Ist die Europäische Union mit ihrer
Krisenpolitik auf dem richtigen Weg?
Glaubt man führenden Politikern, dann ist
das der Fall. Die Fakten und eine Reihe von Veränderungen und vor allem immer
wieder auftretende sowie anhaltende Streitigkeiten über den krisenpolitischen
Kurs strafen sie indes Lügen. Das wirft eine wichtig Frage auf: Was macht diese
Krisenpolitik eigentlich aus der Europäischen Union? Oder anders ausgedrückt: Fördert
oder schadet sie unter dem Strich der EU in der mittel- und langfristigen
Betrachtung?
Die europäischen Verträge haben sich als „Schön-Wetter“-Verträge erwiesen
Die Europäische Union hat den Krisenmodus genau
genommen seit September 2008, als die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers
die Welt in die Finanzmarktkrise stürzte, nicht mehr verlassen. Bankenkrise,
Weltwirtschaftskrise, Schuldenkrise und Euro-Krise wurden abgelöst von einer
außenpolitischen Krise, nämlich der Ukraine-Krise, die anhaltende Spannungen
mit Russland hervorrief. Seit Monaten nun steckt die Europäische Union in der
Flüchtlingskrise fest. Eine klare und von der Gemeinschaft aller
Mitgliedstaaten mitgetragene Lösung gibt es noch immer nicht. Doch auch die
anderen, zuvor genannten Krisen scheinen nur vorläufig, nicht jedoch nachhaltig
behoben worden zu sein. Die anhaltende Nervosität an den Börsen zeigt ebenso
wie die gestiegene Volatilität, dass mit einem Wiederaufflammen alter
Krisenherde gerechnet wird.
Es ist kein Zufall, dass die Europäische Union
den Krisenmodus seit Ende 2008 nicht mehr verlassen hat. Denn erstens zeigt
sich seitdem immer wieder aufs Neue, das die Europäischen Verträge auf die
Bewältigung schwerwiegender Herausforderungen nicht ausgelegt worden sind. Es
sind, wie sich längst gezeigt hat, bildlich gesprochen „Schön-Wetter“-Verträge.
Die Konsequenz: Zähe, lähmende Verhandlungen und fortwährende Streitigkeiten in
Krisensituationen, die entweder lediglich Lösungen auf dem kleinsten
gemeinsamen Nenner hervorbringen oder, wie zuletzt scheinbar immer häufiger,
mit der Brechstange durchgesetzte Lösungen, die von einigen Regierungen nur mit
der Faust in der Tasche akzeptiert werden. Zweitens ist der Erfolg der „Krisenlösungen“
allenfalls bescheiden gewesen, wird aber in größeren Teilen der Bevölkerung
besonders betroffener Mitgliedstaaten klar als Misserfolg bewertet. Das schwindende
Vertrauen in Europa ist ein Beleg dafür.
Die Flüchtlingskrise verschärft noch einmal die ohnehin schon großen innereuropäischen Spannungen
Die Flüchtlingskrise hat die Europäischen
Union zuletzt eine neue Eskalationsstufe erklimmen lassen: Die Slowakei und
Ungarn klagen vor dem EuGH gegen die per Mehrheitsbeschluss durchgesetzte
Flüchtlingsquote (1); die dänische Bevölkerung hat sich vor dem Hintergrund der
europäischen Flüchtlingspolitik in einem Referendum gegen eine vertiefte
Zusammenarbeit Dänemarks mit der EU im Bereich der Justiz- und Innenpolitik
entschieden (2).
Man mag trefflich darüber streiten, wer
nun wirklich recht hat – jedenfalls so lange die aktuelle Flüchtlingspolitik
noch keine für den Zusammenhalt der EU unbestreitbar negativen Folgen zeitigt.
Was hat die europäische Krisenpolitik aus Europa gemacht?
Gleichwohl gibt es, wie oben angesprochen,
durchaus ernstzunehmende Entwicklungen, die als Alarmsignal für den
wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Europäischen Union gewertet
werden müssen.
Was an dieser Stelle hervorgehoben werden
muss, ist, dass Europa keineswegs allein durch die Flüchtlingskrise in eine
solche schwierige Lage geraten ist. Im Gegenteil hat sich die Europäische Union
im Zuge der oben genannten Krisen mit ihrer Krisenpolitik und vor allem auch
mit der Art wie sie durchgesetzt wurde sukzessive in diese Lage gebracht. Dazu
beigetragen hat die Tatsache, dass die von ihren Befürwortern immer als
erfolgreich verkaufte Krisenpolitik faktisch regelmäßig allenfalls mäßig
erfolgreich gewesen ist und auf der anderen Seite von großen Teilen der
Bevölkerung betroffener Mitgliedstaaten negativ beurteilt wird.
Das gilt etwa für den gewählten
austeritätspolitischen Kurs zur Sanierung der Staatsfinanzen von – infolge der
Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise – in die Verschuldung abgerutschte
Mitgliedstaaten.
Schuldenkrise und Austeritätspolitik als Lösung: Politische Nebenwirkungen
Griechenland
ist, anders als von führenden Vertretern der Euro-Gruppe 2010 behauptet, kein
Einzelfall geblieben. Es folgten Portugal, Spanien und Italien. Und anders als
behauptet, hat auch das erste Hilfspaket für Griechenland nicht ausgereicht, um
das Land wieder auf Kurs zu bringen – finanziell und wirtschaftlich. Im
Gegenteil ist die Staatsverschuldung Griechenlands immer weiter gestiegen. Mehr
noch hat auch der Schuldenschnitt im Jahr 2012 an der negativen Entwicklung
nichts geändert. Jetzt wird von vielen ein weiterer Schuldenerlass für
unausweichlich gehalten. Griechenlands Wirtschaft wurde in eine Abwärtsspirale
versetzt. Die Lage ist ebenso wie auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor
katastrophal. Dasselbe gilt mit Blick auf das Ausmaß an Armut und sozialer
Ausgrenzung.
Die von der Linkspartei SYRIZA und ihrem
Vorsitzenden Alexis Tsipras geführte griechische Regierung, die im Januar 2015
an die Macht gewählt worden war, hatte sich deswegen monatelang gegen die
Fortsetzung des von der Euro-Gruppe geforderten krisenpolitischen Kurses
gewehrt. Allerdings hatte sie keine überzeugende Alternative vorlegen können.
Die Euro-Gruppe nutzte dann die prekäre finanzielle Lage des Landes dazu,
einmal mehr nicht nur die Fortsetzung des austeritätspolitischen Kurses in
Griechenland durchzusetzen. Vielmehr wurde dieser nochmals verschärft. Tsipras
selbst sprach vor dem griechischen Parlament davon, von der Gläubigergruppe
erpresst worden zu sein und dass er die Bedingungen gegen seine eigene
Überzeugung erfülle, weil er keine Wahl habe.
Seinerzeit wurde angesichts dessen hier im
Blog warnend darauf hingewiesen, dass der Preis für die Durchsetzung eines
verschärften austeritätspolitischen Kurses in Griechenland ein Kollaps des
dortigen politischen Systems sein könnte (5) oder anders ausgedrückt: Weimarer
Verhältnisse. Zwei Monate später, am 20. September, wurden in Griechenland
Neuwahlen abgehalten, die die Regierungskoalition von Alexis Tsipras zwar
bestätigten, aber deren Mehrheit im Parlament von zwölf auf fünf Sitze
zusammenschmelzen ließ. (6)
Die gemäß Vorgaben der Gläubiger durchs
Parlament zu bringenden Reformschritte haben jedoch bereits bei der zweiten
Abstimmung über entsprechende Maßnahmen Anfang November zu Abweichlern geführt.
Zwei der insgesamt 155 Abgeordneten der Regierung verweigerten ihre Zustimmung.
(7) Es wird deswegen für die Abstimmung über die nächsten Reformmaßnahmen, die
noch im Dezember erfolgen soll, durchaus für möglich gehalten, dass Tsipras
dafür keine Mehrheit mehr bekommt. (8) Das dürfte faktisch das Ende der
Regierung und Neuwahlen bedeuten. Angesichts neuer, massiver Proteste und
Streiks gegen den austeritätspolitischen Kurs in Griechenland ist der Ausgang
einer erneuten Wahl höchst ungewiss. Möglicherweise stehen Griechenland dann
endgültig Weimarer Verhältnisse bevor, das heißt politisch gesehen ein
zersplittertes Parteiensystem mit unklaren Mehrheitsverhältnissen im Parlament,
die das Regieren im Land nahezu unmöglich machen.
Griechenland ist auch in dieser Hinsicht
kein Einzelfall. In Portugal hat
sich das politische System infolge der letzten Wahl in dieselbe Richtung
entwickelt. Das liberal-konservative Parteienbündnis (liberal-konservative PSD
und konservative Volkspartei PP) von Ex-Premier Passos Coelho hatte die Wahl
Anfang Oktober zwar gewonnen, aber die Mehrheit verfehlt. (9) Dennoch hatte ihn
Präsident Aníbal Cavaco Silva mit der Regierung beauftragt. (10) Die scheiterte
jedoch bei der ersten Abstimmung im Parlament. Ein Misstrauensvotum der
Opposition brachte sie nach nur elf Tagen zu Fall. (11)
Seit wenigen Tagen nun hat Portugal eine
neue, sozialistische Regierung, die aber nur eine von Kommunisten und Grünen
(CDU) sowie vom marxistischen Linksblock (BE) tolerierte Minderheitsregierung
ist. Zusammen verfügen sie über 122 der insgesamt 230 Sitze im Parlament. (12)
Das entspricht einer Mehrheit von sieben Stimmen. Allerdings sind die
pro-europäischen Sozialisten und die portugiesischen Kommunisten eigentlich
traditionell tief verfeindet. Die Gegensätze sind nicht ausgeräumt. Was sie
eint, ist lediglich die Ablehnung des bisherigen austeritätspolitischen Kurses
der konservativen Vorgänger-Regierung. Insofern ist die neue Regierung sehr
fragil und es ist fraglich, wie lange sie sich überhaupt halten kann. Es ist
folglich nicht auszuschließen, dass es in Portugal in absehbarer Zeit ebenfalls
zu Neuwahlen kommt.
Auch in Spanien stehen bei den Parlamentswahlen am 20. Dezember umwälzende
Veränderungen im politischen System an und das ist eine Folge des
austeritätspolitischen Kurses, aber auch politischer Skandale der Regierungspartei.
Die konservative Partido Popular (PP) von
Premier Mariano Rajoy wird allen Umfragen zufolge ihre absolute Mehrheit klar
verlieren und es steht das Ende bisherigen des Zwei-Parteien-Systems bevor,
denn auch die Sozialisten (PSOE) werden keine Mehrheit erhalten. Zwei neue
Parteien werden stattdessen ins Parlament einziehen: Die mit SYRIZA in
Griechenland vergleichbare Linkspartei „Podemos“, die in den Umfragen der
letzten Wochen bei 10-17 Prozent der Stimmen liegt; die sozialliberale Partei
Ciudadanos (C´s) (Bürger), die in Umfragen auf 17-22 Prozent der Stimmen kommt.
Die regierende PP liegt in den Umfragen
bei nur noch 23-29 Prozent. Das ist gegenüber dem Wahlergebnis von 2011 ein
Minus von 15-21 Prozentpunkten. Die PSOE kommt in den letzten Umfragen auf
18-24 Prozent der Stimmen und liegt damit aktuell 5-11 Prozentpunkte unter ihrem
Ergebnis bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2011.
Damit ist klar, dass die nächste Regierung
in Spanien entweder eine Koalitionsregierung oder eine Minderheitsregierung
sein wird. Zwar könnte die regierende PP wieder stärkste Kraft im Parlament
werden, aber zum Regieren wird es nicht reichen. Ob sie einen Koalitionspartner
findet, ist unklar. Die POSE will den austeritätspolitischen Kurs der Regierung
beenden. Auch Podemos hat sich klar dagegen positioniert. Allein die Partei Ciudadanos
hat sich nicht klar festgelegt. Im Mai hatte deren Parteichef, Albert Rivera, jedoch
noch gesagt, dass er zur Bildung fester Koalitionen nicht bereit sei, sich aber
eine Duldung einer PP- oder POSE-Minderheitsregierung vorstellen könnte. (13) Ob
diese Aussage Bestand hat, ist fraglich.
Im neuen Parlament könnten den Umfragen
zufolge bis zu 16 Parteien vertreten sein. Gegenwärtig sind es dreizehn. Die
Proteste auf den Straßen fordern ihren Tribut. Das Regieren in Spanien wird
damit komplizierter. Eine zumindest partielle Abkehr von der Austeritätspolitik
ist wahrscheinlich.
Konsequenzen der Flüchtlings- und Ukrainepolitik der EU
Aus den jüngst abgehaltenen
Parlamentswahlen in Polen ist die
erzkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Jaroslaw Kaczynski als klarer
Sieger hervorgegangen und regiert das Land alleine. Was das Stimmgewicht auf
europäischer Ebene anbelangt, steht Polen auf einer Stufe mit Spanien. Polen
ist mit der neuen konservativen Regierung eindeutig europakritischer geworden
und das wird sich bei künftigen Entscheidungen auf europäischer bemerkbar
machen.
Generell lässt sich festhalten, dass die
Haltung osteuropäischer Staaten zur EU im Zuge der Schulden- und zuletzt auch
der Flüchtlingskrise kritischer geworden ist. Polen, die Slowakei, Ungarn, aber
auch Tschechien sind Beispiele dafür.
Erschwerend kommt hinzu, dass auch die
Außenpolitik der EU in der Ukrainekrise,
die sich sehr stark gegen Russland richtete, der Spaltung der Bevölkerung in
den osteuropäischen Staaten Vorschub geleistet oder anders ausgedrückt die
kritische Haltung gegenüber der EU verstärkt haben dürfte. Denn es wurde bei
dieser krisenpolitischen Linie offensichtlich zu wenig berücksichtigt, dass in
den osteuropäischen Staaten immer noch ein nicht geringer Anteil der
Bevölkerung pro-russisch eingestellt ist und infolgedessen der europäischen
Ukraine- und Russlandpolitik kritisch gegenüber stehen würde. Daneben schaden
die Sanktionen gegen Russland Europa aber auch wirtschaftlich.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch im
Westen der EU Widerstände gegen die europäische Urkraine-Politik. So hat sich eine
europakritische Bürgerinitiative in den Niederlanden das Recht eines
Referendums über das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine erkämpft. (14)
Die Initiative lehnt das Abkommen ab.
Europaskepsis in Großbritannien und Frankreich
In Großbritannien ist die Europaskepsis ohnehin
groß. In einem Referendum werden die Briten möglicherweise schon in 2016 über
den Verbleib in der Europäischen Union entscheiden. (15) Und in Frankreich ist
der Front National von Marine Le Pen auf dem Vormarsch, der ebenfalls
nationalistisch und europakritisch eingestellt ist.
Selbst in den großen Mitgliedstaaten ist
der Rückhalt für die Europäische Union und ihre Krisenpolitik nicht mehr sicher.
Europäische Krisenpolitik: Konsequenzen für Europa als Wirtschafts- und Währungsraum
Mehr noch dümpelt die Europäische Union nicht
nur politisch, sondern auch wirtschaftlich vor sich hin. Daran hat die lockere
Geldpolitik der EZB bisher nichts ändern können. Im Gegenteil haben sich die
wirtschaftlichen Ungleichgewichte über die Jahre sogar weiter verstärkt. (16)
Unter dem Strich sind die vielleicht
einfachsten, zugleich aber auch überzeugendsten Indikatoren dafür, was die
europäische Krisenpolitik bewirkt und wohin sie die EU wirtschaftlich in den
letzten Jahren geführt hat, die Entwicklung des Wechselkurses des Euro zum
Dollar – sofern man davon ausgeht, dass sich darin vor allem auch die relative
Wirtschaftskraft und die Wirtschaftsperspektiven eines Währungsraumes widerspiegeln
– und die Entwicklung der Bedeutung des Euro im internationalen
Zahlungsverkehr:
- Im Mai 2011 stand der Euro bei 1,50 Dollar, Anfang Dezember 2015 notierte er nur noch bei 1,06 Dollar und die Deutsche Bank rechnet in einer aktuellen Prognose (17) damit, dass er 2016 auf 0,85 Dollar fallen könnte.
- Hatte der Euro im internationalen Zahlungsverkehr im Januar 2012 laut Swift noch einen Anteil von 44,04 Prozent (18), so lag dieser im September 2015 bei nur noch 28,63 Prozent (19).
Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung,
dass sich die Gewichte der Leitwährungen bei der durch die Aufnahme des
chinesischen Yuan bedingten Neuordnung des Währungskorbes des Internationalen
Währungsfonds hauptsächlich zu Lasten des Euro verschoben haben:
- Das Gewicht des Euro sinkt von 37,4 auf nur noch 30,93 Prozent. Damit gibt der Euro den Löwenanteil dessen ab, was der Yuan künftig im Währungskorb (bestehend aus Dollar, Euro, Pfund, Yen und Yuan) repräsentiert (10,92 Prozent).
- Der US-Dollar hingegen behält sein Gewicht nahezu unverändert bei (41,73 Prozent gegenüber 41,9 Prozent zuvor). (20)
Die EU hat sich mit ihrer Krisenpolitik sukzessive der wichtigsten Grundlage ihres Zusammenhalts beraubt
Um dies richtig einordnen und bewerten zu
können, ist es wichtig daran zu erinnern, was die Europäischen Gemeinschaften
seit dem ersten großen Integrationsschub Mitte der 80er Jahre und die
Europäische Union seit Anfang der 90er Jahre bis heute im Kern tatsächlich gewesen
sind: Eine Gemeinschaft bzw. Union, bei der es hauptsächlich um wirtschaftliche
und finanzielle Vorteile ging.
Das gilt im Übrigen ebenso für die
Währungsunion und die Erweiterung der Europäischen Union. Die treibende Kraft
aller wichtigen Integrationsschritte waren an erster Stelle stets die daraus zu
generierenden und zu verteilenden wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile. Das
war der Kitt, der die Europäische Union bisher zusammengehalten hat. Das
vertraglich festgelegte Ziel der Förderung des wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalts (Kohäsionsziel) sowie das „Europa der Bürger“ sind dagegen
Makulatur geblieben. Auch um dieses Ziel steht es heute allerdings schlechter
als je zuvor.
Die politischen Antworten, die die
europäischen Staats- und Regierungschefs und die EZB für die sich in den
letzten Jahren aneinander reihenden Krisen fanden und implementierten, haben,
wenn man die vorangegangenen Betrachtungen zugrunde legt, der Europäischen
Union wirtschaftlich und politisch eindeutig mehr geschadet als genutzt. Die
auf die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und die Verteilung von Vorteilen
fokussierte Europäische Union von einst hat sich seit der Finanzmarkt- und
Weltwirtschaftskrise infolge ihrer Krisenpolitik immer mehr zu einer
Gemeinschaft gewandelt, in der es nur noch darum geht, Kosten und Lasten zu
verteilen. Und die Art wie diese verteilt werden, stößt auf große Widerstände. Denn
dabei gibt es im Unterschied zur Politik vor 2008 – wie etwa der Fall
Griechenland, aber auch die Flüchtlingskrise verdeutlichen – nicht mehr nur
Gewinner, sondern echte Verlierer. Die sich verstärkenden wirtschaftlichen
Ungleichgewichte sind Ausdruck dessen und die sich verstärkenden
nationalistischen bzw. europakritischen Tendenzen in den Mitgliedstaaten sind
es auch.
Genau das oder anders ausgedrückt die
Unfähigkeit, wirtschaftliche Vorteile für alle zu generieren, ist es, was die
Europäische Union zunehmend auseinanderdividiert. Vor diesem Hintergrund ist
die Bilanz der europäischen Krisenpolitik seit 2008 eindeutig viel schlechter
als von führenden Politikern behauptet und es ist nicht überzogen, die Lage und
Perspektive der Europäischen Union mit folgender Frage auf den Punkt zu
bringen:
Wann kommt der Zeitpunkt, an dem sich nach
Großbritannien weitere Mitgliedstaaten die Frage stellen, ob sie nicht besser
dran sind ohne Mitgliedschaft in der Europäischen Union?
Was sie aus der Europäischen Union zu machen
im Begriff sind, das scheint jedoch noch nicht ins Bewusstsein der führenden politischen
Entscheider im Europäischen Rat eingedrungen zu sein. Kein Wunder eigentlich. Sie
erleben die Konsequenzen ihre Entscheidungen ja auch nicht selbst vor Ort mit.
Eine Perspektive, hat der Autor trotz der vielen Worte nicht zu bieten. Wenn Sie ein Problem haben, dann bringen Sie einen Lösungsvorschlag mit, sonst sind Sie Teil des Problem.
AntwortenLöschenHallo Herr Schulze,
Löschenund Sie haben kein Problem?
Viele Grüße
Lothar
"Wenn Sie ein Problem haben, dann bringen Sie einen Lösungsvorschlag mit, sonst sind Sie Teil des Problem."
LöschenAutsch, solche Sprüche tun ja weh. Man wird also zum Teil des Problems, wenn man es diagnostiziert, aber keine Lösung parat hat?
Hallo Herr Schulze,
AntwortenLöschenselbstverständlich habe ich Lösungsvorschläge. Wenn Sie einmal in das Archiv dieses Blogs schauen, werden sie sicher einer ganze Reihe von Aufsätzen finden, die Lösungsansätze thematisieren.
Im Übrigen muss ich Sie dann doch auch fragen, ob es nicht so ist, dass die genaue Analyse und ein gute Diagnose der Schlüssel zur Lösung sind?
Die europäischen Entscheider haben offensichtlich Schwierigkeiten, ihr Problem zu erkennen. So lange das Problembewusstsein nicht oder nur in unzureichendem Maße existiert, ist jeder Lösungsvorschlag vergebens.
Doch wie gesagt, schauen Sie mal in mein Archiv.
Viele Grüße
SLE