In den
letzten Tagen vor den Wahlen in Frankreich, Griechenland und Schleswig-Holstein
wurde in Presse und Medien interessanterweise von einer Trendwende in der
Wählerstimmung berichtet. Waren die etablierten Regierungsparteien in
Frankreich der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy in den bisherigen Umfragen in
der Wählergunst auf dem absteigenden Ast gewesen, so heißt es nun in vielen
Berichten, es würde wohl doch noch sehr knapp werden.
Es
ist die Frage, welchen Orientierungswert die Umfragen und diese neuesten Einschätzungen
tatsächlich haben. Allein schon die hohe Zahl der Unentschlossenen und die
unsichere Zahl der Nicht-Wähler deuten darauf hin, dass er wohl nicht allzu
hoch liegen dürfte. Stattdessen wirken die Berichte in Presse und Medien eher
wie ein Spiel mit den Stimmungen oder anders ausgedrückt wie der Versuch, die
Unentschlossenen und Unsicheren zu beeinflussen.
Es
sei nur daran erinnert, dass beispielsweise vor der Bundestagswahl im September
2005 – also nachdem Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage gestellt und den
Weg für vorgezogene Neuwahlen frei gemacht hatte – die Union in allen Umfragen konstant
einen deutlichen Vorsprung von bis zu neun Prozent vor der SPD gehabt hatte, in
der Wahl dann aber nur mit hauchdünnem Vorsprung von einem Prozentpunkt vor der
SPD die Wahl gewann und in eine Große Koalition zwang.
In
Griechenland ist zwar auch jetzt, unmittelbar vor der Entscheidung, nicht von
einer Erholung der Nea Dimocratia (ND) und der PASOK die Rede. Angesichts des
zuvor zu beobachtenden dramatischen Stimmen-verlustes in den Umfragen wäre das
auch nur schwer vorstellbar. Aber immerhin wird nun offenbar doch eher damit
gerechnet, dass sie gemeinsam genug Stimmen für eine Mehrheit im Parlament
bekommen. Sicher ist das keineswegs. Ganz sicher ist es aber genau das, was die
EU hofft. Andernfalls sind vermutlich auch die Rettungspläne für Griechenland
nur noch Makulatur.
Die
Sorge vor neuen Turbulenzen an den Finanzmärkten und möglichen Konsequenzen für
die Euro-Zone überwiegt bei der Wahl in Griechenland alles andere – jedenfalls auf
Seiten der Euro-Partner Griechenlands. Es ist nicht davon auszugehen, dass die
Griechen dieselben Prioritäten setzen. Inwieweit sie dem dennoch mit ihrer
Wahlentscheidung Rechnung tragen, darüber kann nur spekuliert werden. Es lässt
sich nicht prognostizieren, ob für die Mehrheit der Griechen der austeritätspolitische
Bogen schon überspannt worden.
Genau
dies ist der Punkt, der bei den Euro-Partnern den größten Anlass zur Sorge
geben dürfte. Wenn es für Nea Dimocratia und PASOK heute nicht für eine
Parlamentsmehrheit reicht, weil zu viele Griechen nicht mehr mitmachen, vielleicht
auch gerade deswegen, weil es die PASOk noch nicht einmal mehr schafft,
zweitstärkste Kraft zu werden, dann wird es kompliziert – für Griechenland, für
die Euro-Zone und, nicht zu vergessen, für die Finanzmärkte.
Geht
man vom Nahliegenden aus, nämlich einer Drei-Parteien-Koalition, dann sieht es
selbst dafür nicht gut aus. Zu weit liegen die Positionen der denkbar möglichen
Koalitionspartner in entscheidenden Punkten auseinander. (1) Viele Griechen
werden das wissen und auch, wie ungewiss dann die Zukunft wird. Es ist für sie
eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Die Finanzmärkte, so viel ist sicher,
mögen Ungewissheit nicht.
Spätestens Montagmorgen
werden wir wissen, was die Umfragen und Einschätzungen wirklich wert waren. Die Finanzmärkte werden wie immer die Ersten sein, die es wissen.
Letzte Berichte zu den laufenden Wahlen:
Frankreich: Hohes Interesse auf der Zielgeraden (v. 6.05.12 - 13:29 Uhr)
Griechenland: Eine Wahl des geringeren Übels (v. 6.05.12 - 03:25 Uhr)
Serbien: Parlaments- u. Präsidentschaftswahlen: Die Zukunft soll in Europa liegen (v. 6.05.12 - 11:14 Uhr)
Schleswig-Holstein: Mäßige Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein (v. 6.05.12 - 14:40 Uhr)
Wahlausgang:
Frankreich: Hollande gewinnt Stichwahl: Machtwechsel im Élysée-Palast (v. 7.05.12)
Griechenland: Wahldebakel für griechische Regierungsparteien (v. 7.05.12)
Greek election: what the results mean (v. 7.05.12)
Griechisches Innenministerium: Wahlergebnisse
Nach der Wahl in Griechenland: Samaras scheitert mit Regierungsbildung (v. 7.05.12)
Serbien: Serben setzen auf Kontinuität (v. 7.05.12)
Schleswig-Holstein: Das Ergebnis steht fest, der Sieger nicht (v. 7.05.12)
Die Angst vor den Märkten wird von Berlin bewusst geschürt. Hollande werde nur vier Wochen haben, bevor er sein Wirtschaftsprogramm aufgeben müsse, höhte Kanzlerin Merkel. Und Finanzminister Schäuble bedroht Griechenland sogar mit dem Rausschmiss aus der EU. mit Demokratie hat das alles nicht mehr viel zu tun... http://lostineurope.posterous.com/spiel-mit-der-angst-ii
AntwortenLöschenHalten wir uns an die Fakten. Die kommen in ein paar Stunden. Sind sie wichtig ? NEIN. Wichtig würde das Wahlergebnis in den USA, im November.
AntwortenLöschenIch bin sehr dafür, immer nah bei den Fakten zu bleiben. Leider ist das in Presse und Medien sehr oft nicht so - nicht nur vor Wahlen, sondern auch mit Blick auf andere Entwicklungen in Europa, die für die Finanzmärkte relevant sind (z. B. Ratings).
LöschenInsofern ist es ja durchaus angebracht, immer wieder darauf hinzuweisen, dass jede Menge Nebelbomben geworfen werden, um die Realität zu verschleiern. Das gilt ganz besonders auch mit Blick auf die USA, die im Verschleiern wirklich gut sind (siehe z. B die Arbeitslosenstatistik),deren Schuldenkrise sich ungebremst weiter verschärft, aber dennoch wenig Medienaufmerksamkeit bekommt.
Viele Grüße
SLE
Kleines Medienbeispiel gefaellig?
Löschenhttp://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/frankreich-es-leben-die-ratingagenturen-11740852.html?google_editors_picks=true
Viele Gruesse
Georg Trappe
Ja, es ist Stimmungsmache von außen und soll natürlich die Wähler beeinflussen.
AntwortenLöschenWas jedoch deutsche Politiker in Bezug auf Griechenland sagen, könnte sich sehr gut das Gegenteil bewirken. Warum wohl reisen Frau Merkel oder Herr Schäuble nicht einfach einmal nach Griechenland, um den Bürgern vor Ort zu erklären, warum der von ihnen geforderte Sparkurs alternativlos und richtig ist?
Grüße
SLE