Dienstag, 20. Dezember 2016

Wer schützt eigentlich die Opfer des Anschlags in Berlin und ihre Angehörigen vor der postfaktischen Dauerberichterstattung der Medien?

Zwölf Menschen sind tot, 48 haben zum Teil schwerste Verletzungen erlitten. Ihre Angehörigen stehen unter Schock. Dasselbe gilt für die vielen anderen, die den Weihnachtsmarkt in Berlin, der Ziel eines Lkw-Anschlags wurde, am gestrigen Abend besuchten und dem Tod oder einer schweren Verletzung nur knapp entronnen sind. Der Täter ist gefasst worden. Die Ermittler der Polizei tun ihre Arbeit ebenso wie die Ärzte und das Pflegepersonal, die sich um die vielen Verletzten und ihre Angehörigen kümmern.
Mehr gibt es zu diesem Anschlag nicht zu berichten.
Nicht, weil es nicht immer noch mehr irgendwelche Details gibt, die bekannt gemacht werden könnten, sondern weil sich irgendwann die Fakten, die das Ereignis aufklären und ausreichend erklären können, erschöpft haben. Nein, weil das, was danach kommt, mehr und mehr schiere Sensationsmache ist, die das Leid und die Qualen der Opfer und ihrer Angehörigen sowie die der Beinahe-Opfer und der Zeugen vergrößern.
In dieser Hinsicht kennen die deutschen Medien jedoch keine Gnade. Auf allen Kanälen breiten sie sich ununterbrochen und – nachdem die wichtigen Fakten und Informationen längst bekannt gemacht worden sind – über alle möglichen Facetten des Anschlags aus. Nichts ist zu unbedeutend. Hauptsache dieses große Thema kann noch ein wenig länger am Leben gehalten und ausgeschlachtet werden. Keiner kann diesem breit angelegten Dauerfeuer entrinnen. Vor allem eben auch diejenigen nicht, die von dem Anschlag betroffen sind.
Wenn irgendwo auf einer Autobahn wieder einmal ein schlimmer Unfall geschehen ist, dann wird in den Medien oft anklagend auf Gaffer hingewiesen, die die Arbeit von Polizei und Rettern sowie den Verkehr behindern. Doch in Bezug auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verhalten sich die ach so seriösen Medien nicht nur eigentlich genauso wie diese Gaffer, sondern noch schlimmer. Selbst für Unbeteiligte ist dieses ungehemmte Ausschlachten des schrecklichen Ereignisses und die damit verbundene Dauer-„Beichterstattung“ schwer zu ertragen. Ich jedenfalls werde heute kein Radio mehr hören, kein TV schauen und die betreffenden Berichte in den Online-Medien links liegen lassen.
Doch wie fürchterlich muss es erst für die Betroffenen sein, dieser nahezu substanzlosen medialen Dauerkonfrontation mit dem Ereignis ausgesetzt zu sein, diesem Herumbohren in der offenen Wunde, das nur noch Selbstzweck ist und lediglich die Sensationsgierigen, die „Gaffer“ befriedigt?
Wo sind die Politiker, die sich über die an Fakten uninteressierten, rein emotional agierenden Menschen (bzw. Wähler) beklagen, über die Verrohung der (politischen) Kultur und deswegen das „postfaktische Zeitalter“ ausgerufen haben? Fühlt sich keiner verpflichtet oder wenigstens dazu berufen, der Emotionen bedienenden, substanzlosen Dauerberichterstattung der Medien zum Schutz der Opfer und ihrer Angehörigen sowie der Werte unserer Gesellschaft Einhalt zu gebieten? Oder wenigstens mahnend den Zeigefinger zu erheben und an ein gewisses Maß an Selbstbeschränkung, Anstand und Rücksichtnahme zu appellieren? Nicht zuletzt auch deswegen, weil die völlig aus dem Häuschen geratenen Medien einmal mehr genau das tun, was sich alle jene wünschen, die Terroranschläge verüben?
Nein. Die Politik in Deutschland hat sich einmal mehr die Zügel von den Medien aus der Hand nehmen lassen. Der Schwanz wackelt wieder mit dem Hund. So wie beispielsweise auch im Fall Erdogan versus Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts oder so wie in der Hochphase der Ukraine-Krise.
Es wird Zeit, dass sich daran etwas ändert. Denn eine solche Berichterstattung ist weder hilfreich noch erfüllt sie einen Informationsauftrag. Es ist – ob nun gewollt oder ungewollt – Politik.
Und wenn man es schon einmal so nennen will, dann sollte man die Frage stellen, inwieweit eine zunehmende Oligopolisierung bzw. eine zunehmende Konzentration von Marktmacht – so wie in der Medienbranche – nicht auch in allen anderen stark oligopolisierten Branchen gleichbedeutend ist mit politischen Nebenzentren.
So betrachtet vollzieht Donald Trump bei der Zusammenstellung seines Kabinetts ledig­lich eine längst faktisch gewordene Realität nach: Er besetzt die wichtigsten Ämter vor­nehmlich mit erfolgreichen, einflussreichen Top-Managern und Milliardären.
Wollen wir das? Kann es angesichts der heutigen politischen und wirtschaftlichen Situation, der ausgereizten Märkte und geldpolitischen Möglichkeiten, der latenten Dauerkrisen, des Terrors, überhaupt funktionieren?
Das anzunehmen, wäre ein Fehler. Denn das Problem sind gerade die hochkonzentrierten Märkte, die Oligopole und Oligopolisten selbst, die weder auf die Merkel´sche noch auf die Trump´sche Art zu blühenden Landschaften führen werden, wenn man sie auf die eine oder andere Art Politik machen lässt. Denn sie vermehren nichts und sie schaffen nichts Neues, sondern sie zehren lediglich von der Substanz des stetig schrumpfenden Rests der Welt.
Und in dieser Welt gibt es für die Medien, wie überhaupt für alle Marktmächtigen, kein Halten mehr, weil ihnen niemand mehr etwas entgegenzusetzen vermag. Auch und ganz besonders die Politiker nicht. Hören Sie Radio, schauen sie TV, lesen Sie Zeitung und Sie werden an Tagen wie heute hören und sehen können, wie diese Welt aussieht.

2 Kommentare:

  1. Ich bin echt sauer. Auch heute sind wieder 40tsd Kinder an Hunger und vermeidbaren Krankheiten gestorben, aber genau die Leute, die sich jetzt in ihrer Solidarität mit Berlin sonnen interessieren sich nicht die Bohne für diese Kinderseelen. Jeden Tag nicht.

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  2. Sehr wichtig erscheint, dass in der Zeit der gnadenlosen Berichterstattung die Knechtung des Volkes durch die Politik unbemerkt und unbehelligt weitergetrieben werden kann. Und ebenso werden die Ängste der Menschen intensiviert, man redet ihnen aber ein, dass nur die herrschenden Politiker dem Volk Sicherheit garantieren können. Und die Menschen schlafen weiter, zahlen für den immensen besonderen Schutz der Politikerkaste, niemand fragt, warum der Bürger immer mehr in den Würgegriff der Überwachung gepresst wird. Es ist wirklich höchste Zeit, die Politiker fristlos zu entlassen und die direkte Demokratie zu erwecken.

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