Sonntag, 15. Mai 2011

Die USA, der IWF, Dominique Strauss-Kahn, John Lipsky und Griechenland oder vom Kampf gegen den Niedergang einer Wirtschaftsmacht


Das ist die Schlagzeile des heutigen Tages: Dominique Strauss-Kahn, der Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF), wurde heute auf dem JFK-Flughafen in New York kurz vor dem Abflug seines Air-France-Fluges nach Paris verhaftet. Der Grund: Er soll ein Zimmermädchen jenes Hotels, in dem er sich zuvor in New York aufgehalten hatte, sexuell belästigt haben. Strauss-Kahn wurde ursprünglich heute für ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt in Berlin erwartet, bei dem über Währungsfragen und die EU-Schuldenkrise gesprochen werden sollte.
(1)

Diese Meldung wäre nur halb so interessant, wenn es nicht am 12. Mai eine andere Pressemeldung gegeben hätte, die allerdings keine Schlagzeilen machte, sondern in der Flut von Neuigkeiten eher unterging: John Lipsky, Vize-Präsident des IWF, räumt seinen Posten und verlässt die Institution im August. Aus der Meldung, die ich gelesen habe, war nichts über die Gründe für diesen Schritt zu erfahren und auch nicht darüber, ob er auf Lipskys eigene Initiative zurückzuführen ist oder ob er gehen musste. (2)

Es ist kein Geheimnis, dass bei allem was der IWF macht, immer die amerikanische Handschrift stark durchschimmert. Traditionell besetzen die Europäer den Posten des Präsidenten, während die USA den Vize stellen.

Vor diesem Hintergrund kommt man nicht umhin, die beiden in so unmittelbarer zeitlicher Nähe liegenden Ereignisse im Zusammenhang zu sehen. Das gilt umso mehr aufgrund der zeitlichen Abfolge.

Selbstverständlich müssen die Anschuldigungen gegen Strauss-Kahn ernst genommen werden. Spätestens seit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen den politisch unliebsamen, weil aufrührerischen Gründer von WikiLeaks, Julian Assange, weiß andererseits jedoch jeder wie leicht es ist, mit solchen Vorwürfen jemanden aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei geht es im Falle Strauss-Kahns´ nicht einmal um Vergewaltigung und damit ist die Grundlage der Verhaftung sogar im juristischen Sinne noch viel schwächer und wacke-liger, weil schwer zu beweisen. War die Aktion also eine eine Art Notbremse?

Die Verhaftung Strauss-Kahns´ wirkt befremdlich, weil sie auch konstruiert sein könnte. Kein Außenstehender kann aktuell wissen, was an den Vorwürfen gegen Strauss-Kahn dran ist. Wahrscheinlich steht Aussage gegen Aussage. Andererseits lässt die Tatsache, dass John Lipsky, der für die USA im IWF an zweithöchster Position wirkte, seinen Abschied nimmt und dies vor zwei Tagen erst verlautbart wurde, ein Zeichen dafür, dass innerhalb des IWF ein Machtkampf im Gange sein könnte, der sich offensichtlich zu Ungunsten der USA entwickelt.

Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die Wirtschaftsmacht der USA rapide bröckelt. Die Probleme der Weltmacht haben ein Ausmaß erreicht, das sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit kaum mehr verschleiern lässt. Insider und ganz besonders diplomatische Kreise sowie Regierungen sind darüber gewiss schon lange genauestens im Bilde - auch wenn das öffentlich niemand thematisieren wird.

Wirtschaftsmacht lässt sich umso leichter ausüben, wenn finanzielle Abhängigkeiten bestehen. Und wer Wirtschaftsmacht anstrebt, wird darauf hinarbeiten, solche finanziellen Abhängigkeiten zu schaffen. Gerade in Entwicklungsländern wurden solche Abhängig-keiten geschaffen und der IWF steht bei Kritikern im Ruf, mit den von ihm verordneten harten Sanierungskonzepten oft zu deren Entstehen beigetragen zu haben.

Was wir in Griechenland erleben, ist ziemlich genau das, was in vielen Entwicklungs-ländern geschehen ist, nachdem der IWF ins Spiel kam. Griechenland wurde zu einem einseitigen rigiden Sparkurs verdonnert. Die Chancen, seine finanziellen Probleme zu lösen, sind infolge der durch die verordneten drakonischen Sparmaßnahmen ausgelösten gesamtwirtschaftlichen Talfahrt nicht gestiegen. Im Gegenteil, sie verschlechtern sich zusehends. Damit droht Griechenland in der Schuldenfalle zu versinken oder anders ausgedrückt, in eine Situation der vollkommenen finanziellen Abhängigkeit zu geraten.

Um präzise zu sein muss festgestellt werden, dass Griechenlands Problem seine Abhängigkeit von den Finanzmärkten ist und dasselbe gilt  - wenn auch bisher noch nicht in demselben Ausmaß - für Irland und Portugal.

Es mag deswegen sein, dass den Europäern vor kurzem endlich ein Licht aufgegangen ist, wohin die EU-Schuldenkrise die Europäische Union führt, wenn alles so weiter läuft und ein EU-Staat nach dem anderen von den Finanzmärkten mit Unterstützung der US-Ratingagenturen in die Enge getrieben, deswegen gerettet und anschließend unter der Führung des IWF zu einer Austeritätspolitik gezwungen wird, um angeblich wieder den Erfordernissen der Finanzierung über die Finanzmärkte genügen zu können.

Wie das ausgeht, wissen die Deutschen seit Heinrich Brüning, der in der späten und infolge der hohen Reparationsforderungen hoffnungslos verschuldeten Weimarer Republik genau dieses Konzept anwandte. Er besiegelte damit das Ende der Weimarer Republik. Anfang 1933 lag die offizielle Arbeitslosenquote bei 30 Prozent.

Es ist naheliegend, Wirtschaftsmacht über Banken auszuüben. Keine andere Nation definiert ihre Wirtschaftsmacht so sehr über seine Finanzindustrie, wie es die USA tun - gefolgt von Großbritannien. Der Fed, aber auch der Bank of England, wird mitunter vorgehalten, geldpolitische Entscheidungen im Sinne der Finanzindustrie zu treffen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass beide keineswegs so unabhängig sind wie beispielsweise die EZB.

Die Fed gehört den amerikanischen Großbanken, die somit deren Aufsichtsrat dominieren und die Präsidenten der zwölf regionalen Federal Reserve Banken wählen. (3) Timothy Geithner, US-Finanzminister, war zuvor Chef der (regionalen) Fed von New York. Sein Amtsvorgänger als US-Finanzminister, Henry Paulson, stand zuvor an der Spitze von Goldman Sachs.

Die Liste von US-Bankern ließe sich weiter fortsetzen, sowohl innerhalb des US-Finanz-ministeriums (4) als auch in anderen Bereichen der US-Regierung. Top-US-Banker sind etwa auch als Wirtschaftsberater der Obama-Regierung tätig - Kenneth Chenault (Chef von American Express) und Richard Parsons (Citigroup-Chairman). (5) Auch Obamas jüngst neu berufener Stabschef, William Daley, war vormals Top-Banker bei JP Morgan Chase. (6)

Und außerhalb der Administration, in wichtigen internationalen Institutionen etwa, finden sich Ex-Top-Banker aus US-Banken. Das gilt in jedem Fall für John Lipsky, der nun seinen Posten als IWF-Vize räumt. Denn er war zuvor stellvertretender Vorsitzender und Chefökonom der US-Großbank JP Morgan Chase. (7)

Nur am Rande ist vielleicht in diesem Zusammenhang auch noch interessant, dass beispielsweise der italienische Notenbankchef Mario Draghi, der scheinbar Favorit für den Posten des EZB-Präsidenten ist, zuvor in führender Position für Goldman Sachs tätig war und dass auch die Bundesbank im Vorstand mit Andreas Dombret auf einen Ex-Top-Investmentbanker (Bank of America, Deutsche Bank, Rothschild,und JP Morgan Chase) vertraut. (8)

Es dürfte so betrachtet nicht von der Hand zu weisen sein, dass sich die Wirtschaftsmacht USA und zumindest in beachtlichem Ausmaß auch die US-Regierung stark über die eigene Finanzindustrie definieren. Es mag pointiert klingen, aber "die Finanzmärkte", das sind in gewisser Weise die USA. Oder anders ausgedrückt: Barack Obama ist der Präsident der Vereinigten Staaten, aber regiert werden die USA in viel stärkerem Maße von ihrer Finanzindustrie.

Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Turbulenzen des IWF zu sehen. Es mag sein, dass der IWF um seine Unabhängigkeit von den USA kämpft. Für die USA steht dabei viel auf dem Spiel. Sollte der IWF - vor allem mit Blick auf das weitere Vorgehen in den EU-Schuldenstaaten - künftig einen Kurswechsel vornehmen und nicht mehr einseitig auf strikte Austeritätspolitik pochen, die diese Staaten in die finanzielle Abhängigkeit von den Finanzmärkten respektive Banken und Spekulanten treibt, aus der sie sich nicht mehr zu befreien vermögen, dann wäre das im Resultat ein schwerer Schlag für die Finanz-industrie und damit auch für die Wirtschaftsmacht USA.

Natürlich ist dieser Gedankengang spekulativ. Im Zusammenhang mit der Bewertung der aktuellen Vorwürfe gegen den IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat er jedoch durchaus seine Berechtigung - vor allem im Lichte des Ausscheidens von Lipsky und des Zwecks seiner durch die Verhaftung abgebrochenen Reise -, denn es geht um Politik. Genauer gesagt: Aus Sicht der Europäer geht es um den Fortbestand der Euro-Zone und der finanziellen Unabhängigkeit von den Finanzmärkten respektive den USA.

Die USA sind eine Wirtschaftsmacht im Niedergang. Noch verfügen sie allerdings über große Macht, die abseits der militärischen Sphäre vor allem über die Finanzmärkte ausgeübt wird und der IWF ist ein wichtiger Mosaikstein in dieser Konstruktion. Die USA werden ihre Position verteidigen und sie werden dafür ihre Macht nutzen. Wenn das nicht mehr gelingt, ist die Ära der USA als führende Wirtschaftsmacht, die nach dem zweiten Weltkrieg begann, beendet. Dass das geschehen kann, darauf hat jüngst etwa auch Pimco-Chef Mohamed El-Erian richtigerweise hingewiesen und er hat auch vor den davon ausgehenden Gefahren für die Weltwirtschaft gewarnt. (9)

Dass die Bändigung der Finanzmärkte und die Reduzierung der damit einhergehenden hohen Risiken für viele Volkswirtschaften bisher nicht gelungen ist, wird so gesehen erklärbar. Die Finanzmärkte vor dem Kollaps zu bewahren und ihnen zugleich zu ermöglichen, ungehindert so weiter zu machen wie bisher, ist gleichbedeutend mit dem Erhalt der wirtschaftlichen Vormachtstellung der USA. Letztlich geht es möglicherweise überhaupt nur genau darum.

Ergänzend empfohlene Artikel:
- Dominique Straus-Kahn and the IMF (v. 19.05.11);
- Mark Weisbrot: The IMF after DSK (v. 19.05.11)
- Euro-Krise: Der Euro als Spielball - Kommentar von Stephan Schulmeister (v. 15.06.11);
- Vergewaltigungsvorwürfe: Spektakuläre Wende im Fall Strauss-Kahn (v. 01.07.11);

14 Kommentare:

  1. Respekt! Mit das Klügste, was ich im Zusammenhang mit Strauss-Kahn in den letzten 24 Stunden gelesen habe. Die Schreiberlinge bei Spiegel, Handelsblatt & Co. sollten vor Scham im Boden versinken, dass unabhängige Blogger derart fundierte Analysen liefern, während man selbst nur die Agentur-Meldungen mit Belanglosigkeiten ausschmückt.

    Im Übrigen geht es m.E. jedoch nicht darum, Griechenland eine rigide Sparpolitik durch den IWF aufzudrängen, um die Banken glücklich zu machen. Es geht darum, die Euro-Zone weiter destabilisieren, um das Dollar-Regime noch etwas länger aufrechtzuerhalten und/oder die Euro-Zone soweit sturmreif zu schießen, dass man sie in ein neues Weltwährungssystem zwingen kann. Siehe dazu auch http://www.polemik-pur.de/2011/05/dominique-strauss-kahn-entwurf-einer-verschwoerungstheorie/

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  2. "Letztlich geht es möglicherweise überhaupt nur genau darum."

    Gerald Celente, der Popstarunter den Zukunftsforschern sagt:
    (http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/udo-ulfkotte/zukunftsforscher-gerald-celente-apokalypse-2-11-nicht-mehr-abzuwenden.html)


    Erschreckend ist vor allem, dass Celente nicht einen oder zwei Kriege prognostiziert, sondern viele verschiedene, die nun kein Mensch mehr aufhalten kann, weil ihre Ursachen alle unterschiedlich sind: Kriege zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten (innerhalb eines Landes, also Arme gegen Wohlhabende); Abgabenkriege gegen Regierungen, die ständig die Steuern erhöhen, weil sie bankrott sind; ethnische Kriege innerhalb eines Landes oder zwischen Nachbarstaaten; Bürgerkriege; religiös motivierte Kriege; Territorialkriege (etwa um landwirtschaftlich nutzbare Flächen) - die Auflistung ist endlos lang. Und Celente prognostiziert zum ersten mal, dass es sich um »totale Kriege« handeln werde, bei denen alle verfügbaren Waffen skrupellos von jedem eingesetzt würden.

    Celente ist davon überzeugt, dass es hinter dieser Entwicklung eine Hand gibt, die das alles steuert. Keine höhere religiöse Macht, sondern eine Finanzoligarchie, die auf Krieg spekuliert und alles dafür tut, damit diese Entwicklung so und nicht anders kommt. Diese profitiere von steigenden Ölpreisen, steigenden Lebensmittelpreisen, Waffenverkäufen - und vor allem vom Platzen der Geldblase. Denn für das alles zahlen am Ende, so Celente, nur die einfachen Bürger. Die großen Finanzmagnaten der Welt kassieren nur und werden noch reicher. Man kann nur hoffen, dass Celente (dieses Mal) mit seiner düsteren Prognose für die zweite Jahreshälfte 2011 Unrecht hat.

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  3. Die USA befindet sich in der momentanen überlegenen Position durch den Niedergang Europas im zweiten Weltkrieg.

    Die momentane Eliten der USA ist ebenfalls aus den Kriegsgewinnlern hervorgegangen.

    Es wäre durchaus vorstellbar, dass sich einige einflußreiche Personen in den USA denken, "was einmal geklappt hat kann auch nochmal klappen".

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  4. @Bernd

    Danke für das Lob. und ja, Sie haben Recht, ich denke auch, es geht um Destabilisierung der Euro-Zone.

    Die USA haben das europäische Integrationsprojekt nie gewollt. Dass der Dollar weiter Leitwährung bleibt, ist entscheidend für die Bewahrung der Führungsrolle der USA. Verliert er diese Rolle, wird die Krise der USA unbeherrschbar.

    Der Euro ist der gefährlichste Konkurrent des Dollars, also macht es Sinn, ihn zu destabilisieren. Nur so können die USA verhindern, dass andere Staaten dem Dollar den Rücken kehren und auf den Euro umsteigen. Japan hat beispielsweise jüngst auch offiziell zu erkennen gegeben, dass man den Dollar zwar noch für eine solide Anlage hält, aber längerfristig in Euro und Gold umschichten wird.

    Grüße
    SLE

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  5. @Dr. Stefan L. Eichner:

    "Die USA haben das europäische Integrationsprojekt nie gewollt."

    In diesem Punkt irren Sie. Die USA hätten einen STARKEN Euro gefürchtet, wussten aber ganz genau, dass ein Euro mit den PIGS ein schwacher Euro würde. Damit waren zwei Ziele erreicht: Erstens eine starke Währung (die D-Mark) ausgeschaltet, zweitens ein Konstrukt geschaffen, das man zu gegebener Zeit platzen oder vergleichsweise "elegant" in eine Weltwährung überführen kann.

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  6. @ alien observer

    Ich glaube auch, dass wir gegenwärtig über die Finanzmärkte eine gigantische Umverteilung von Vermögen erleben - hatte ich auch hier im letzten Post (Warten auf Lehman 2.0) schon so geschrieben und dass das absolut beabsichtiigt ist. Es gibt nur leider keine Statistik, die zeigt, wohin das ganze Geld fließt. Aber ich denke, das ist im Grunde durchaus offensichtlich. Eigentlich findet das schon lange statt.

    Was die USA anbelangt, so sind sie natürlich auch militärisch eine Großmacht. Sieht man, wie viele Konflikte es gegenwärtig überall auf der Welt gibt, dann muss man sich fragen, wiso sie alle erst in jüngster Zeit entstanden sind. Ich bin auf diesem Gebiet kein Fachmann. Mein Eindruck ist aber, dass das alles auch mit der bröckelnden Macht der USA zu tun hat, wobei nicht klar ist, inwieweit allein die Schwäche die Konfliktbereitschaft andernorts erhöht oder ob sie aus strategischen Gründen der Weltmacht USA geschürt werden.

    Ich glaube im Übrigen, wir werden uns vermutlich wundern, wie viele aktuelle Probleme - nicht zuletzt im Zusammenhang mit der EU-Schuldenkrise - sich auf einen Schlag auflösen, sobald die USA tatsächlich unter der Last der eigenen Probleme kollabieren.

    Viele Grüße
    SLE

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  7. Hallo Herr Eichner,

    eine Frage, spielen eigentlich in Wachstumsprognosen der "Weisen" überlegungen wie ich sie in meinem Blog anstelle eine Rolle? (Liebigs Gesetz)


    Wie gelangen diese Institute zu Werten von 3% in diesem Jahr?

    Gruß
    AlienObserver

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  8. @Bernd

    Ich habe mit meiner Aussage natürlich den Rahmen historisch etwas weiter gefasst und mich auf das europäische Integrationsprojekt als Ganzes bezogen. Bezogen auf die Währungsunion würde ich Ihrer Einschätzung weitestgehend folgen, obgleich ich mich erinnere, dass in den 90er Jahren die USA das Euro-Projekt schon mit Respekt betrachteten, nach dem Motto: Ihr wollt damit doch wohl nicht den Leitwährungsstatus des Dollars infrage stellen!? Das Potenzial dazu wurde gesehen und ernst genommen.

    Aber wenn man weiter zurückblickt, so ist beispielsweise das Binnenmarktprojekt und - noch früher - das Airbusprojekt als direkte Attacke auf die USA gesehen worden, weil Europa dadurch wirtschaftlich erstarkte und mit den USA in einer Liga spielen konnte.

    Man kann sogar in die 50er Jahre zurückgehen. Die immer wieder gescheiterten Bemühungen, eine europäische Verteidigungsunion (treibende Kraft waren ja immer die Franzosen!) zu schaffen, waren nicht im Sinne der Amerikaner. EADS dürfte sie auch nicht glücklich gemacht haben und manche fragen sich, ob die Bundeswehrreform von Herrn zu Guttenberg nicht in gewisser Weise ein Wunschprogramm der USA ist, weil sie die Abhängigkeit von der Schutzmacht USA erhöht.

    Aber gut, das führt zu weit.

    Grüße
    SLE

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  9. @ alien observer

    "Wie gelangen diese Institute zu Werten von 3 Prozent in diesem Jahr?"

    Es sind im Grunde Extrapolationen. Berücksichtigt wird, was rechenbar ist. Alles andere fällt raus. Das ist auch der Grund, warum man sich auf diese Prognosen nicht verlassen kann - jedenfalls nicht in wirtschaftlich turbulenten Zeiten. Das haben wir 2008 sehen können, als die Ökonomen im 1 Halbj. optimistische Prognosen von 2 Prozent un mehr abgaben, die sie dann nach der Lehman-Pleite im Wochenrhythmus nach unten korrigierten.

    Was die Knappheit von Ressourcen anbelangt (Liebigs Gesetz), so denke ich zunächst einmal bezüglich des Öls, dass die Knappheit aktuell nicht so groß ist wie es scheint. Einmal werden von Finanzmarktakteuren großen engen Öls zu Spekulationszwecken gebunkert (z. B. auf gecharterten Supertankern) - was den Preis treibt. Zweitens brummt auch die Weltwirtschaft nicht so, wie man uns glauben machen will - schauen Sie dazu vielleicht einmal den Post "Eine vergleichende Analyse" (Stichwort Baltic Dry Index) von Georg Trappe an ( http://georgtsapereaude.blogspot.com/2011/05/eine-vergeleichende-analyse.html).

    Davon abgesehen gehe ich nicht davon aus, dass die Weisen Liebigs Gesetz berücksichtigen. Sie stützen sich auf die neoklassische Wachstumstheorie, bei der schlicht Innovativität vorausgesetzt wird und insofern die Knappheit von Ressourcen - abgesehen vom Preisniveau - keine Rolle spielt. Als es die Wachstumstheorie noch nicht gab, also vor den 50er Jahren, war die neoklassische Theorie auf die optimale Verteilung der grundsätzlich knappen und endlichen Ressourcen gerichtet - aber dafür wurde dort eben Innovation nicht berücksichtigt.

    Wennn Sie es genau wissen wollen, müssen Sie allerdings wohl Herrn Franz, Frau Weder di Mauro oder einen der übrigen Weisen fragen.

    Im militärischen Bereich spielen künftige Ressourcenknappheit und Peak Oil allerdings eine Rolle (siehe z.B. http://peak-oil.com/download/Peak%20Oil.%20Sicherheitspolitische%20Implikationen%20knapper%20Ressourcen%2011082010.pdf).

    Gruß
    SLE

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  10. @Bernd

    Stichwort "elegant in eine Weltwährung überführen" und "IWF" - Michel Camdessus, Ex-Chef des IWF, hat sich ja vor ein paar Monaten dezidiert in diese Richtung geäußert (siehe: http://www.zeit.de/2011/05/Interview-Camdessus).

    ... und jetzt wird Strauss-Kahn verhaftet und sein Vize, John Lipsky, hat bereits das Ruder beim IWF übernommen. Das spricht doch Bände, nicht wahr?

    Gruß
    SLE

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  11. Danke für die Antwort.


    Genau diese Studie habe ich auch vor einer Stunde verwiesen. :)

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  12. Frage: Ist nicht Nemat Shafik seit April 2011 Deputy MD des IMF?

    (http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/Portugal-erhaelt-Notkredit--Griechenland-wird-hingehalten/story/23421371?track)

    (http://en.wikipedia.org/wiki/Minouche_Shafik)

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  13. @ Anonym

    Sie haben Recht (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/IWF)- danke für den Hinweis und den Artikel. Die Dame scheint - aus US-Sicht und nach der Beschreibung auf wikipedia - offensichtlich absolut linientreu zu sein.

    Mittlerweile wurde DSK auf die Gefängnisinsel Rikers Island verlegt (http://www.tagesschau.de/wirtschaft/strausskahn180.html). Das sieht schon ein wenig nach dem Versuch der vollkommenen Abschottung aus. Darf er noch frei kommunizieren? Die geschichte nimmt immer groteskere Züge an.

    Gleichzeitig haben die EU-Finanzminister gestern am Abend Mario Draghi als Nachfolger für Jean-Claude Trichet nominiert. Und für Jean-Claude Juncker ist eine "sanfte" Umschuldung Griechenlands nun denkbar, während Christine Lagrade meint, sie sei vom Tisch. Trichet lehnt dagegen jede Form der Umschuldung strikt ab. Jetzt wäre es interessant zu erfahren, wie Draghi dies sieht.

    DSK ist aus dem Verkehr gezogen, aber ich denke, aus dem Spiel ist er noch nicht. Man kann fragen, warum die französische Regierung sich in dem Fall so bedeckt hält. Andererseits ist DSK Sarkozys stärkster Konkurrent bei der Präsidentschaftswahl, für die die Nominierungsphase bald ausläuft - möglicherweise ohne Nominierung DSKs.

    Man kann auch fragen, was die französische Regierung bewogen hat, Mario Draghi als EZB-Präsidenten vorzuschlagen? Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der harten Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Italien in der Nordafrika-Flüchtlingsfrage. Was mich ferner überrascht, ist, dass es scheinbar überhaupt keine Alternativen mehr zur Kandidatur Draghis gegeben haben soll. Bis vor ein paar Wochen jedenfalls galt z. B. Erkki Liikanen, finnisches EZB-Ratsmitglied, als ein echter Mitfavorit im Rennen um den Posten des EZB-Päsidenten, der zudem einen weitaus weniger amerikanischen Hintergrund, dafür aber erheblich mehr europäische Erfahrung hat.

    Gruß
    SLE

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  14. Die USA lebt von der Uneinigkeit der Europäer:
    Das Bündnis USA-Europa lässt sich mit einem Parlament vergleichen, in welchem die USA immer die Mehrheit haben und für die z.T. nötige 2/3Mehrheit sich wechselnde Koalitionspartner in Europa suchen.
    Die EU wollte dies in ein 2-Kammern-Parlament umstellen, EU die eine, USA die andere Kammer. Da verlieren die USA viel an Macht, das müssen sie verhindern.

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