Mittwoch, 29. April 2009

Die Krise der Ökonomen

Die Ökonomen korrigierten ihre Wachstumsprognosen bisher in rascher Folge nach unten. Sie sind Getriebene, so scheint es, eines nicht abreißenden Stroms an negativen Meldungen zur Wirtschafts-entwicklung. Zugleich ist immer noch unklar, wie die Talfahrt gestoppt und die Wirtschaft wieder auf Kurs gebracht werden kann. Hier ist es eher die Sprachlosigkeit der Ökonomen, die für Kritik sorgt.

Tatsache ist, dass die Talfahrt bisher nicht gestoppt werden konnte und wie weit es noch bergab geht ist offen. Auch der Kreditmarkt wurde bisher nicht wieder in Gang gebracht, die Finanzmärkte sind scheinbar weit davon entfernt normal zu funktionieren. Weder Konjunkturpro-gramme noch Bankenrettungspakete und Notenbankinterventionen haben bisher etwas daran ändern können.

Warum ist das so?

Auch diese Frage können die Ökonomen offensichtlich nicht beant-worten. Nimmt man alles zusammen, so bleibt eigentlich nur festzu-stellen, dass die Ökonomen seit Beginn der Finanzmarktkrise auf der ganzen Linie versagt haben.

Alle Ökonomen?

Nein, das trifft es nicht. Es sind zunächst nur jene Ökonomen, die eine Stimme in der Politik oder in den Medien haben, unabhängig davon, ob sie nun etwas gesagt oder geschwiegen haben. Und weil die Abnehmer eine Präferenz für "führende" Ökonomen haben, sind es primär auch letztere, die versagt haben.

Auf der anderen Seite muss man sehen, was von führenden Ökonomen nicht erwartet wird: Dass sie schlechte Nachrichten überbringen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ich bin davon überzeugt, dass wir von Ökonomen, die bisher schon keine schlüssige Erklärung des Problemzusammenhangs der Finanz-markt- und Weltwirtschaftskrise anzubieten hatten, nichts Neues zu hören bekommen werden - nichts, was wirklich weiterhelfen könnte. Und auch dies muss man sehen: Kein Ökonom konnte bisher schlüssig begründen, warum ausgerechnet Konjunkturprogramme aus der Wirtschaftskrise führen sollten. Ebenso unklar ist, ob Nullzinspolitik und Geldmengenausweitung am Ende als Erfolg oder als Desaster angesehen werden müssen.

All das hat etwas damit zu tun, dass die Krise von den führenden Ökonomen nicht verstanden wird.

Was gegenwärtig gegen die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise unter-nommen wird, ist mit anderen Worten in weiten Teilen nichts weiter als Experimentieren, trial and error.

In diesem Punkt kann man die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise ganz sicher mit der in den 20er/30er Jahren vergleichen. Interessant ist dabei die Frage, ob auch die Konsequenzen dieselben sein werden. Denn damals gerieten die führenden Ökonomen in Misskredit. Niemand wollte mehr ihren Rat. Stattdessen hat die Krise jenem Ökonomen genutzt, den der damalige liberale Mainstream als Ketzer betrachtete: John M. Keynes.

Hier endet aber beinahe auch schon wieder die Vergleichbarkeit - wenn man ehrlich und vorsichtig ist: Die Weltwirtschaft damals lässt sich mit der heutigen nicht vergleichen. Allein aus dieser Perspektive betrachtet müssten einem schon ernste Bedenken kommen, ob die weltweit aufgelegten Konjunkturprogramme wirklich das richtige Mittel sind. Klar ist jedoch ebenfalls, dass eine liberale Politik in die erste und auch in die aktuelle Krise geführt hat. Die Lösung scheint also woanders zu liegen.

Solange die Krise nicht verstanden worden ist respektive erklärt werden kann, wird das Experimentieren weitergehen. Daran muss sich bald etwas ändern, im Interesse aller. Der erste und wichtigste Schritt kann m. E. nur darin bestehen, vorurteilslos endlich auch nach fähigen Ökonomen in der zweiten, dritten oder auch hinteren Reihe zu suchen, die zum Verständnis der Krise wirklich beitragen können. Ich bin sicher, man wird dort fündig werden. Und es sollte vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der ersten Weltwirtschaftskrise nicht vergessen werden, gerade auch abseits des neoklassischen und liberalen Mainstreams - sowie von Keynes - zu suchen.

Einstweilen kann ich hinsichtlich der Finanzmarkt- und Weltwirt-schaftskrise nur jedem empfehlen, dem Rat eines jeden Ökonomen mit großer Skepsis zu begegnen, wenn die schlüssige und zugleich auch verständliche Erklärung nicht mitgeliefert wird.

Links:

1 Kommentar:

  1. Hallo Herr Eichner,

    passend zu diesem Thema habe ich auf den Nachdenkseiten zwei interessante Artikel gefunden:
    http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/marktreligioese-wissenschaft/
    http://www.project-syndicate.org/print_commentary/skidelsky16/German

    LG veblen

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