Donnerstag, 21. Mai 2009

Finanzmarktkrise und Weltwirtschaftskrise II: Über Ursachen und Aussichten


Ist die Weltwirtschaftskrise eine Folge der Finanzmarktkrise und wie steht es um die Erfolgschancen der aktuellen Krisen-bewältigungspolitik?


Viele Entscheidungsträger scheinen zu glauben, die Weltwirt-schaftskrise sei eine Folge der Finanzmarktkrise und letztere zu überwinden, sei zugleich auch die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme - bis dahin behilft man sich überbrückungsweise mit Konjunkturprogrammen.

Das ist nicht zutreffend.

Es handelt sich um zwei eigenständige Probleme, die jeweils ein eigenes Set von Ursachen aufweisen. Das ist evident, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass das Kernproblem der Realwirtschaft gegenwärtig eben nicht die Finanzierung ist, sondern der Absatz. Allerdings gibt es auch gemeinsame Ursachen und Interdependenzen. Beispielsweise verschärfen die aus den Problemen des Bankensektors herrührenden Finanzierungsschwierigkeiten der Realwirtschaft die Wirtschaftskrise. Sich zuspitzende Liquiditätsprobleme im Unternehmenssektor wiederum forcieren aufgrund von steigenden Kreditausfallrisiken die Probleme im Bankensektor.

Für Realwirtschaft und Finanzmärkte gilt indes in gleicher Weise, dass es sich eben um Märkte handelt, die wettbewerblich organisiert sind. Hier, das heißt bei der Funktionsweise von wettbewerblichen Märkten, ist nach gemeinsamen Ursachen der Finanzmarkt- und der Weltwirt-schaftskrise zu suchen. Dabei geht es einmal um die Märkte selbst, insbesondere auch um die Marktstrukturen, und des Weiteren um die Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik, die die Märkte adressiert.

Diesen beiden Aspekten wird in der gegenwärtigen Krisenbewältigungs-diskussion jedoch praktisch keine Beachtung geschenkt, weil die Finanzmarktkrise als Ursache der Wirtschaftskrise und letztere nicht als strukturell, sondern lediglich konjunkturell bedingt aufgefasst wird.

Im Folgenden soll es um diese beiden Aspekte, um die gemeinsamen Ursachen der Finanzmarkt und Weltwirtschaftskrise gehen.

Markt und Wettbewerb in der Weltwirtschaftskrise II

Absatzprobleme gibt es nicht erst seit Ausbruch der Finanzmarktkrise. General Motors, Ford und Chrysler etwa haben schon lange Absatz-probleme, die sie - speziell auf dem US-Markt - mit einer selbst initiierten, gnadenlosen Preis- und Rabattschlacht zu lösen versuchten sowie mit immer neuen Kostensenkungsprogrammen. Die anderen großen Autohersteller überall auf der Welt haben dasselbe getan. Der Ausbruch der Finanzmarktkrise hat wie ein Katalysator gewirkt und diese Probleme verschärft. Der Automobilmarkt ist weltweit einge-brochen. Eine Erholung ist nicht absehbar und die Konzerne geraten zunehmend in Schwierigkeiten, je länger die Flaute anhält. Das gilt auch für die Zulieferer und Dienstleister, die in hohem Maße von den Automobilkonzernen abhängig sind.(1)

Und dieselben Probleme zeichnen sich mehr und mehr auch auf anderen Märkten ab, etwa in der Chemie, beim Stahl, in der Metall- und Eisenverabeitenden Industrie, im Maschinenbau, der Unterhal-tungselektronik, bei Computern, Prozessoren, Speichermedien, in der Luftfahrt, der Logistik, den Schiffbauern.(2) Überall sind Absatz und Umsätze deutlich zurückgegangen - meist in Rekordhöhe.

Ich habe hier im Blog bereits ausgeführt (siehe Post vom 27.04. und 04.05.), dass seit den späten 60er Jahren alle Industriestaaten eine einseitig auf Großunternehmen und Effizienzsteigerung fokussierte Wirtschaftspolitik betrieben haben. Der alljährlich seit rund 40 Jahren in Davos abgehaltene Weltwirtschaftsgipfel repräsentiert dies vielleicht besser als irgendetwas sonst. Und insofern ist es auch keine Überraschung, dass die hochrangigen Teilnehmer dort seit Beginn der Finanzmarktkrise gewollt oder ungewollt ihrer Ratlosigkeit Ausdruck verleihen, wenngleich tunlichst darauf geachtet wird, die realwirt-schaftlichen Probleme stets lediglich als Konsequenz des Finanzmarkt-desasters zu deuten.(3) Das ändert jedoch nichts an den Tatsachen: Das Erfolgsmodell der führenden Staaten und Konzerne hat einen gewaltigen Knacks bekommen - man muss kein Globalisierungsgegner sein, um dies festzustellen.

Doch was genau hat uns dieser Kurs beschert?

Vereinfacht ausgedrückt sind praktisch alle global bedeutsamen Märkte in den letzten 40 Jahren mit dieser Politik sukzessive erst auf Expan-sionskurs gebracht worden, haben nach und nach die Reifephase ihres Lebenszyklus´ erreicht und letztlich überschritten. Fusionen wurden und werden bis in die Gegenwart hinein gefördert und haben auf globalen Märkten immer größere, immer kapitalkräftigere und einflussreichere Unternehmen entstehen lassen - Kolosse, deren Bilanzsumme teilweise, wie etwa im Bankensektor, das Bruttoinlands-produkt jener Staaten, in denen sie ansässig sind, bei weitem übersteigt.

Der heute verbreitete Lobbyismus bis tief in Ministerien und europäische Institutionen hinein ist ein sichtbares Zeichen für den Einfluss dieser führenden Unternehmen auf die Wirtschaftspolitik. (4) Und gerade jetzt, in der Krise, werden diese Einflussmöglichkeiten verstärkt genutzt, um den Wettbewerb auszuhebeln und so die eigene Marktpositition zu sichern, etwa im Banken-, aber auch im Energie-sektor, in der Telekommunikation, der Automobil- und Pharmaindustrie und aktuell auch von den deutschen Apothekern. Die in den letzten Jahren öffentlich gewordenen Fälle von Korruption, mit groß angelegten Systemen für Schmiergeldzahlungen, aber auch jüngste Bespitzelungs-skandale zeigen, wie ungezügelt von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, die aus der schieren Größe und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Konzerne erwachsen sind, wie wenig Regulierung und gesetzliche Regelungen greifen und dass auf solchen Märkten schon lange kein wirklich "freier" Wettbewerb, keine Chancengleichheit mehr existiert.(5)

Zahlreiche volkswirtschaftlich bedeutsame Märkte, mitunter gerade auch jene, die vor ein paar Jahren noch als Wachstumsmärkte gepriesen wurden, z. B. die Telekommunikation, weisen schon seit Jahren eindeutig Kennzeichen der späten Phase der Marktentwicklung auf - und eines nicht mehr wirksamen, die Wirtschaft voranbringenden Wettbewerbs:

Dominanz weniger, sehr großer Unternehmen, die angebotenen Produkte sind annähernd homogen, d. h. sehr ähnlich, es gibt ein dominantes technologisches Design, die Akteure orientieren sich alle an der "best practise", die Qualität der Produkte lässt nach, die Akteure behaupten ihre Marktposition einseitig über harten Preis- und Kosten-wettbewerb, es liegt eine hohe Markttransparenz vor, es gibt eindeutig Sättigungstendenzen, den Markt belebende oder gar umwälzende Innovationen treten nicht mehr auf.(6)

Insofern überrascht es nicht, dass gerade die global und volkswirt-schaftlich bedeutsamen Märkte und Unternehmen von der Krise besonders schwer betroffen sind. Weil auf nahezu allen Märkten, welche die beschriebenen Kennzeichen aufweisen, der Absatz eingebrochen ist, kann man schlüssig argumentieren, dass sie technisch gesehen in die Rückbildungsphase eingetreten sind, das heißt sie schrumpfen und zwar nachhaltig.

Ursache des Schrumpfungsprozesses ist indes nicht, wie im Lebens-zykluskonzept erklärt, das Auftreten von neuen Produkten bzw. Substituten, sprich signifikanten Innovationen, die Märkte umwälzen oder neue Märkte entstehen und alte Märkte sterben lassen. Vielmehr ist die Tragfähigkeit des ganzen Wirtschaftssystems - eine auf der Säule "Großunternehmen" ruhende Gesamtwirtschaft - überstrapaziert worden, was zu einem Kollaps geführt hat, ausgelöst, aber nicht verursacht durch die Finanzmarktkrise und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens ist die Marktentwicklung auf einer ganzen Reihe von volkswirt-schaftlich bedeutenden Märkten annähernd zum Stillstand gekommen, im Stadium der späten Reife- oder eher noch Stagnationsphase einge-froren worden - infolge der für die führenden Unternehmen nicht mehr existierenden Notwendigkeit, sich im Wettbewerb mit herausragenden Innovationsleistungen gegenüber den Konkurrenten behaupten zu müssen. Entscheidend war über die letzten Jahre hinweg nicht die Innovativität von Produkten, sondern allein der Preis. Zwar herrscht seit Jahren auf vielen Märkten ein harter Preiswettbewerb. Aber er hat i. d. R. nicht zum Ausscheiden von großen Wettbewerbern und zum Eintritt neuer Wettbewerber geführt, sondern lediglich zu Fusionen und Übernahmen. Die Preissenkungen wurden durch Kostensenkungen ermöglicht - zu Lasten der Arbeitnehmer, aber auch der Produkt-qualität. Mit volkswirtschaftlich wünschenswertem Wettbewerb, also einem solchen, der immer neue, innovative Produkte und Beschäfti-gungsmöglichkeiten hervorbringt und die Wirtschaft insgesamt prospe-rieren lässt, hat dies nicht mehr viel zu tun.

Zweitens muss gesehen werden, dass die Entwicklung von Märkten immer das Resultat des Verhaltens der Anbieter und der Nachfrager ist. Die Präferenz der Endnachfrager für preiswerte Angebote hat den oben beschriebenen Prozess gefördert. Wichtig ist jedoch, dass eine immer größer werdende Gruppe der Endnachfrager mehr und mehr auch dazu gezwungen war, auf den Preis zu achten. Grund dafür ist einmal der Kostensenkungswettlauf der Unternehmen, der sich nicht nur auf die Beschäftigung, sondern vor allem auch auf das Einkommen und damit die Kaufkraft der Endnachfrager negativ ausgewirkt hat. Denn während die Unternehmensgewinne über viele Jahre sukzessive gesteigert werden konnten, ist dies für die Kaufkraft des größten Teils der Bevölkerung nicht festzustellen. Verstärkend kam zweitens hinzu, dass die Endnachfrager auch durch weitreichende Sozialreformen stärker belastet wurden, was die Kaufkraft zusätzlich reduzierte. (7) Eine Zeitlang - etwa ab dem Jahr 2004 - versuchten die Unternehmen die infolgedessen schwache Binnennachfrage durch das Erschließen neuer Märkte in Schwellenländern, etwa China und Indien, zu kompen-sieren, was jedoch die sich abzeichnenden Wachstumsprobleme nicht nachhaltig auflösen konnte.

Dritter wesentlicher treibender Faktor war das Verhalten der Finanz-marktakteure. Das Investmentbanking und der Eigenhandel waren die gewinnträchtigsten Tätigkeitsfelder der Banken und Investmentbanken. Eine wesentliche Rolle spielten dabei auch Hedgefonds und Private-Equity-Gesellschaften. Auf der Jagd nach immer höheren Renditen wurde auch entsprechend Einfluss auf die Realwirtschaft genommen - nicht zuletzt über Aktienkurse. Fusionen und Übernahmen wurden deswegen von den Finanzmarktakteuren ebenso wie die Verkündung von neuen Kostensenkungsprogrammen und Beschäftigungsabbau regelmäßig gefeiert und mit einem Kursfeuerwerk belohnt. Der reale langfristige Wert börsennotierter Aktiengesellschaften geriet bei der Kursentwicklung immer mehr aus dem Blick. Zugleich floss sehr viel Geld in die Expansion der Produktion von insbesondere börsennotierten Unternehmen sowie in die Erschließung neuer Märkte, insbesondere in Schwellenländern. Die Tatsache, dass gegenwärtig der Absatz auf vielen globalen Märkten regelrecht weggebrochen ist, lässt darauf schließen, dass im Zuge dieses Finanzierungsschubes und Drucks der Finanzmärkte enorme Überkapazitäten aufgebaut worden sind. Vereinzelt ist aus diesem Grund von einer Kreditblase oder einer Blase der Realwirtschaft die Rede. Kaufkraft und Produktionskapazitäten entwickelten sich über Jahre in die entgegengesetzte Richtung.

All das wirkt nun zusammen und führt auf den global stark verflochtenen Märkten zu tiefgreifenden strukturellen Verwerfungen, die sich, was nun evident sein müsste, nicht mit Konjunkturpro-grammen werden auflösen lassen.

Finanzmärkte und Wettbewerb in der Finanzmarktkrise

Was zum Entgleisen der Finanzmärkte geführt hat, darüber wird inzwischen recht offen gesprochen, weswegen hier auf diese Aspekte nicht näher eingegangen werden soll. Dabei wird durchaus auch aufgezeigt, dass die Politik diese Entgleisungen nicht nur ermöglicht, sondern teilweise sogar gefördert und später zu lange weggeschaut hat.(8) Immer wieder wird hervorgehoben, vor allem die Regulierung sei zu lachs gewesen und aus diesem Grund wird nun mehrheitlich eine strengere Regulierung als Lösung angesehen.(9)

Das wird nicht ausreichen. Denn die angesprochenen Aspekte sind nur Teil der Erklärung und eine strengere Regulierung mitnichten wirklich schon die Lösung. Die eigentlichen Ursachen liegen auf einer tieferen Ebene und haben grundsätzlichen Charakter. Denn ebenso wie zuvor für die Realwirtschaft beschrieben, hat die Wirtschafts- und Wettbe-werbspolitik der Industriestaaten in den vergangenen Dekaden auch im Bankensektor einseitig auf die Entstehung und Förderung sehr großer Institute und Effizienzsteigerungen gesetzt. Nicht zuletzt auch deswegen, weil das Vorhandensein großer Institute für die Entstehung und Förderung von großen Unternehmen in den realwirtschaftlichen Sektoren eine zentrale Voraussetzung darstellt.

Und in der Tat war, wie oben dargelegt, das Geschäft mit Konzernen, mit Fusionen, Übernahmen und Börsengängen für Banken sehr lukrativ. Es ist deswegen auch kein Zufall, dass mit den Eigenkapital-regeln für Banken unter der Bezeichnung Basel II in hohem Maße günstige Bedingungen für große Institute und Geschäfte mit Großunternehmen geschaffen wurden. Pointiert ausgedrückt "belohnt" Basel II im Kern effiziente, große Unternehmen, während umgekehrt vor allem auch risikofreudige und somit sehr innovative Unternehmen "bestraft" werden. Basel II entsprach - zumindest bis zum Ausbruch der Finanzmarktkrise - in hohem Maße dem Wunsch der führenden Institute nach einer Fokussierung auf und Ausweitung des Geschäfts mit Großunternehmen - kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) waren für sie überwiegend nicht interessant. Somit unterstützt Basel II die Ziele der gegenwärtigen Konzeption der Wirtschaftspolitik perfekt.

Diese Politik hatte jedoch - ebenso wie in der Realwirtschaft - zur Folge, dass die Unternehmenskonzentration über die Jahre sukzessive immer weiter stieg und immer größere, effizientere Banken entstanden. Und auch im Bankensektor deuten die Kennzeichen eindeutig darauf hin, dass der Sektor die Reifephase längst überschritten hat. Zwar kann dieser Markt nicht im eigentlichen Sinne "sterben", weil nur er die Geldversorgungsfunktion für die Wirtschaft erfüllen kann - auch wenn man bestreiten mag, ob er dies gegenwärtig tut. Doch auch er schrumpft und echte, den Markt umwälzende Innovation und Marktentwicklung finden dort ebenfalls nicht statt, weil es wirksamen, gesamtwirtschaftlich wünschenswerten Wettbewerb schon lange nicht mehr gibt.

Niemand wird jedoch bestreiten können, dass mit der Unternehmens-konzentration im Bankensektor respektive der Entstehung von inter-national tätigen Großbanken auch eine enorme Machtkonzentration einherging - das war politisch gewollt, es ging auch hier um die Schaffung von "national champions" und die Verbesserung der inter-nationalen Wettbewerbsfähigkeit, genauer gesagt Kostenwettbe-werbsfähigkeit.

Die Finanzmarktakteure haben ihre Macht indes in ganz anderer Weise genutzt, wie wir jetzt wissen. Die immer weiter vorangetriebene Konzentration im Bankensektor ist eine zentrale Voraussetzung dafür gewesen, dass die Finanzmärkte derart entgleisen, so viele fragwürdige Geschäfte getätigt und so viele toxische Produkte kreiert werden konnten - weil immer größere/einflussreichere Akteure zunehmend gestaltenden Einfluss auf die Spielregeln zu nehmen vermochten und sich zugleich immer wirksamer der staatlichen Kontrolle entziehen konnten.(10)

Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Regierungen seit Monaten weltweit Großbanken mit hohen Milliardenbeträgen zur Seite springen, obwohl sie damit letztlich marktwirtschaftlich gesehen ein eklatantes Fehlverhalten alimentieren. Allerdings ist es ebenso wie oben bezüglich der Realwirtschaft bereits angesprochen ein Zeichen dafür, wie effektiv die betroffenen großen Institute auf die Politik Einfluss nehmen und den Wettbewerb schlicht aushebeln können. Ebenso unglaublich ist, mit welcher Leichtigkeit Regierungen es zulassen, dass nun - aus der Not heraus und weil es angeblich keine Alternative gibt - die Unternehmenskonzentration im Bankensektor auf die Spitze getrieben wird. All das wird gerechtfertigt mit der Aussage, man müsse die Marktwirtschaft vor Verwerfungen bewahren.(11)

Kommt denn niemand auf den an sich naheliegenden Gedanken, dass auf diesem Wege möglicherweise genau das Gegenteil erreicht wird, weil damit effektiver Wettbewerb, die Grundvoraussetzung der Markt-wirtschaft, auf lange Sicht nicht mehr möglich ist?

Allein die Tatsache, dass Banken auf die finanziellen Kraftakte der Regierungen und die drastischen Zinssenkungen und sonstigen Maßnahmen der Notenbanken schon seit Monaten nicht so reagieren, wie es auf funktionierenden, wettbewerblichen Märkten zu erwarten wäre, sollte doch als Alarmsignal gewertet werden.(12)

Fazit und Ausblick

Der Verdacht, der sich einem aufdrängt, wenn man all dies bedenkt, ist ebenso naheliegend wie beunruhigend: Längst existiert nur noch die Illusion von funktionierenden Finanzmärkten. Und in einem kollektiven Akt bemühen sich Entscheider weltweit, und vielleicht sogar ohne sich dessen bewusst zu sein, im Grunde verzweifelt lediglich darum, diese Illusion zu erhalten.(13)Was die Lage noch bedrohlicher erscheinen lässt ist jedoch die Tatsache, dass offensichtlich auch die Funktions-fähigkeit der globalen realwirtschaftlichen Märkte nur noch bedingt gegeben und äußerst fragil geworden ist. Dass in den letzten Wochen die Aktienkurse weltweit wieder kräftig anziehen, während sich die Realwirtschaft weiter im - wenn auch gegenwärtig vielleicht etwas verlangsamten - Sinkflug befindet, kann insofern keineswegs nur als positives Signal gewertet werden. Es ist vielleicht eher ein weiteres Zeichen für das Ausmaß der Funktionsmängel.(14)

Vor allem US-Notenbankchef Ben Bernanke und US-Finanzminister Timothy Geithner haben in den vergangenen Wochen immer wieder Optimismus versprüht. Sie haben von positiven Signalen sowie Anzeichen einer Stabilisierung der Finanzmärkte und der Realwirtschaft gesprochen und mehr als nur suggeriert, dass es schon bald wieder leicht aufwärts gehen könnte, auch wenn der Weg noch lang und beschwerlich sein werde. Andere Notenbanker, hochrangige Experten und maßgebliche Politiker haben es ihnen gleich getan. Ihnen geht es dabei um die Psychologie, das heißt um das Erzeugen einer positiven Stimmung auf den Märkten eben. Die Botschaft lautet vor allem: Die Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen beginnen langsam zu greifen. Wir haben richtig gehandelt, wir haben die Krise im Griff.

Es müssen Zweifel erlaubt sein, ob es sich wirklich so verhält oder ob es nicht doch eher darum geht, so lange wie möglich die Wirklichkeit zu ignorieren, weil man sie nicht erklären kann und vielleicht auch nicht wahrhaben will.(15) Das spricht ganz klar für ein Theoriedefizit und es ist offensichtlich, dass beim gegenwärtigen Erklärungsstand alle infrage kommenden und durchsetzbaren Handlungsoptionen gezogen wurden - um den in 40 Jahren geschaffenen und jahrelang sehr erfolgreichen Typus von Wirtschaft zu erhalten.

Jetzt kommt also die Stunde der Wahrheit. Waren es die richtigen Maßnahmen? Ist die Talfahrt gestoppt?

Vor allzu viel Optimismus sei gewarnt.

Links:

(1)     Unternehmensinsolvenzen: Die Pleitewelle rollt (v. 24.08.09);
(1)     Studie: Mehrheit der großen Unternehmen kämpft weiter ums Überleben (v. 12.07.09);
(1)     Milliardenverluste seit 2003: Regierung gesteht Opel-Misere ein (v. 20.07.09);
(1)     Düstere Prognose: Experten warnen vor drastischem Absturz der Autoindustrie (v. 02.07.09);
(2)     Lufthansa muss massiv sparen (v. 16.07.09);
(2)     Luftfahrtbanche: 100.000 Jobs in Gefahr (v. 08.06.09);
(2)     Talfahrt im Maschinenbau: Auftragseingänge brechen massiv ein (v. 28.05.09);
(2)     Konjunktureinbruch: Vielen Firmen droht böses Erwachen (v. 03.06.09);
(3)     Konzernsanierung: Alles nur Krise? (v. 11.12.08);
(4)     Lobbyismus: Finanzlobbyisten kapern US-Regierung (v. 15.10.09);
(4)     Immer höhere Bußgelder: EU-Kartellrecht belastet Wirtschaft (v. 16.07.09);
(4)     Jörg Asmussen: Privat mit der Börse verbunden (v. 13.06.09);
(4)     PwC: Regierung beenet Beratungsmonopol (v. 13.06.09);
(4)     Regierung lässt Schlupfloch für Leihbeamte (v. 23.04.09);
(4)     PwC-Mitarbeiter in Ministerium empört Lobbywächter (v. 23.04.09);
(5)     Umfrage zu Konjunkturprogrammen: Mittelständler fühlt sich benachteiligt (v. 14.09.09);
(5)     Finanzpolitik: Steueroase Deutschland (31.08.09);
(5)     Analogkäse, Gel-Schinken und Co: Verbraucherschützer decken Lebensmittel-Tricksereien auf (v. 10.07.09);
(5)     Pharma-Riese hält Arzneistudien zurück (v. 10.06.09);
(5)     Verbot von Pillen-Discountern empört Ökonomen (v. 19.05.09);
(5)     Intels Praktiken schockieren Kartellwächter (v. 13.05.09);
(5)     Banken handelten Ergebnisse des Stress-Tests aus (v. 10.05.09);
(5)     Monopol-Zementierung: "Opal"-Beschluss erntet heftige Kritik (v. 26.02.09);
(5)     Im Schattenreich der Konzerne (v. 18.05.09);
(6)     Liqui-Moly-Chef: Mittelstand wird veralbert (v. 27.05.09);
(7)     Steuern und Abgaben: Arbeitnehmer schultern immer mehr Lasten (v. 12.08.09);
(7)     Studie: Reallöhne im Aufschwung gesunken (v. 11.08.09);
(8)     Weblog "Herdentrieb": Ahnungslose Ökonomen (v. 16.07.09);
(8)     HRE-Misere: "Das würde kein Vorstand überleben" (v. 01.07.09);
(8)     HRE-Debakel: Finanzministerium frühzeitig informiert (v. 20.06.09);
(8)     Die verdrängten Sünden der Heuschrecken-Bändiger (v. 04.03.09);
(9)     Das Märchen von der Gier (v. 27.05.09);
(10)   Trotz Krise keine Änderung bei Banken: Londons Finanzhaie lecken wieder Blut (v. 02.07.09);
(10)   Bankrotterklärung: Zentralbanken beklagen Machtlosigkeit (v. 18.06.09);
(10)   Illegale Praktiken: Neuer Ärger für Morgan Stanley (v. 27.05.09);
(10)   Systemschwäche: Die Goldman-Connection (v. 07.05.09);
(10)   Bankbilanzen: Minus + Minus = Plus (v. 29.04.09);
(11)   Niall Ferguson: "Ein großartiges Jahr um, eine Bank zu gründen" (v. 01.02.09);
(12)   Bankkredite: Banken schröpfen Kunden beim Kredit (v. 20.08.09);
(12)   Financial Convenants: Mittelstand ächzt unter Kreditklauseln (v. 18.06.09);
(12)   Großbanken geizen mit Krediten (v. 10.06.09);
(12)   Bundesbank: Kredit zu bekommen wird immer schwerer (v. 29.04.09);
(13)   Wall Street: Der Rausch nach dem Kater (v. 08/2009);
(13)   Selbstaufgabe des Systems: Bernankes Wiederwahl führt zu einem Obamageddon! (v. 05.08.09);
(13)   Kaupthing: Großaktionäre plünderten Bank vor Pleite (v. 04.08.09);
(13)   Forsche US-Banken: "Lieber Timmy ..." (v. 15.06.09);
(13)   Das Monster schmatzt (v. 20.05.09);
(14)   Bank-Aktien völlig überbewertet? (v. 30.06.09);
(14)   Die Unternehmen als Stimmungsbremsen (v. 22.06.09);
(14)   "Die Welt ist süchtig nach Schulden" (v. 17.06.09);
(14)   Aktien sind teuer wie nie zuvor (v. 03.06.09);
(14)   Riskante Erwartungsblase (v. 29.05.09);
(15)   US-Konjunkturpaket: Macht rutscht zum Staat (v. 11.02.09).

1 Kommentar:

  1. Ich finde, die Autohersteller sind wirklich das beste Beispiel dafür, dass man nicht eine ganz simple Folge von Krisen hat, auf die man sich nun berufen kann und der man die Schuld in die Schuuhe schieben kann. Den Konzernen wie General Motors ging es ja wirklich schon vor der Krise alles andere als gut, aber so etwas kommt natürlich sehr gelegen um endlich mal aufzuräumen bzw. aufräumen zu lassen, was ja viel schlimmer ist. Die Interdependenzen aber auch die Differenzen zu verstehen ist wohl in der Tat der allererste Schritt, der meiner Ansicht nach noch lange nicht vollzogen ist.

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