Mittwoch, 24. Juni 2015

Der unendliche Schuldenstreit: Ist vielleicht doch nicht Athen, sondern der IWF das größere Problem?



Seit Monaten steht allein die griechische Regierung von Alexis Tsipras in der Kritik europäischer Politiker und Medien. Nie wurden ernste Zweifel geäußert, dass es vielleicht nicht oder wenigstens nicht allein die griechische Regierung ist, die sich mit unzureichenden Vorschlägen und unverantwortlichem Taktieren gegen eine Lösung des Schuldenstreits und letztlich der Griechenlandkrise sperrt. Doch so einfach ist es nicht und das wird nun, in der Hochphase der Verhandlungen, doch wieder deutlich.
Monatelang war der Eindruck erweckt worden, dass die für die Lösung der Krise erforderlichen Maßnahmen im Grunde vollkommen klar seien. Doch nun ist, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet (1), ein Streit zwischen dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Kommission über die richtigen Maßnahmen entbrannt. Der IWF wirft der Europäischen Kommission vor, gegenüber Athen zu nachgiebig zu sein und sich so immer weiter vom ursprünglich vereinbarten und für die Verhandlungen nach wie vor maßgeblichen Forderungs-papier zu entfernen. Aus EU-Kreisen wiederum hieß es, der IWF sei offenbar nicht an einem Deal interessiert. (2)
Ob die Europäische Kommission dies nun beabsichtigt hat oder nicht ändert im Grunde nichts daran, dass sie mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den harten Forderungen des IWF der beharrlichen Fundamentalkritik der neuen Athener Regierung am bisherigen Sanierungskurs der Troika zumindest bis zu einem gewissen Grad recht gibt. So kann man es zumindest sehen.
Es ist darüber hinaus kein Geheimnis, dass bezüglich der von Athen zu fordernden Reformmaßnahmen immer wieder die Fetzen geflogen sind zwischen IWF und Europäischer Kommission. Außerdem ist seit dem richtungs-weisenden Gutachten des EuGH-Generalanwalts zur Rechtmäßigkeit des OMT-Programms (Outright Monetary Transactions) der EZB klar, dass diese nicht gleichzeitig Staatsanleihen von mit Hilfsprogrammen gestützten Euro-Staaten aufkaufen und bei den von diesen Staaten zu fordernden Reformschritten mitreden darf. (3)
So betrachtet ist das Ende der sogenannten Troika, bestehend aus Europäischer Kommission, EZB und IWF, eigentlich längst besiegelt.
Zudem ist die Erfolgsbilanz der bisherigen Troika-Sanierung keineswegs nur im Falle Griechenlands alles andere als eindeutig positiv. Die griechische Wirtschaft liegt am Boden, die Insolvenzzahlen sind in die Höhe geschnellt, Arbeitslosigkeit und Armut sind explodiert und deswegen sind – allen Reformen und dem Schuldenschnitt von 2012 zum Trotz – die Staatsschulden keineswegs sukzessive gesunken. (3) Das ist auch der Grund, warum jetzt über ein drittes Hilfsprogramm und einen neuen Schuldenschnitt diskutiert wird.
Eines ist klar: Ohne wirtschaftliche Erholung hat Griechenland überhaupt keine Chance, aus der Krise kommen und der bisherige, seit 2010 verfolgte Sanierungskurs der Troika, hat sich in diesem Punkt nicht nur nicht bewährt, sondern als kontraproduktiv erwiesen.
Es widerspricht jeder Vernunft und schadet der EU, dies noch länger zu leugnen. Die europäische Krisenpolitik gehört eindeutig auf den Prüfstand. Mehr noch bedarf es offensichtlich grundlegender Korrekturen, vielleicht auch einfach nur mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung von Sanierungspaketen, sofern nicht riskiert werden soll, dass längerfristig die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone als Ganzes der kurzfristigen und kurzsichtigen „Lösung“ der bestehenden Schuldenprobleme geopfert wird. Es geht für Europa eben nicht nur um finanzielle Fragen, sondern auch und insbesondere um Wachstum und Beschäftigung.
So betrachtet kann es sich der IWF zwar leisten, starr am bisherigen Sanierungskurs festzuhalten. Schließlich ist er keine europäische Institution und muss insofern auch ganz andere Prioritäten setzen als die europäischen Institutionen und die Mitglieder der Euro-Gruppe. Europa kann es sich indes nicht mehr leisten.
Vielleicht ist es deswegen jetzt an der Zeit, dass Europa allein die Verantwortung für die Krisenbewältigung übernimmt und der IWF die Kommandobrücke verlässt. Der aktuell erneut ausgebrochene Streit zwischen dem IWF und der Europäischen Kommission über das richtige Sanierungskonzept für Griechenland zeigt an, dass die Zeit für diesen Schritt gekommen ist. Der IWF steht letztlich vielleicht doch mehr als Athen einer geeigneten Krisenlösung im Weg, denn die erfordert ein gewisses Maß an Flexibilität, die dieser sich nicht leisten kann oder will.

1 Kommentar:

  1. Das der IWF die Brücke verläßt wird man leider nicht erleben.

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