Seit Monaten steht allein die griechische
Regierung von Alexis Tsipras in der Kritik europäischer Politiker und Medien. Nie
wurden ernste Zweifel geäußert, dass es vielleicht nicht oder wenigstens nicht
allein die griechische Regierung ist, die sich mit unzureichenden Vorschlägen
und unverantwortlichem Taktieren gegen eine Lösung des Schuldenstreits und letztlich
der Griechenlandkrise sperrt. Doch so einfach ist es nicht und das wird nun, in
der Hochphase der Verhandlungen, doch wieder deutlich.
Monatelang war der Eindruck erweckt
worden, dass die für die Lösung der Krise erforderlichen Maßnahmen im Grunde
vollkommen klar seien. Doch nun ist, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet (1),
ein Streit zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen
Kommission über die richtigen Maßnahmen entbrannt. Der IWF wirft der
Europäischen Kommission vor, gegenüber Athen zu nachgiebig zu sein und sich so immer
weiter vom ursprünglich vereinbarten und für die Verhandlungen nach wie vor
maßgeblichen Forderungs-papier zu entfernen. Aus EU-Kreisen wiederum hieß es,
der IWF sei offenbar nicht an einem Deal interessiert. (2)
Ob die Europäische Kommission dies nun
beabsichtigt hat oder nicht ändert im Grunde nichts daran, dass sie mit ihrer ablehnenden
Haltung gegenüber den harten Forderungen des IWF der beharrlichen Fundamentalkritik
der neuen Athener Regierung am bisherigen Sanierungskurs der Troika zumindest
bis zu einem gewissen Grad recht gibt. So kann man es zumindest sehen.
Es ist darüber hinaus kein Geheimnis, dass
bezüglich der von Athen zu fordernden Reformmaßnahmen immer wieder die Fetzen
geflogen sind zwischen IWF und Europäischer Kommission. Außerdem ist seit dem richtungs-weisenden
Gutachten des EuGH-Generalanwalts zur Rechtmäßigkeit des OMT-Programms (Outright
Monetary Transactions) der EZB klar, dass diese nicht gleichzeitig
Staatsanleihen von mit Hilfsprogrammen gestützten Euro-Staaten aufkaufen und bei
den von diesen Staaten zu fordernden Reformschritten mitreden darf. (3)
So betrachtet ist das Ende der sogenannten
Troika, bestehend aus Europäischer Kommission, EZB und IWF, eigentlich längst
besiegelt.
Zudem ist die Erfolgsbilanz der bisherigen
Troika-Sanierung keineswegs nur im Falle Griechenlands alles andere als eindeutig
positiv. Die griechische Wirtschaft liegt am Boden, die Insolvenzzahlen sind in
die Höhe geschnellt, Arbeitslosigkeit und Armut sind explodiert und deswegen
sind – allen Reformen und dem Schuldenschnitt von 2012 zum Trotz – die Staatsschulden
keineswegs sukzessive gesunken. (3) Das ist auch der Grund, warum jetzt über
ein drittes Hilfsprogramm und einen neuen Schuldenschnitt diskutiert wird.
Eines ist klar: Ohne wirtschaftliche
Erholung hat Griechenland überhaupt keine Chance, aus der Krise kommen und der
bisherige, seit 2010 verfolgte Sanierungskurs der Troika, hat sich in diesem
Punkt nicht nur nicht bewährt, sondern als kontraproduktiv erwiesen.
Es widerspricht jeder Vernunft und schadet
der EU, dies noch länger zu leugnen. Die europäische Krisenpolitik gehört
eindeutig auf den Prüfstand. Mehr noch bedarf es offensichtlich grundlegender
Korrekturen, vielleicht auch einfach nur mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung
von Sanierungspaketen, sofern nicht riskiert werden soll, dass längerfristig die
wirtschaftliche Stabilität der Eurozone als Ganzes der kurzfristigen und
kurzsichtigen „Lösung“ der bestehenden Schuldenprobleme geopfert wird. Es geht
für Europa eben nicht nur um finanzielle Fragen, sondern auch und insbesondere
um Wachstum und Beschäftigung.
So betrachtet kann es sich der IWF zwar leisten,
starr am bisherigen Sanierungskurs festzuhalten. Schließlich ist er keine
europäische Institution und muss insofern auch ganz andere Prioritäten setzen
als die europäischen Institutionen und die Mitglieder der Euro-Gruppe. Europa kann
es sich indes nicht mehr leisten.
Vielleicht ist es deswegen jetzt an der
Zeit, dass Europa allein die Verantwortung für die Krisenbewältigung übernimmt
und der IWF die Kommandobrücke verlässt. Der aktuell erneut ausgebrochene
Streit zwischen dem IWF und der Europäischen Kommission über das richtige
Sanierungskonzept für Griechenland zeigt an, dass die Zeit für diesen Schritt
gekommen ist. Der IWF steht letztlich vielleicht doch mehr als Athen einer geeigneten
Krisenlösung im Weg, denn die erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität, die
dieser sich nicht leisten kann oder will.
Das der IWF die Brücke verläßt wird man leider nicht erleben.
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