Sonntag, 29. November 2009

Weltwirtschaftskrise und Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Einmal im Kreis gelaufen


Die neue Bundesregierung versucht, der Wirtschaftskrise mit einem "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" beizukommen. Das hört sich beinahe so an, als wolle jemand per Gesetz Regenwetter verbieten und lässt erahnen, wie wenig Vertrauen selbst Regierungspolitiker in den Erfolg der damit anvisierten Steuererleichterungen haben. Die Bezeichnung verdankt das Gesetz im Grunde wohl eher dem Wunsch der nach der Bundestagswahl in der Regierungsverantwortung gebliebenen Union, die bisherigen Krisenbewältigungsmaßnahmen unwiderruflich mit dem Etikett "erfolgreich" zu versehen. Auf das niemand mehr wagen möge, noch infrage zu stellen, dass die Wirtschaft, wenn auch nur für kurze Zeit und vielleicht auch nur statistisch gesehen, auf Wachs-tumskurs gebracht worden ist.

So oder so, damit ist es nun auch schon wieder vorbei.

Schon allein die Tatsache, dass bereits jetzt neue Maßnahmen als notwendig erachtet werden, um "das Wachstum" zu "beschleunigen", zeigt, wie weit es mit diesem Wachstum her ist. Denn es geht ja inzwischen nicht mehr nur um die innerparteilich teilweise höchst umstrittenen Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes (Stichwort: Steuererleichterungen für Hoteliers). Nein, mittlerweile sind schon die nächsten Feuerwehreinsätze angelaufen: Nun sollen neue milliardenschwere Hilfen für Banken eine Kreditklemme vermeiden helfen, die es allen offiziellen Äußerungen der letzten Monate zufolge überhaupt nicht gibt und auch dem drohenden Kollaps der Schifffahrts-branche ist entgegen zu wirken.(1)

Milliardenhilfen für Hoteliers, Banken, Milchbauern, Schifffahrtsindustrie - man kommt nicht umhin festzustellen: Wie um alles auf der Welt soll ausgerechnet dieser bunte Mix von Maßnahmen das Wachstum beschleunigen helfen? Es ist ein überaus kurioser Mix von Maßnahmen, der jeden in die Verzweiflung treiben muss, wenn er anhand dieser Bausteine nachzuvollziehen versucht, welches wirtschaftspolitische Konzept dem wohl zugrunde liegen mag. Das einigende Band ist einzig das viele Geld, das der Staat, überall, wo es brennt, in die Wirtschaft schüttet.

Der aktuelle heftige innerparteiliche Streit um die geplanten Steuerer-leichterungen deckt auf,(2) dass es im Grunde längst nicht mehr nur um die Finanzierbarkeit geht, sondern um den wirtschaftspolitischen Kurs schlechthin. Es ist ein Konflikt zwischen parteipolitischer Linientreue und Realitätsverlust, der überhaupt nur deswegen und erst jetzt aufbricht, weil trotz aller Ratlosigkeit zwischenzeitlich so etwas was wie Hoffnung aufgekommen war, die gigantischen Konjunkturpakete und Banken-rettungsmaßnahmen könnten das Krisenfeuer tatsächlich gelöscht haben.

Jetzt zeigt sich, dass mit der Krise noch lange nicht Schluss ist und deswegen wächst der Widerstand, einfach immer neues Geld zum Löschen des Brandes einzusetzen. Es fällt Politikern wie beispielsweise Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident Schleswig-Holsteins, Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlands oder Petra Roth, Frankfurts Oberbürgermeisterin und Präsidentin des Deutschen Städtetages, offensichtlich zunehmend schwer, nach der Devise "Augen zu und durch" immer neue Maßnahmen abzusegnen, die ihr Land oder ihre Kommune finanziell immer schwerer belasten, an deren Erfolgsaussichten sie mittlerweile jedoch schon bei einer oberflächlichen Betrachtung ernsthaft zweifeln müssen. Wozu soll es führen, immer mehr Schulden aufzu-türmen, um immer neue Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie doch keine nachhaltige Wende bringen? Nur für den Fall, dass dies nicht evident ist: Wie lange lässt es sich noch rechtfertigen, ohne eigenes Konzept der US-Regierung treu auf ihrem Weg nachzutrotten?

Es ist eine Sache ein Gesetz zu beschließen und es Wachstumsbe-schleunigungsgesetz zu nennen. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, ist eine ganz andere Sache.

Und so ist nun, da sich erneut gravierende Probleme in der Wirtschaft und auf den Finanzmärkten abzeichnen, zum zweiten Mal die Frage zu beantworten, ob man die Krise einfach, wie zum Beispiel auch der US-Ökonom und letztjährige Nobelpreisträger Paul Krugman fordert, mit immer mehr Geld ersticken kann. Und es zeigt sich erneut, dass den Regierungen nach wie vor ein schlüssiges und vor allem auch wirksames wirtschaftspolitisches Konzept zur Bewältigung der Krise fehlt und die Fachleute uns seit Beginn der Krise die Antwort auf die Frage schuldig geblieben sind, was zu tun ist, um der Krise wirkungsvoll zu begegnen.

Wir sind, was die Krisenbewältigung anbelangt, in den vergangenen zwölf Monaten nicht vorangekommen, sondern wie die Verirrten auf der Suche nach dem Weg aus der Wüste doch nur im Kreis gelaufen.(3)

Die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft, es gibt sie nicht. Die Staatswirt-schaft ist keine Alternative. Die Marktwirtschaft, die schwer angeschlagen ist, wieder in Gang zu bringen, ist alternativlos. Doch bevor dies gelingen kann, werden alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen, deren Rettung sich die Regierungen bisher viel Geld haben kosten lassen.

Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle unionsinterne Streit um Steuer-erleichterungen ein gutes Zeichen. Hoffentlich. Denn die Politiker haben sich damit die Gelegenheit eröffnet, nicht denselben Fehler zu machen, den einst Heinrich Brüning machte, indem er den Kurs beibehielt.

Es wird ganz sicher ein hartes Stück Arbeit, ein wirtschaftspolitisches Konzept auf die Beine zu stellen, das ein noch tieferes Abgleiten in die Krise verhindern und mittelfristig die Wende herbeiführen kann.

Die Zeit der Feuerwehraktionen ist vorbei.


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