Nun also ist die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich
entschieden. Der Sozialist François
Hollande (PS) hat 28,6 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen können, der
Spitzenkandidat der konser-vativen UMP, Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, nur 27,1 Prozent. In der Stichwahl am 6. Mai wird
entscheidend sein, wie sich die Wähler der rechstextremen Marine Le Pen verhalten, die mit rund 18 Prozent der Stimmen weit
mehr Zustimmung bekam, als Prognosen ihr zugetraut haben. (1)
Der Erfolg von Le Pen und dem
linksextremen Jean-Luc Melenchon –
er kam auf 11,1 Prozent – zeigt jedoch schon jetzt eines sehr deutlich:
Die Zahl der Verlierer des bisherigen französischen
und europäischen Krisenkurses, der einseitige, harte austeritätspolitische Maßnahmen
sowie teure Rettungsmaßnahmen für Staatsfinanzen bzw. letztlich Banken favorisierte,
ist hoch! Man denke nur einmal an die erschreckend hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Krisen-staaten von zum Teil über 40 Prozent.
Das gilt für Frankreich, auch wenn darüber
bisher kaum berichtet wurde, aber mehr noch für Griechenland, Portugal,
Spanien, Ungarn und anderen Schuldenstaaten Europas.
Geht man deswegen davon aus, dass das
Wählervotum der Franzosen ein Votum gegen Nicolas Sarkozy und die Fortsetzung
dieses Kurses ist, so stehen die Chancen gut für Hollande, die Stichwahl für
sich zu entscheiden. Sicher ist das aber nicht.
Es ist bemerkenswert, dass just an diesem
Wochenende auch die Mitte-rechts-Minderheitsregierung
in den Niederlanden wegen gescheiterter Sparpläne in eine Krise geraten ist
und Neuwahlen drohen (2) sowie zeitgleich auch die Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Petr Necas in Tschechien
wegen eines Korruptionsfalls, der jetzt zum Bruch der Drei-Parteien-Koalition führte
(3).
Es fällt des Weiteren auf, dass sich auch
in den europäischen Krisenstaaten der Widerstand gegen den gegen-wärtigen europäischen
Krisenkurs verstärkt hat und zwar just unmittelbar vor der ersten Wahlrunde in
Frankreich. In Italien zog Premier Mario Monti Mitte vergangener Woche angesichts
der anhaltenden Talfahrt der italienischen Wirtschaft und der bisher schlechten
Erfahrungen mit dem einseitigen Sparkurs in anderen Krisenstaaten die
Konsequenz und gab einen neue Devise für die italienische Krisenpolitik aus: "Alles, alles, alles was wir jetzt tun,
zielt darauf ab, das Wachstum zu stärken." (4)
Gleich am nächsten Tag schlug in Spanien der konservative Wirtschaftsminister
Luis de Guindos in dieselbe Kerbe
wie Mario Monti: „Die Konsolidierung ist
unverzichtbar, aber wir dürfen dabei kein Tempo anschlagen, das die
Wachstumsaussichten ruiniert. Viele Euro-Länder werden bei der Aufstellung
ihrer Stabilitätsprogramme sehr schnell feststellen, dass sich die
Wachstumsprognosen im vergangenen halben Jahren deutlich verschlechtert haben,
und dann wird die Diskussion wieder von neuem beginnen.“ (5) Er forderte
deswegen, in Europa die Haushaltskonsolidierung mit Reformen zu verbinden, die das
Wachstum fördern.
Genau das will auch der französische Präsidentschaftskandidat
François Hollande (6) und es ist kein Programm, das den Finanzmärkten schmecken
wird – schon gar nicht wenn die Aussicht besteht, dass es in Europa zu einer
Neuverhandlung und am Ende zu einer Neuorientierung des Krisenkurses kommt, der
auf der Linie der Kritiker des vor allem von Nicolas Sarkozy und Angela Merkel
forcierten aktuellen Kurses liegt. Mit dem Ausgang der ersten Wahlrunde in
Frankreich, ist dies jedoch ein Stück wahrscheinlicher geworden. Am 6. Mai werden
deswegen in Frankreich und Griechenland nicht nur parteipolitisch, sondern wahrscheinlich
auch für den künftigen europäischen Krisenkurs die Würfel fallen und gegenwärtig
beginnt es nach einer solchen Wende auszusehen. Angela Merkel wird es jedenfalls
ohne Nicolas Sarkozy kaum möglich sein, ihren bisherigen europapolitischen Kurs
weiterhin durchzusetzen. Einen harten Dämpfer für ihre Partei bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen kann sie auch deswegen nicht gebrauchen.
An den Finanzmärkten wird diese neue Entwicklung
alles andere als Euphorie auslösen. Im Gegenteil. Für Europa muss die negative Reaktion
der Finanzmärkte dennoch nicht unweigerlich als schlechtes Zeichen gewertet
werden. Denn es ist für viele absehbar, dass das Schiff „Europa“ bei
Beibehaltung des bisherigen Krisenkurses – ähnlich wie einst die Titanic – unweigerlich
mit einem Eisberg kollidieren würde. Nur so ist zu verstehen, dass etwa der in letzter
Zeit nicht gerade erfolgsverwöhnte Hedge-Fonds-Star John Paulson auf eine machtvolle
Rückkehr der Euro-Krise und darauf wettet, dass diese die Kreditwürdigkeit
Deutschlands ernsthaft in Mitleidenschaft zieht. (7)
Für „Wende“-Politiker wie Hollande gibt es
deswegen ob der sich abzeichnenden Wende in der Politik noch keinen Grund zum
Jubel. Denn eines bleibt weiterhin ungeklärt, nämlich die Frage, welcher Kurs
eingeschlagen werden muss, um nicht nur dem Eisberg auszuweichen, sondern Europa
aus der Krise zu führen.
Ohne wirtschaftlichen Aufschwung geht nichts
– und genau hier muss ein großes, warnendes „Aber“ gesetzt werden. Denn in
dieser Frage gibt es von Seiten der führenden Ökonomen und mehr noch von der
der führenden Politiker weltweit nach wie vor erstaunlich wenig hoffnungsfroh
stimmende Antworten. Neue Ideen werden weiterhin nicht in die Diskussion, die
sich deswegen unablässig im Kreise dreht, eingebracht. Wenn dieses Problem jedoch
nicht effektiv gelöst wird, bleiben die Aussichten trotz einer sich
abzeichnenden Kette von „Wende“-Wahlen weiterhin sehr düster.
Quo vadis, Europa? – Neue Köpfe ohne neue,
tragfähige Ideen sind keine Antwort. Das mag gerne als ein Aufruf verstanden
werden.
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