Sonntag, 7. Februar 2010

Finanzmarktkrise, Weltwirtschaftskrise und die Rolle der Medien als Informationsanbieter


Ist es Ihnen auch aufgefallen?


Es herrscht gegenwärtig, was die Finanzmarkt- und die Weltwirt-schaftskrise anbelangt, eine eigentümliche Stille oder besser gesagt der sonst bezüglich dieses Themas beständig kräftig sprudelnde Informa-tionsausstoß der Medien ist insgesamt merklich dünner geworden.

Nüchtern betrachtet sehr beunruhigende neue Entwicklungen, wie etwa in Griechenland sowie neuerdings auch betreffend die Haushaltssituation Portugals und Spaniens, erzeugen in den Medien und an den Finanz-märkten vergleichsweise weniger Aufregung als beispielsweise zuletzt noch die Meldungen über Zahlungsprobleme Dubais im vergangenen Jahr.

Es ist fast so, als wären die Markt-Seismographen mit dem Jahres-wechsel neu kalibriert worden und damit unempfindlicher gegen Erschüt-terungen geworden.

Andererseits scheint dasselbe auch hinsichtlich der Meldungen aus anderen Bereichen des Lebens geschehen zu sein, nur in umgekehrter Richtung. Das mediale Getöse um die Gefahren der Schweinegrippe ist ein Beispiel dafür. Nach dem Jahreswechsel waren es übertriebene Warnungen vor heranziehenden Schnee-Unwettern, die viele Menschen unnötigerweise zu Vorratskäufen veranlassten. Heute hörte ich, wie in den Radio-Nachrichten warnend vor einer Knappheit wichtiger Impfstoffe für Kinder berichtet wurde. Ein neuer Fall, der, ob berechtigt oder nicht, das Potenzial hat, verbreitet Sorgen zu schüren.

Was ist da eigentlich los?

Mit einer objektiven Berichterstattung darf man heute in den Medien leider nicht mehr rechnen. Das ist klar. Zu groß ist der Einfluss von Politik und auch von Lobbyisten, die den Journalisten vielfach die Arbeit abnehmen und druckfertige Artikel in den Redaktionen anliefern. Aber dass es jetzt ein wenig danach aussieht, als sollte uns vorgemacht werden, die eigentlichen Hiobsbotschaften, die größeren Bedrohungen, gingen nicht von den Finanzmärkten und der Weltwirtschaft aus, sondern kämen aus anderen Bereichen, das ist neu.

Rückblickend betrachtet lassen sich hinsichtlich der vom Strom der Nachrichten über die Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise ausgehenden medialen Basisbotschaft Phasen unterscheiden. Nach dem Ausbruch der Subprimekrise in den USA war der Nachrichtenstrom zunächst gekenn-zeichnet von großen Informationslücken und dadurch bedingt verur-sachten neue Negativ-Meldungen, etwa betreffend die IKB und die SachsenLB, eine hohe allgemeine Verunsicherung. Was bedeutete die Subprimekrise in den USA für den Rest der Welt? Das fragten sich viele. Nach dem Quasi-Kollaps der Investmentbank Bear Sterans änderte sich der Grundton des Nachrichtenstroms: Es wurde beschwichtigt, die Probleme seien gelöst, alles werde sich beruhigen. Ein Schwall optimis-tischer Wirtschaftsprognosen kam unterstützend hinzu. Das Bild wurde in der gesamten Breite schöngezeichnet. Das war die zweite Phase.

Überlagert wurde dieser Basiston jedoch zunehmend von Zweifeln an dieser Auslegung, als Gerüchte um Probleme bei Lehman Brothers aufkamen, die sich etliche Wochen später bestätigten. Die Finanzmärkte brachen ein und, was neu war, erstmals auch die Weltwirtschaft. Viele Menschen brachten ihr Erspartes in Sicherheit.

Von da an war klar, dass niemand mehr optimistischen Meldungen traute. Die dritte Phase der Berichterstattung begann. Sie war pointiert ausgedrückt gekennzeichnet durch ein "sowohl als auch". Berichte und Meldungen enthielten sowohl pessimistische Aspekte und Interpreta-tionen als auch optimistische. Das änderte nur an der Oberfläche etwas am Orientierungswert der medialen Berichterstattung. Die Frage, ob es mit den Finanzmärkten und der Wirtschaft aufwärts oder abwärts gehen würde, war vor dem Hintergrund solcher Berichte nicht zu entscheiden. Die Medien machten sich dadurch aber - oberflächlich betrachtet - nicht mehr unglaubwürdig.

Jetzt, vielleicht auch schon im ausklingenden Jahr 2009, scheint die mediale Berichterstattung betreffend die vermittelte Basisbotschaft in eine vierte Phase eingetreten zu sein. Sie könnte vielleicht als die der "Ablenkung" bezeichnet werden. Meldungen aus anderen Bereichen sind scheinbar wichtiger geworden, decken ein scheinbar höheres, für die Bürger jedoch zumindest unmittelbareres Bedrohungspotenzial auf, während gleichzeitig der Strom an Nachrichten und Berichten über die Entwicklung auf den Finanzmärkten und in der Wirtschaft weniger stark fließt als zuvor.

Das ist eine persönliche Interpretation und sie kann falsch sein. Das zu beurteilen, sei jedem selbst überlassen. Tatsache ist, dass die Medien heute im Vergleich zur ersten Weltwirtschaftskrise eine andere und zudem auch viel größere Bedeutung haben. Damals konnten es sich die meisten Menschen gar nicht leisten, Zeitungen zu kaufen oder gar zu abonnieren. Auch die Reichweite von Rundfunk oder gar Fernsehen war eine viel geringere. Und natürlich gab es das Internet nicht. Das heißt, der Informationsstrom floss damals viel, viel spärlicher. Die Masse erfuhr erst von Entwicklungen als es schon zu spät war, persönlich darauf zu reagieren, sich vor den Folgen zu schützen.

Anders als damals sind heute überall und für jeden Informationen zugänglich und zwar rund um den Globus sowie praktisch in Echtzeit. Heute besteht das Problem in der Informationsselektion. Es gibt eine Fülle von widersprüchlichen Informationen und den Stellenwert einzelner Informationssplitter zu bewerten, ist nicht leicht. Das ist schon länger der Fall. Aber erst jetzt, da wir dringend aufklärende Information haben möchen, fällt es uns auf.

So gesehen ist die Masse der Menschen heute auch nicht viel besser dran als zu Zeiten der ersten Weltwirtschaftskrise. Für Unternehmen und Politiker macht es indes einen sehr großen Unterschied, weil sie selbst Informationen in den Nachrichtenstrom einspeisen und damit seine Richtung sowie letztlich die Öffentlichkeit in nicht geringem Maße beein-flussen können - zumindest so lange sie Informationen passiv entgegennimmt bzw. schlicht "schluckt". Anererseits sind Unternehmen und Politik auch dazu gezwungen, weil ihnen ansonsten die von der Berichterstattung ausgelöste Entwicklung aus den Händen gleiten könnte.

Niemand sollte jedoch glauben, diese Beeinflussungsmöglichkeiten würden von Politik und Unternehmen stets in einer dem Allgemeinwohl verpflichteten Weise genutzt. Und niemand sollte sich heute unreflektiert darauf verlassen, die Medien breiteten die ungeschminkte Wahrheit vor einem aus. Es sind Unternehmen, die uns in erster Linie mit Informa-tionen versorgen - überwiegend sogar sehr große, mächtige Unter-nehmen. Dass sie ihre Informationsfunktion völlig unbeinflusst erfüllen, das kann man heute nicht mehr voraussetzen. Nicht zuletzt deswegen nicht, weil sie als Unternehmen eigene Interessen verfolgen und ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern suchen müssen.

Information ist reichlich verfügbar. Sie wird mundgerecht serviert. Ob und inwieweit wir sie schlucken, was wir daraus für uns entnehmen, welche Schlüsse wir daraus ziehen, das liegt an uns selbst. Niemand wird für sich negative Konsequenzen sowie auch Chancen erkennen und aktiv, vorausschauend handeln können, wenn er nicht begreift, dass er anders als zu Zeiten der ersten Weltwirtschaftskrise Informationen zwar leicht bekommen kann, die richtigen Informationen jedoch aktiv selbst suchen muss.

Informiert zu sein ist ein hartes Stück Arbeit. Aber es ist möglich. Man muss allerdings die Arbeit auf sich nehmen. Skeptisch zu sein ist der erste Schritt, aber das reicht nicht aus. Die Krise ist noch nicht vorbei! Es gibt keine echte Erholung. Unsere Politiker haben sich und uns für viel Geld lediglich eine Atempause erkauft (siehe dazu: "Was geschieht, wenn die nächste große Blase platzt?"). Die Zeiten des passiven Infor-mationskonsums sind vorbei. Wer das nicht erkennt, ist heute nicht besser dran als die breite Bevölkerung zu Zeiten der ersten Weltwirt-schaftskrise. An die Stelle von mangelbedingter Uninformiertheit tritt dann die Informationsillusion oder: Nebel.

1 Kommentar:

  1. Es geht aber bald wieder los: wenn die variablen Hypotheken in USA neu (hoeher) verzinst werden, gibt es erneut ungeahnte Zwangsversteigerungen, der Haeusermarkt bricht zusammen, andere Hypotheken, gerade "erfolgreich" umgeschuldet, werden wieder notleidend, der Staat greift ein und ist dann endgueltig bankrott.

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