Donnerstag, 26. November 2009

Das Selbstverständnis des Bankgewerbes in der Krise: Investmentbanker Lloyd Blankfein und Ludwig Poullains ungehaltene Rede


Lloyd Blankfein, der Chef von Goldman Sachs, hat jüngst wie kein anderer verdeutlicht, wie wenig sich doch in den Köpfen vieler verant-wortlicher Banker - Finanzmarktkrise hin, Finanzmarktkrise her - ge-ändert hat. In einem Interview der "Sunday Times" gab er sein Selbstverständnis als Banker preis.


"Wir helfen den Unternehmen zu wachsen, indem wir ihnen helfen, Kapital zu bekommen. Unternehmen, die wachsen, schaffen Wohlstand. Und das wiederum ermöglicht es den Menschen, Jobs zu haben, die noch mehr Wohlstand schaffen." Banken, so seine Schlussfolgerung, haben einen gesellschaftlichen Zweck und verrichten "Gottes Werk".(1)

Seine Worte lösten Empörung aus. Lloyd Blankfein hat sich mittlerweile zwar für seine Äußerungen entschuldigt. Aber er hat dennoch einen Disput um das Selbstverständnis des Bankgewerbes losgetreten, der zeigt, dass ein tiefer Riss durch die Zunft geht. Nicht alle Vertreter des Bankgewerbes denken wie er und sind nun nicht mehr länger bereit, dies für sich zu behalten.

Andreas Schmitz, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) und Sprecher des Vorstandes von HSBC Trinkaus & Burkhardt distanzierte sich jetzt in einer bemerkenswerten Rede mit harten Worten von Blankfein. Kollegen würden der Verblendung erliegen, wenn sie behaupteten, Banken vollführten in allem, was sie tun, doch nur "Gottes Werk". "Unsäglich" seien diese Äußerungen angesichts der Tatsache, dass man das Vertrauen der Menschen wiedergewinnen müsse. Nur ungern spreche er in diesem Fall von Kollegen. Er sprach von einem "Teufels Beitrag" und davon, dass Banken dieses Kalibers unter Reali-tätsverlust litten. Göttlich sei allein die Tatsache, dass aus dem Nichts Gewinne geschöpft werden. So berichtet das Handelsblatt.(2)

All das erinnert mich daran, dass genau dieser Konflikt betreffend das Selbstverständnis der Zunft der Bankiers und Banker vor ein paar Jahren schon einmal in einer Aufsehen erregenden Rede thematisiert wurde. In einer richtungweisenden Rede, die treffsicher alle wunden Punkte des seinerzeit immer stärker werdenden Wandels des Selbstverständnisses ansprach und diskutierte. Es war die grandiose Rede eines weitsichtigen Mannes.

Leider wurde diese Rede nie gehalten.

Es geht um die Rede von Ludwig Poullain, die er im Sommer 2004 zum Abschied von Manfred Bodin, der lange die Norddeutsche Landesbank führte, halten sollte. Er schickte seine Rede vorab an die Veranstalter - und wurde ausgeladen. Poullain veröffentlichte sie daraufhin erzürnt in der FAZ.(3)

Der Redetext schlug damals hohe Wellen. Es ging darin um die moralischen Verhaltensnormen und den Sittenverfall im deutschen Bankwesen. Um das Vertrauensverhältnis zu den Kunden, das nur durch die Erfüllung der Pflicht aufrechterhalten werden könne, das von ihnen erarbeitete und der Bank anvertraute Vermögen gewinnbringend und sicher anzulegen. Er erklärte darin anschaulich den Unterschied zwischen dem Selbstverständnis des "Bankers" (angelsächsischer Prägung) und dem des "Bankiers" und er machte klar: Wer Gewinnmaximierung zum Hauptziel des geschäftlichen Tuns erkläre, der verletze die ethischen Pflichten des Unternehmers. Denn erfolgreiches Wirtschaften schließe die Frage nach der Methode nicht aus, mit der die Ergebnisse erzielt wurden.

Finanzmarktkrise, Bankenrettung und Madoff-Skandal - Ludwig Poullains Rede, die "ungehaltene Rede eines ungehaltenen Mannes" ist heute so aktuell wie nie. Es ist ein Gewinn, sich noch einmal durchzulesen, was er zum Thema Selbstverständnis bzw. "Bank und Ethos" zu sagen hatte, aber 2004 nicht sagen durfte (siehe "Die ungehaltene Rede" von Dr. h.c. Ludwig Poullain). Wovor er warnte, das ist geschehen - und die Folgen sind nun auch bekannt.

Links:
(1)  Goldman Sachs: "Banken verrichten Gottes Werk" (v. 09.11.09);
(2)  Goldman Sachs in der Kritik: "Ein Beitrag des Teufels" (v. 26.11.09);
(3)  Ludwig Poullain: Sittenverfall im Bankwesen: Ungehaltene Rede (v. 15.07.04);
      Schulden, Schulden, Schulden (v. 10.12.09).

Empfohlene ergänzende Artikel zum Thema:

      - The Great American Bubble Machine by Matt Taibbi, Rolling Stone (July 2009);
      - Die große amerikanische Spekulationsblasen-Maschine, deutsche Übersetzung von "The Great American Bubble Machine" von Matt Taibbi (19.08.09);     
      - Goldman Sachs, die "Bubble-Machine", von Dieter Wermuth, Zeit-Blog "Herdentrieb (24.03.10);
      - Boni-Steuerstreit:JP-Morgan-Chef droht Englands Schatzminister am Telefon (v. 29.12.09);
      - Rothschild-Chef Higgins: "Es geht um unsere Moral" (v. 19.05.10).

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