Sonntag, 6. Mai 2012

Wahltag in Griechenland und Frankreich: Realitätscheck für Wahlumfragen … und die Finanzmärkte


In den letzten Tagen vor den Wahlen in Frankreich, Griechenland und Schleswig-Holstein wurde in Presse und Medien interessanterweise von einer Trendwende in der Wählerstimmung berichtet. Waren die etablierten Regierungsparteien in Frankreich der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy in den bisherigen Umfragen in der Wählergunst auf dem absteigenden Ast gewesen, so heißt es nun in vielen Berichten, es würde wohl doch noch sehr knapp werden.
Es ist die Frage, welchen Orientierungswert die Umfragen und diese neuesten Einschätzungen tatsächlich haben. Allein schon die hohe Zahl der Unentschlossenen und die unsichere Zahl der Nicht-Wähler deuten darauf hin, dass er wohl nicht allzu hoch liegen dürfte. Stattdessen wirken die Berichte in Presse und Medien eher wie ein Spiel mit den Stimmungen oder anders ausgedrückt wie der Versuch, die Unentschlossenen und Unsicheren zu beeinflussen.
Es sei nur daran erinnert, dass beispielsweise vor der Bundestagswahl im September 2005 – also nachdem Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage gestellt und den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei gemacht hatte – die Union in allen Umfragen konstant einen deutlichen Vorsprung von bis zu neun Prozent vor der SPD gehabt hatte, in der Wahl dann aber nur mit hauchdünnem Vorsprung von einem Prozentpunkt vor der SPD die Wahl gewann und in eine Große Koalition zwang.
In Griechenland ist zwar auch jetzt, unmittelbar vor der Entscheidung, nicht von einer Erholung der Nea Dimocratia (ND) und der PASOK die Rede. Angesichts des zuvor zu beobachtenden dramatischen Stimmen-verlustes in den Umfragen wäre das auch nur schwer vorstellbar. Aber immerhin wird nun offenbar doch eher damit gerechnet, dass sie gemeinsam genug Stimmen für eine Mehrheit im Parlament bekommen. Sicher ist das keineswegs. Ganz sicher ist es aber genau das, was die EU hofft. Andernfalls sind vermutlich auch die Rettungspläne für Griechenland nur noch Makulatur.
Die Sorge vor neuen Turbulenzen an den Finanzmärkten und möglichen Konsequenzen für die Euro-Zone überwiegt bei der Wahl in Griechenland alles andere – jedenfalls auf Seiten der Euro-Partner Griechenlands. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Griechen dieselben Prioritäten setzen. Inwieweit sie dem dennoch mit ihrer Wahlentscheidung Rechnung tragen, darüber kann nur spekuliert werden. Es lässt sich nicht prognostizieren, ob für die Mehrheit der Griechen der austeritätspolitische Bogen schon überspannt worden.
Genau dies ist der Punkt, der bei den Euro-Partnern den größten Anlass zur Sorge geben dürfte. Wenn es für Nea Dimocratia und PASOK heute nicht für eine Parlamentsmehrheit reicht, weil zu viele Griechen nicht mehr mitmachen, vielleicht auch gerade deswegen, weil es die PASOk noch nicht einmal mehr schafft, zweitstärkste Kraft zu werden, dann wird es kompliziert – für Griechenland, für die Euro-Zone und, nicht zu vergessen, für die Finanzmärkte.
Geht man vom Nahliegenden aus, nämlich einer Drei-Parteien-Koalition, dann sieht es selbst dafür nicht gut aus. Zu weit liegen die Positionen der denkbar möglichen Koalitionspartner in entscheidenden Punkten auseinander. (1) Viele Griechen werden das wissen und auch, wie ungewiss dann die Zukunft wird. Es ist für sie eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Finanzmärkte, so viel ist sicher, mögen Ungewissheit nicht.
Spätestens Montagmorgen werden wir wissen, was die Umfragen und Einschätzungen wirklich wert waren. Die Finanzmärkte werden wie immer die Ersten sein, die es wissen.

Letzte Berichte zu den laufenden Wahlen:


Frankreich:      Hohes Interesse auf der Zielgeraden (v. 6.05.12 - 13:29 Uhr)
Griechenland:  Eine Wahl des geringeren Übels (v. 6.05.12 - 03:25 Uhr)
Serbien:          Parlaments- u. Präsidentschaftswahlen: Die Zukunft soll in Europa liegen (v. 6.05.12 - 11:14 Uhr)

Schleswig-Holstein: Mäßige Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein (v. 6.05.12 - 14:40 Uhr)


Wahlausgang:


Frankreich:      Hollande gewinnt Stichwahl: Machtwechsel im Élysée-Palast (v. 7.05.12)
Griechenland:  Wahldebakel für griechische Regierungsparteien (v. 7.05.12)

                         Greek election: what the results mean (v. 7.05.12) 
                         Griechisches Innenministerium: Wahlergebnisse
                         Nach der Wahl in Griechenland: Samaras scheitert mit Regierungsbildung (v. 7.05.12)
Serbien:           Serben setzen auf Kontinuität (v. 7.05.12)


Schleswig-Holstein:  Das Ergebnis steht fest, der Sieger nicht (v. 7.05.12)

5 Kommentare:

  1. Die Angst vor den Märkten wird von Berlin bewusst geschürt. Hollande werde nur vier Wochen haben, bevor er sein Wirtschaftsprogramm aufgeben müsse, höhte Kanzlerin Merkel. Und Finanzminister Schäuble bedroht Griechenland sogar mit dem Rausschmiss aus der EU. mit Demokratie hat das alles nicht mehr viel zu tun... http://lostineurope.posterous.com/spiel-mit-der-angst-ii

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  2. Halten wir uns an die Fakten. Die kommen in ein paar Stunden. Sind sie wichtig ? NEIN. Wichtig würde das Wahlergebnis in den USA, im November.

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    1. Ich bin sehr dafür, immer nah bei den Fakten zu bleiben. Leider ist das in Presse und Medien sehr oft nicht so - nicht nur vor Wahlen, sondern auch mit Blick auf andere Entwicklungen in Europa, die für die Finanzmärkte relevant sind (z. B. Ratings).

      Insofern ist es ja durchaus angebracht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass jede Menge Nebelbomben geworfen werden, um die Realität zu verschleiern. Das gilt ganz besonders auch mit Blick auf die USA, die im Verschleiern wirklich gut sind (siehe z. B die Arbeitslosenstatistik),deren Schuldenkrise sich ungebremst weiter verschärft, aber dennoch wenig Medienaufmerksamkeit bekommt.

      Viele Grüße
      SLE

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    2. Kleines Medienbeispiel gefaellig?
      http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/frankreich-es-leben-die-ratingagenturen-11740852.html?google_editors_picks=true
      Viele Gruesse
      Georg Trappe

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  3. Ja, es ist Stimmungsmache von außen und soll natürlich die Wähler beeinflussen.

    Was jedoch deutsche Politiker in Bezug auf Griechenland sagen, könnte sich sehr gut das Gegenteil bewirken. Warum wohl reisen Frau Merkel oder Herr Schäuble nicht einfach einmal nach Griechenland, um den Bürgern vor Ort zu erklären, warum der von ihnen geforderte Sparkurs alternativlos und richtig ist?

    Grüße
    SLE

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