Wenn die gestrige Rede des US-Präsidenten vor
beiden Kammern des Kongresses etwas verdeutlicht hat, dann war das die Lage der
Republikaner, die nicht nur die Präsidentschaftswahl verloren, sondern sich
auch danach politisch weiter ins Abseits geschossen haben. Marco Rubio, ein
Hoffnungsträger der Republikaner, der die traditionelle Erwiderungsrede hielt,
hatte von vornherein einen schweren Stand. (1)
Neues im Kampf gegen die schwächelnde
US-Wirtschaft und die hohe Arbeitslosigkeit hatte Barack Obama in seiner Rede
zur Lage der Nation gestern indes kaum zu bieten. Förderung erneuerbarer
Energien, Investitionen in Infrastrukturen und Bildung, Stärkung des Mittelstands
der amerikanischen Gesellschaft und der US-Wirtschaft (2), all das hat er schon
bei seinen früheren Reden immer wieder in den Mittelpunkt gestellt. Gleichwohl
sind seine diesbezüglichen Pläne – soweit er dafür die Zustimmung des nach wie
vor von den Republikanern dominierten Kongresses benötigt – kaum über das
Stadium von Wunschlisten hinausgekommen. Denn am Zustand der politischen
Lähmung, der sich aus den völlig konträren Auffassungen bezüglich der Krisenpolitik
von Demokraten und Republikanern ableitet, hat sich nichts geändert – natürlich
auch nach der gestrigen Rede nicht.
Dass der Präsident dieses Mal insbesondere
auch die Stärkung der gewerblichen Wirtschaft als Aufgabe hervorhob, war jedoch
schon irgendwie neu. Bei seiner Rede zur Lage der Nation Anfang 2012 hatte er nämlich
noch den Eindruck erweckt, die US-Wirtschaft sei schon wieder auf dem Weg nach
oben und die USA ebenso innovativ wie stark.
Damals, Anfang 2012, standen die USA noch
ganz unter dem Eindruck der landesweiten Protestwelle von „Occupy Wall Street“ gegen
Banken und die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich –
von der heute niemand mehr redet und die völlig aus den Seiten der Zeitungen
verschwunden ist. Barack Obama hatte dieses Thema letztes Jahr sehr geschickt zum
emotional bewegenden Schwerpunkt seiner Rede gemacht gefordert, die Macht der
Banken müsse begrenzt, ein Systemwandel vollzogen und der amerikanische Traum
wiederbelebt werden. (3) Das war der Höhepunkt, der ihm viel Applaus einbrachte,
das war es, was in den Köpfen hängenblieb.
Auch dieses Mal hat der US-Präsident ein
Thema zum emotionalen Höhepunkt seiner Rede gemacht, das die USA gegenwärtig –
endlich einmal, möchten man ergänzen - wie kaum ein anderes bewegt, nämlich die
nach mehreren Amokläufen von ihm erhobene Forderung einer Verschärfung der
Waffengesetzte. Die vielen neuen Bankenskandale – von den bei Derivategeschäften
verzockten Milliarden bei der US-Bank JP Morgan über die Ungereimtheiten im
Zusammenhang mit dem Börsengang von Facebook bis zur noch nicht geklärten Frage,
inwieweit Wall-Street-Banken bei der Manipulation des Libor-Referenzzinssatzes bis
in die jüngere Vergangenheit mitgemischt haben – sprach er nicht an. Auch die
nach wie vor nicht weniger große Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen in den
USA, adressierte er gestern nur insofern, als er – im Zusammenhang mit dem
Haushalts-streit um die Konsolidierung der Staatsfinanzen – eine gerechte
Verteilung der Lasten forderte.
All das zeigt einmal mehr, wie wenig sich
aus der Rede zur Lage der Nation auf die Lage der Nation schließen lässt und
vor allem auf die angesichts der politischen Lähmung entscheidende Antwort auf
die Frage, was die US-Regierung für die Krisenbewältigung tatsächlich zu tun
vermag? Das hätte sicherlich auch Ben Bernanke interessiert, der seit Monaten
den Lückenbüßer für die US-Regierung und entscheidungsunwillige Abgeordnete spielt.
Denkt man nicht nur an die traurige Rolle
der Fed, sondern auch einmal daran, wie viele enge Vertraute und Berater Barack
Obama in seiner ersten Amtszeit verloren hat – von Peter Orszag über Rahm
Emanuel, Prof. Christina Romer, Prof. Lawrence Summers bis hin zu Paul Volcker –
und wie viele Ministerposten er aufgrund von Abgängen in den ersten Wochen nach
seiner Wiederwahl neu besetzen musste– inzwischen insgesamt sechs –, dann springt
einem die Washingtoner Realität nach dieser selbstbewussten, hoffnungsfrohen und
mit viel Beifall beweihräucherten Rede zur Lage der Nation wieder unmittelbar
ins Auge. Diese Realität ist ebenso wie die Überwindung von
Wirtschaftsschwäche, Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung in den USA alles
andere als rosig. Die Rede zur Lage der Nation, das ist in erster Linie eine politisch
notwendige Show.
Neu war freilich in der diesjährigen Version
der Rede zur Lage der Nation auch, dass der US-Präsident sich explizit für
Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Freihandelsabkommen aussprach,
weil er sich davon – nicht zuletzt – auch neue Jobs in den USA verspricht. Das war
schon eine kleine Überraschung. Denn in den beiden vergangenen Jahren hatte die
US-Regierung deutlich gemacht, dass sie den neuen Schwerpunkt der wirtschaftlichen
und außenpolitischen Interessen im asiatisch-pazifischen Raum sieht, insbesondere
auch mit dem beschlossenen Ausbau des Freihandels im Rahmen der „Asia-Pacific
Economic Cooperation“ (APEC) (4), an dem sich China aus naheliegenden Gründen freilich
nicht beteiligt (5).
Die Europäer dürfen nun rätseln, ob dies
eine verklausulierte Würdigung ihrer „Erfolge“ bei der Bekämpfung der
Euro-Krise ist oder ein gut getarnter Hinweis auf den Ernst der wirtschaftlichen
und finanziellen Lage der USA.
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