Die Euro-Krise hat ihren Schrecken
verloren. Zumindest sind die Zeiten alarmierend hoher und dennoch weiter
steigender Zinsen und Risikoprämien auf Staatsanleihen von europäischen Krisenstaaten
vorbei – vorerst jeden-falls. Der Alarmismus der Presse und der Medien ist
verschwunden, über Massenproteste wird praktisch nicht mehr berichtet, was
nicht heißt, dass es keine mehr gibt. Und vielleicht ist überhaupt nur genau
dies der Grund dafür, dass die Krise von vielen als abgehakt oder doch zumindest
als nicht mehr gefährlich wahrgenommen wird – gerade in Deutschland.
Die Staatsschuldenprobleme in Europa sind
trotz mehrerer Runden austeritätspolitischer Maßnahmen in den Krisenstaaten nicht
wirklich gelöst, auch wenn die Regierungen der betreffenden Länder sowie die Vertreter
der Euro-Gruppe gerne den Eindruck vermitteln, man sei auf einem guten Weg und auch
mit der europäischen Wirtschaft gehe es langsam wieder bergauf. Nur am Rande: Herr
Shinzo Abe sagt in Japan ja genau dasselbe. Die Austeritätspolitik hat die europäischen
Volkswirtschaften, in denen sie angewendet wird, in die Knie gezwungen. Die
Arbeitslosigkeit ist dort überall extrem angestiegen, sehr viele kleine und
mittelgroße Firmen sind aufgrund der eingebrochenen Nachfrage pleitegegangen. Das
trifft selbstverständlich auch die Exporteure aus Deutschland und anderen
Mitgliedstaaten.
Außerdem schwebt Europa natürlich nicht im
luftleeren Raum. Die wirtschaftliche Entwicklung sowie mögliche neue Krisensituationen
in anderen Weltregionen, zum Beispiel Japan mit den riskanten „Abenomics“ und
China mit seiner Immobilienblase, dem Berg fauler Kredite, den massiven
Umweltproblemen, insbesondere in den Großstädten (Smog) und dem sich sukzessive
abkühlenden Wachstum, beeinflussen oder limitieren die weitere wirtschaftliche
Entwicklung Europas. Ein Schweizer Banker sagte kürzlich in einer
Gesprächsrunde der Neuen Zürcher Zeitung, die wirtschaftliche Entwicklung
Deutschlands sei ein Derivat der Nachfrage Chinas. (1) Das mag etwas überspitzt
ausgedrückt sein, weist aber sehr zutreffend auf die hohen Abhängigkeiten
großer deutscher Exporteure, etwa der Autohersteller, und damit des deutschen
Exportmodells von der Entwicklung in China hin. Insofern ist es auch eine
gelungene Metapher, denn die deutsche Wirtschaft „wettet“ auf China.
Nur weil die Informationen zur
wirtschaftlichen, finanziellen und – nicht zu vergessen – der politischen
Entwick-lungen in Japan und vor allem China in der deutschen Presse und in den Medien
nur sehr spärlich fließen, heißt das selbstverständlich nicht, dass sie nicht
wichtig für uns und die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und hierzulande sind.
Und hohe Unternehmenskonzentration und starke Vernetzung auf den globalen Märkten
sowie hohe wirtschaftliche und finanzielle Abhängigkeiten sind heute eine
Garantie für Krisen, wie wir sie infolge der Lehman-Pleite 2008 erlebten. Was
der Auslöser ist und wo, geographisch gesehen, sie ausgelöst werden, ist egal.
Regierungspolitiker in Bund und Ländern
haben die Deutschen zum Jahreswechsel, ja, vielleicht muss man sagen „angemahnt,
optimistischer in die Zukunft zu blicken. Es sei nicht alles so schlecht, wie
es die Deutschen gerne redeten. Schließlich liege etwa die Beschäftigung in Deutschland
auf Rekordniveau. Die Ökonomen von diversen Instituten haben mit günstigen Wirtschaftsprognosen
für 2014 bereits zuvor ihren Teil zur Verbesserung der Stimmung beigesteuert.
Und ja, seien wir ehrlich, sind wir es
nicht auch leid, das fortlaufende Krisengetöse, die immer neuen Warnungen vor
dem bevorstehenden „Untergang“, die Diskussionen über die Ursachen und was man unbedingt
anders machen müsste?
In der Tat scheint die Sache ausdiskutiert
zu sein. Alle Warnungen wurden scheinbar ausgesprochen, alle Aspekte der Krise,
alle Fakten und Argumente für und wider die Krisenpolitik, die in Europa verfolgt
wird, wurden wieder und wieder genannt und durchgekaut. Doch die
Schuldenstaaten sind nicht pleitegegangen, die Währungsunion ist nicht
auseinandergebrochen, der nächste Crash ist ausgeblieben und das bereits so
lange schon, dass auch die Warnungen der hartnäckigsten Rufer inzwischen entweder
verstummt sind oder ungehört im Nichts verhallen.
Anders ausgedrückt: Wir sind wieder
bereit, die Dinge optimistisch zu sehen, weil wir sie nicht mehr länger
pessimistisch sehen wollen. Oder: Wir sind wieder an jenem Punkt angelangt, an
dem uns eine „plötzlich“ eintretende Krise „überraschen“ kann.
Das hat unbestreitbar Vorteile für die
Euro-Retter und Krisenbekämpfer. Sie können uns wieder erzählen, die Krise habe
niemand vorhersehen können und dass es eine neue, andere Krise sei, weil man
die alte ja erfolgreich in den Griff bekommen hatte. Sie könnten es, weil wir erst
das Interesse an der Krise und der Krisenpolitik und dann den Überblick
verloren haben.
Wozu also all das Krisengerede? Fügen wir
uns in das Unvermeidliche. Lassen sie uns die Euro- und Schulden- Krise für
beendet erklären, so wie Ronald Pofalla die NSA-Affäre für beendet erklärt hat.
Lassen Sie uns Urlaub von der Krise machen. Wir können uns dann ja wieder mit
neuer Energie darüber aufregen, wenn´s erneut losgehen sollte und brauchen uns
die Zeit bis dahin nicht mit dem mühseligen Verfolgen und Diskutieren der Fakten
und der weiteren wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Entwicklungen
in Europa, den USA, China und anderswo abquälen.
Wir hätten wieder viel mehr Zeit für
schönere Dinge, könnten uns vom Krisenstress erholen. Das wäre doch was oder
nicht!?
Überraschung und Ratlosigkeit von
Fachleuten und Politikern wirken auf uns zudem viel überzeugender, wenn wir nicht
informiert sind. Haben Sie den Mut zur Informationslücke! Denken Sie nicht
immer nur an sich, sondern bitte auch mal an all die Verantwortlichen, die Sie
gewählt oder auch nicht gewählt haben, die sich wegen der Euro- Krise ständig „für
uns“ den Kopf zerbrechen müssen.
Es wäre eine echte „Win-win“-Situation. Die
Verantwortlichen wollen es, wir wollen es.
Aber wir sind nun einmal Deutsche und
brauchen es deswegen schon amtlich. Lassen Sie uns also darauf hoffen, dass vielleicht
Frau Merkel oder ein Mitglied der neuen Bundesregierung sich einen Ruck gibt und
uns erlöst und die Krise offiziell für beendet erklärt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein
frohes und gutes Neues Jahr. Lassen Sie sich überraschen.
Vielen Dank. Die nächsten Aufsätze werden übrigens wieder das Thema Vermögenskonzentration haben. Sie knüpfen an die letzten an und geben den neuen Stand der Entwicklung wieder.
AntwortenLöschenViele Grüße
SLE