müssen. Er verkündete, nicht mehr zur Wiederwahl im nächsten Jahr anzutreten.
Die Lehre, die aus der Wahl Donald Trumps,
aus der Präsidentenwahl in Österreich und dem gescheiterten Referendum in
Italien zu ziehen ist, lautet:
Vergessen Sie die Flüchtlingskrise,
vergessen Sie die Daten zum Wirtschaftswachstum und zur Staatsverschuldung! Was
bei Wahlen und Referenden zählt, sind:
- die individuelle wirtschaftliche Situation der Wähler,
- die Einschätzungen der Wähler bezüglich ihrer wirtschaftlichen Perspektiven und
- inwieweit sie einem Politiker bzw. einer Partei zutrauen, eine andere, erfolgreichere Politik zu machen, die sich auf ihre Situation und Perspektiven positiv auswirken könnte.
Andre Ausgangslage: Österreich ist kein Krisenland, Italien indes schon
Österreich ist so betrachtet definitiv kein
Krisenland. Italien ist es sehr wohl und die USA sind es auch. Frankreich steht
aus dieser Perspektive gesehen wahrscheinlich auf der Kippe, Deutschland ist
davon immer noch weit entfernt.
Das heißt, so lange die Wirtschaftspolitik
von Regierungen für die Mehrheit der Bürger noch aufgeht, wird es für
Protestparteien oder Protestkandidaten grundsätzlich ausgesprochen schwierig
sein, Wahlen zu gewinnen.
Das heißt aber auch, dass Rechtspopulisten
– Donald Trump ist nichts anderes, auch wenn er einer
etablierten Partei angehört und keiner Protestpartei – Wahlen nicht werden
gewinnen können, so lange
- die wirtschaftliche Lage in einem Land von einer Mehrheit der Wähler (aus deren Sicht) nicht als problematisch eingestuft wird
und falls dies doch der Fall ist
- sie einem alternativen Kandidaten/einer alternativen Partei nicht zutrauen, eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage und Perspektiven zu erreichen.
Nicht nur bei der Präsidentenwahl in
Österreich, sondern auch beim Referendum in Italien haben die Rechtspopulisten keinen
Erfolg für sich verbuchen können. Die mit der Flüchtlingskrise verbundenen
Erfolge der Rechtspopulisten reichen also offensichtlich nicht für eine realistische
Machtperspektive in Europa aus.
Keine Entwarnung für Frankreich und für die EU
Eine Entwarnung für die EU lässt sich
daraus jedoch nicht ableiten. Denn umgekehrt bedeutet dies, dass jede
politische Kraft, der eine leidende Mehrheit der Wähler in einem wirtschaftlich angeschlagenen
Mitgliedsstaat der EU zutraut, eine bessere Wirtschaftspolitik zu machen, Wahlen
gewinnen kann. Donald Trump ist dafür das beste Beispiel. Damit ist Frankreich bei den im Frühjahr anstehenden
Präsidentschaftswahlen möglicherweise – vielleicht auch erneut allen Umfragen
zum Trotz – ein echter Wackelkandidat.
Vergessen Sie also besser alle Schlagzeilen
und politischen Tiraden von Politikern etablierter Parteien, die sich gegen die
ausländer-, flüchtlings- und europafeindlichen Rechtspopulisten richten. Denn
das ist zwar problematisch, aber ein Nebenschauplatz. Das eigentliche und für
die EU wirklich Existenz bedrohende Thema ist und bleibt die wirtschaftlich
schlechte Lage sehr vieler Europäer und die dadurch begründete, mithin weiter
wachsende Wut und Ablehnung des bisherigen wirtschafts- und krisenpolitischen
Kurses - sofern man überhaupt von einem "Kurs" zu sprechen bereit ist.
Spaltpilz der EU: Anhaltende Wachstumsschwäche + steigende Zahl wirtschaftlicher Verlierer = schlechte Wirtschaftspolitik
Kurz und bündig auf den Punkt gebracht
heißt das: Der Europäischen Union ist mit und seit der Finanzmarktkrise die
Wachstumsstory verloren gegangen – nicht nur aus Sicht der in dieser Hinsicht
eher noch geduldigen Märkte, sondern ganz besonders aus Sicht eines wachsenden
Heeres von Wählern.
Anders ausgedrückt: Die verantwortlichen
Akteure in den Regierungszentralen der Mitgliedsaaten und auf europäischer
Ebene haben es in all den Jahren nicht geschafft, eine schlüssige und aus
Wählersicht erfolgreiche Lösung für dieses Problem zu liefern. Darum haben sich
die Briten für den Brexit entschieden. Darum war Frankreichs Präsident Francois
Hollande jetzt dazu gezwungen, von einer erneuten Kandidatur Abstand zu nehmen.
Darum ist Matteo Renzi mit seinem Verfassungsreferendum in Italien gescheitert.
Das ist der Grund, warum die Mariano Rajoys´ konservative Minderheitsregierung
in Spanien lediglich eine auf Abruf ist. Das wir auch der Grund sein, warum die
amtierende griechische Regierung von Alexis Tsipras, die einst als
Protestpartei reüssierte, wieder abgewählt werden wird. Und darin liegt die
Sprengkraft für die EU. Italien ist ein weiter großer Stein, der aus der Mauer
zu brechen begonnen hat. Was will die EU dagegen tun? Im Falle Großbritanniens
hat sie schließlich auch nur zugeschaut.
Die Rechtspopulisten sind nicht die Ursache, sondern ein Symptom der schlechten europäischen Politik
Lassen Sie sich nicht vom Getöse in
Politik und Medien täuschen. Die Rechtspopulisten sind weder verantwortlich
noch das Kernproblem der Europäischen Union. Das Problem sind die
wirtschaftspolitische Orientierungslosigkeit der amtierenden Regierungen in der
EU und deren vielfach verloren gegangene Fähigkeit, die Probleme der Menschen in
ihrem Land wahr- und ernst zu nehmen.
Das Votum der Italiener ist nach dem
Brexit-Referendum ein neues Alarmsignal für die EU und eine eindringliche
Warnung für diejenigen, die über den Kurs der EU beraten und entscheiden,
endlich ihre wirtschaftspolitischen Hausaufgaben zu machen. Das werden sie auch
von Donald Trump zu hören bekommen.
Es geht dabei keineswegs um gebetsmühlenhaft
geforderten „Reformen“. Das ist ein neoliberales Relikt. Denn mit Deregulierung
und Sparen wird die EU ihre wirtschaftlichen und finanziellen Probleme angesichts
ausgereifter, gesättigter und deswegen vielfach stagnierender globaler Märkte
nicht lösen können. Das Lied von der Alternativlosigkeit ist in Europa ebenfalls
längst ausgesungen und verhallt.
Nein, es geht in erster Linie um positive wirtschaftliche
Perspektiven, um Jobs und das Ende einer Politik, die von Lobbyisten geformt, für
Konzerne gemacht wird und deren fragwürdige „Erfolg“ (Miniwachstum oder Stagnation,
steigende Staatsschulden) von den europäischen Bürgern teuer bezahlt werden muss. Europa zehrt seine Substanz auf.
Europas schwächelndes Wirtschaftswachstum
wird seit 2009 zunehmend von den Europäern bezahlt – doppelt! Denn sie bezahlen
für die Bankenrettung, für die Versuche der Wirtschaftsstabilisierung sowie für die dadurch und infolge des teils selbst politisch
forcierten Wirtschaftseinbruchs steigenden Staatsschulden. Ferner büßen sie
auch für die mithin anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage durch Jobverlust,
Pensions- und Einkommensverluste, höhere Steuern u.a. – in Italien, in
Griechenland, in Spanien, Frankreich und anderswo. Besserung ist nicht in Sicht
und das steigert den Druck im Kessel, der sich irgendwo ein Ventil sucht.
Ein solches Europa will auf Dauer niemand.
Nicht einmal diejenigen, die es zu verantworten haben. Ist das nicht paradox?
Willkommen in Europa.
Genau so ist es.
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