Montag, 13. September 2010

US-Konjunktur unter Beobachtung


Die US-Regierung wird bis zu den Kongresswahlen im November alles daran setzen, zumindest jegliche Anzeichen für eine weitere Verschlech-terung der wirtschaftlichen Lage zu verhindern. Dabei gibt es durchaus immer wieder Zweifel, inwieweit die veröffentlichten offiziellen Konjunk-turdaten ein realistisches Bild von der Lage in den Vereinigten Staaten zeichnen und teils gut begründete Befürchtungen, dass die Lage erheblich ernster ist als die Daten suggerieren. Das gilt etwa auch für die möglicherweise wahlentscheidenden Arbeitslosenzahlen, die offiziell mit über 16 Millionen angegeben werden, was einer Quote von 9,6 Prozent entspricht. Ein übergroßes Fragezeichen setzt indes die offizielle Zahl von über 40 Millionen Essensmarkenempfängern hinter diesen Wert. Denn Arbeitslosigkeit ist Voraussetzung für den Erhalt von Essensmarken.


Dennoch ist es nicht unbedingt wahrscheinlich, dass die schlechten Daten vor der Kongresswahl über die USA und die Welt hereinbrechen. Es sei denn, es kommt in einem anderen Teil der Welt zu Entwicklungen, die die Finanzmärkte erzittern lassen. Zwar wird immer wieder ein Aufflackern der Schuldenkrise in der Europäischen Union befürchtet. Andererseits wird in der EU alles getan, damit diese nicht virulent wird, was bisher gelungen ist. Es kommt hinzu, dass die Schuldensituation in der Union bei weitem nicht die Dimension jener der Vereinigten Staaten hat - allen neuen beunruhigenden Nachrichten aus Griechenland und Irland zum Trotz. Die chinesische Regierung um Wen Jiabao wiederum hat definitiv den Ehrgeiz, der Welt und vor allem den USA zu zeigen, dass sie die Situation im Griff hat. Der Fluss aussagekräftiger Daten aus China heraus ist ausgesprochen spärlich. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich daran in nächster Zeit etwas ändern wird. Dafür müsste die Situation der Regierung schon tatsächlich entgleiten.

In Japan sieht es anders aus. Die Wirtschaft verliert immer mehr an Schwung und der Preisverfall setzt sich fort, obwohl sich Notenbank und Regierung fortlaufend darum bemühen, den Entwicklungstrend umzukehren - Verdreifachung der Geldmenge und mittlerweile fünf aufeinander folgende Konjunkturpakete. (1) Der Höhenflug des Yen ist vor diesem Hintergrund grotesk und verschärft die Probleme. Würde man eine Art Ranking des Vertrauens, dass die Regierungsarbeit ausstrahlt, erstellen, so hätte unter den führenden Wirtschaftsnationen Japan gegenwärtig womöglich die besten Chancen auf den letzten Platz. Gleichwohl wäre damit noch nichts darüber ausgesagt, wie schlecht die Lage im Vergleich tatsächlich ist.

Das Ranking der führenden Industrienationen bezüglich der tatsäch-lichen Wirtschaftslage sähe wohl anders aus. Aber das spielt an den Finanzmärkten und Börsenplätzen keine Rolle. Noch nicht. Denn voraussichtlich wird sich das ändern, sobald irgendetwas Unvorherge-sehenes geschieht, was einen unverhüllten Blick auf das tatsächliche Ausmaß wirtschaftlicher oder die Finanzmarktteilnehmer betreffende Probleme zulässt.

Es besteht kaum ein Zweifel, dass es weltweit verstreut eine ganze Reihe von Problembereichen gibt, von denen sich jeder einzelne als neuer Krisenauslöser erweisen könnte. Die Erfahrung mit der bisherigen Krise lehrt zudem, wie rasch die Grenzen der Beherrschbarkeit erreicht sind und wie schwer es Notenbankern, Regierungsexperten und Ökonomen fällt, eine akute Krisensituation, die die Märkte erschüttert, rasch wieder einzufangen.

Die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten haben sich nüchtern betrachtet nicht verbessert.

Einmal weil die Ökonomen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und sie die Märkte weiterhin nicht wirklich verstehen - was aber Voraus-setzung für ein wirksames Gegensteuern und für eine nachhaltige Verbesserung der Lage wäre. Stattdessen sonnt man sich immer noch im zweifelhaften Erfolg der bisherigen finanziellen Stützungsmaßnahmen und debattiert allenfalls über Sinn und Unsinn einer Neuauflage. Des Weiteren weil die finanziellen Möglichkeiten der Regierungen nunmehr eingeschränkt sind. Die nahezu in allen Industriestaaten massiv gestiegene Staatsverschuldung erlaubt es schwerlich, die Märkte im Ernstfall wieder mit erheblichen finanziellen Aufwendungen zu retten. Eine deutliche Verschärfung der Krise wäre zugleich aber auch ein Beleg für die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens. Denn dies zeigte, dass schon die erste Rettungsaktion dieser Art die Probleme nicht beheben, sondern deren Lösung nur für eine Weile aufzuschieben vermochte.

Und so wartet alles auf das "Zeugnis" für die erste Welle von Maßnahmen zur Krisenbewältigung bzw. darauf, ob der Ernstfall eintritt. Dieses Zeugnis werden einmal mehr die Finanzmärkte ausstellen, was zugleich viel über die Fortschritte aussagt, die die Regierungen bei der Krisenprävention gemacht haben. Sie werden einmal mehr die Getriebenen sein.

Diese Woche stehen in den USA wieder eine Reihe neuer Konjunk-turdaten an. Man braucht kein Prophet zu sein, um ahnen zu können, wie wenig sich die USA schlechte Daten leisten können.

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