Dienstag, 20. September 2011

Zur Abstufung des Italien-Ratings von S&P: Finanzmärkte demontieren Euro und europäische Wirtschaft - Europa hilft ihnen dabei


Hat Obama an eine reale Chance, dass sein geplantes 447 Milliarden Dollar Konjunktur-programm zur Beschäftigungsförderung, der „American Jobs Act“, vom US-Kongress akzeptiert wird?
Hat Obama eine reale Chance, dass sein jetzt vorgestellter Plan für ein 3 Billionen Dollar schweres Sparprogramm, inklusive Reichensteuer, im US-Kongress eine Mehrheit findet?
Denkt man an den schier unglaublichen Streit zwischen Obamas Demokraten und den Republikanern um die Anhebung der Schuldengrenze in den USA, so muss man beiden Fragen realistischerweise mit „Nein“ beantworten.
Tatsächlich geschehen ist in den USA davon abgesehen noch gar nichts.
Haben die großen US-Ratingagenturen irgendwelche Zweifel an der Realisierbarkeit von Obamas Plänen geäußert?
Haben die Ratingagenturen – angesichts der Höhe der Staatsschulden, der prekären Verschuldung vieler US-Bundessaaten und der festzustellenden beängstigenden Geschwindigkeit des Schuldenanstiegs – irgendwelche Zweifel geäußert, die genannten Maßnahmen könnten zu langsam umgesetzt werden und für die Gesundung der US-Staatsfinanzen nicht ausreichen?
Nein, das haben sie nicht getan.
Sind die Ratingagenturen ungeduldig geworden, weil sich seit dem Beschluss zur Anhebung der US-Schuldengrenze nichts getan hat?
Nein.
Standard & Poors hat indes in der letzten Nacht Italiens bisher auf den Weg gebrachte Sparmaßnahmen als nicht ausreichend bewertet und Italiens Politikern mangelnde Handlungsfähigkeit attestiert. Weil S&P zugleich für Italien eine Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten sieht, hat die Ratingagentur Italiens Kreditwürdigkeit von „A+“ auf „A“ herabgestuft und den Ausblick auf „negativ“ gesetzt. (1) Die USA bewertet S&P nach der heftig attackierten erstmaligen Herabstufung in der US-Geschichte nach wie vor mit „AA+“ – Moody´s und Fitch haben die Top-Bonitätsnote indes beibehalten.
Seit Monaten ist der Ablauf in Europas Schuldenstaaten, ob Griechenland (2), Portugal (3), Irland (4), Spanien (5) oder Italien, immer derselbe: Die Parlamente beschließen – mithin sehr harte -Sparmaßnahmen und beginnen diese gegen – teils sehr heftige – Proteste der Bevölkerung durchzusetzen, aber den Ratingagenturen reicht das nicht. Zinsen und Risikoprämien für Anleihen von Schuldenstaaten klettern unbeeindruckt immer weiter in teils aberwitzige Höhen (Griechenland) – ungeachtet aller europäischer Stützungsmaßnahmen. Gleichzeitig bewirken die Sparmaßnahmen aber eine – teils drastische (siehe Griechenland) – Verschlechterung der Wirtschaftslage, was wiederum als Bestätigung dafür genommen wird, dass nicht genug gespart wird und die Wirtschaftsaussichten sich deswegen weiter verschlechtern werden. Dass sich die Wirtschaftsaussichten weltweit verschlechtern, spielt keine Rolle.
Seit Monaten bemühen sich die Europäer im Resultat, den Wünschen der Finanzmärkte und den Wertungen der Ratingagenturen zu entsprechen. Falls nicht, so haben sie bisher jedenfalls kein Mittel gefunden, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Das gelingt ihnen aber auch deswegen nicht, weil ein Teil der Europäer Finanzmärkten und Rating-agenturen lautstark Recht gibt – und es sind auch noch durchaus prominente Entscheider, die dies tun! Die europäischen Volkswirtschaften werden so in eine Abwärtsspirale gedrückt – von europäischer Seite, so muss angenommen werden, geschieht dies aufgrund wirtschaftsliberaler Grundüberzeugungen, geflissentlich ignorierend, dass diese uns in die Finanzmarktkrise geführt haben und Austeritätspolitik kein Wachstumskonzept ist - zur Freude der Wall Street und der Londoner City. Es wird auch übersehen, dass bei den US-Ratingagenturen aufgrund von Verflechtungen in der Eigentümerstruktur mittlerweile der Verdacht auf Interessenkonflikte recht konkret geworden ist. (6)
Zugleich wird mit der daraus resultierenden Verschärfung der Schuldenmisere aber auch das Fundament des Euros erodiert, nämlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas.
Divide et impera wie aus dem Lehrbuch.
Was sie zerstört haben, werden die Europäer wohl erst merken, wenn es soweit ist.

5 Kommentare:

  1. Schöne Analyse. Man könnte sie noch um den Aspekt ergänzen, dass die "Anpassungmaßnahmen" entweder zum wirtschaftlichen oder zum politischen Bankrott führen. Werden sie eins zu eins umgesetzt, wie in Portugal und Irland, stürzt die Regierung. Wenn nicht, wie in Griechenland, droht die Pleite. Mehr zur aktuellen Lage in Athen auf lostineurope.posterous.com

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  2. Ja, es ist zum Fische fuettern. Teile und Herrsche funktioniert. Stellvertreterkriege per Ratingagenturen und Wall Street anscheinend auch. Aber nur so lange bis die Beherrschten endlich die Schwaeche in der Staerke des Herrschers erkennen und an dieser Stelle angreifen. Wenn schon einer den Krieg erklaert, und das tun die USA, dann muss man die Rechnung fuer Warenlieferungen in die USA auch mal in Euro ausstellen und die Annahme von frisch gedruckten Dollar verweigern.

    Denn die US Perspektive sieht so aus:

    http://www.businessinsider.com/why-its-absurd-when-people-say-well-the-us-can-always-print-its-way-out-of-debt-2011-8?utm_source=Triggermail&utm_medium=email&utm_term=Money%20Game%20Select&utm_campaign=MoneyGame_Select_081011

    Auch die Kommentare sind lesenswert.

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  3. @ Georg Trappe

    Danke für den Link!

    Grüße
    SLE

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  4. Man darf auch nicht vergessen, dass die Ratingagenturen im Kern die Funktion eines Thermometers haben. Für das Fieber kann man die nicht wirklich verantwortlich machen.

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  5. @ Markus Trauernicht

    Das stimmt natürlich. Doch Ratings für Staaten sind Prognosen und damit mit Unsicherheiten behaftete Schätzungen über die künftige Entwicklung.

    Im Vergleich zum Rating von Unternehmen sind diese Schätzungen bei Staaten ungleich schwieriger und mit ganz erheblichen Unsicherheiten behaftet. Welchen Indikatoren sich dafür eignen, ist eine Frage, die sehr unterschiedlich beantwortet werden kann.

    Es wäre vor diesem Hintergrund zu erwarten, dass die Ratings unterschiedlicher Agenturen mehr oder weniger stark voneinander abweichen. Das wird aber überhaupt nicht öffentlich thematisiert.

    Was die Sache und die Glaubwürdigkeit von Ratings erschwert, ist, dass die Agenturen nicht transparent machen, auf welche Kriterien sie sich stützen. Es ist nicht nachvollziehbar, wieso ein Staat wie die USA, der nichts gegen seine ständig steigende Verschuldung unternimmt, sein Toprating behält, während EU-Staaten, die Sparmaßnahmen umsetzen, fortlaufend abgewertet werden. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wieso etwa Pakistan ein besseres Rating als Griechenland haben soll, was ja nichts anderes bedeutet, als dass Pakistan - ein Tummelplatz für Taliban - für Investoren mehr Sicherheit bietet.

    Grüße
    SLE

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