Donnerstag, 17. Mai 2012

Update zu JP Morgans Spekulationsdebakel: Die „Cruise Missile“ der Hedgefonds


Heute wird berichtet, der von JP Morgan Ende vergangener Woche bekanntgegebene Verlust in Höhe von zwei Milliarden Dollar infolge von Fehlspekulationen mit Credit Default Swaps habe sich zwischenzeitlich um eine weitere Milliarde erhöht. Hedgefonds und Spekulanten nutzen offenbar das Wissen um die von der Bank noch gehaltenen problematischen Handelspositionen aus und wetten auf deren weitere Verschlechterung. Der Verlust könnte nach Berechnungen von Oppenheimer & Co. auf insgesamt maximal 5,9 Milliarden Dollar ansteigen, was jedoch für unrealistisch gehalten wird. (1)
Die unmittelbaren Konsequenzen des Spekulationsdebakels für JP Morgan:
  • Innerhalb von zwei Tagen nach der Bekanntgabe des 2-Milliarden-Verlustes schmolz der Börsenwert von JP Morgan um18,8 Milliarden Dollar (2)
  • Einzel- und möglicherweise auch Sammelklagen von Aktionären gegen JP Morgan wegen Täuschung, Verletzung der Treuepflicht, Verschwendung von Firmenvermögen und ungerechtfertigter Bereicherung sind unterwegs (3),
  • Ermittlungen der SEC, der Fed, des Justizministeriums, des FBI gegen die Bank wurden aufgenommen,
  • Barack Obama und die Befürworter einer schärferen Bankenregulierung in den USA wetzen die Messer im Vorfeld der abschließenden Verhandlungen über die Ausformulierung der sogenannten Volcker-Rule, die zum 21. Juli in Kraft treten soll und nach der US-Banken und Institute mit US-Töchtern keinen Eigenhandel mehr betreiben dürfen (4)
  • und spätestens jetzt weiß nicht mehr nur Goldman Sachs, was ein Imageschaden ist.
Es gibt indes noch eine weitere Konsequenz, die unter den Tisch zu fallen droht und die dem Debakel noch eine ganz besondere Bedeutung gibt:
In den vergangenen Monaten und speziell dann, wenn sich in der europäischen Schuldenkrise die Finanzierung für Schuldenstaaten trotz ergriffener Maßnahmen zur Stabilisierung an den Finanzmärkten deutlich verteuerte und mithin auch die Risikoprämien, fegte durch die Presse und die Medien jedes Mal ein Sturm der Entrüstung gegen die Ratingagenturen UND vor allem auch gegen Zocker. Mit Credit Default Swaps (CDS), also Kreditausfallver-sicherungen auf Staatsanleihen, die jeder erwerben kann, auch wenn er gar keine Anleihen hält, würde auf Staatspleiten gewettet, um letztlich an der Verschlechterung der Situation solcher Staaten zu verdienen – im Fall der Umschuldung Griechenlands wurden die Credit Default Swaps fällig. Doch immer wurde suggeriert: die Zocker, das sind Hedgefonds.
Nun ist nicht mehr zu leugnen, was vielen, die den Derivatemarkt kennen, ohnehin schon klar war: Auch der Marktführer und Krisengewinner JP Morgan - und das gilt auch für andere Großbanken - zockt fleißig mit.
JP Morgan, die Bank, die die Credit Default Swaps quasi „erfunden“ hat (5) und auf deren Analyse- und Bewertungstool für CDS sich der zuständige Verband, die International Swaps and Derivatives Association (ISDA) (6) sowie die gesamte Branche stützt, ist nun Opfer seiner eigenen, stets sorgsam mit dem Anstrich seriöser Geschäfte versehenen Zockerei geworden.
Die blamable Krönung der nun bekannt gewordenen Fehlspekulation ist jedoch, dass JP Morgan ausgerechnet Opfer von Hedgefonds wurde – den in diesem Fall besseren Zockern.
Das von Presse und Medien beförderte Märchen, allein die Hedgefonds seien die bösen Zocker, mit dem zumindest suggeriert wurde, die Banken, die die Regierungen und Regulierer bei der Verbesserung der Finanz-marktstabilität beraten, wären damit nicht in Verbindung zu bringen, ist mit dem JP-Morgan-Debakel, dessen Ausmaß noch nicht feststeht, ausgeträumt.
Der Versuch, auf den Finanzmärkten eine saubere Trennungslinie zwischen einer klar definierbaren Gruppe von verantwortungsbewussten und einer der verantwortungslosen Akteure einzuziehen, ist gescheitert. Und damit ist auch die Legitimation, diese Banken zu stützen und zu retten, mächtig angeknackst.
Warren Buffet bezeichnete Finanzderivate einst als „Massenvernichtungswaffen“. Für die Kennzeichnung des Spekulationsdebakels von JP Morgan, dem größten Player auf dem Derivatemarkt, bietet sich deswegen eine vergleichbare Metapher an:
Die Hedgfonds haben mit der Spekulation gegen JP Morgan ein „Cruise Missile“ abgefeuert – und einen Volltreffer gelandet.

2 Kommentare:

  1. Welcher Bankier soll denn den (Über-)Mut haben, lang- oder mittelfristige deutsche Bundesanleihen mit 1,5% Verzinsung/Rendite ohne Derivateabsicherung im Depot zu halten ? Bei einem Bundfuture von 144 und einer Umlaufrendite <1,2 ? Dazu die aufgehübschte Teuerungsrate von seit 2 Jahren deutlich über 2,5%. Da ist doch wohl eine ungeheure Schieflage entstanden.

    Trotzdem, es wird ja nicht umsonst für "Eurobonds" oder ESM oder andere "Rettungen" auf Kosten der Deutschen getrommelt. Wenn die nicht bis zum (Finanzmarkt-)Termin kommen, dürften all diese Gutmenschen, wie Soros& co. ziemlich dumm aus der Wäsche gucken. Sie haben nicht die Anleihen, sondern die gehebelten Derivate auf die Anleihen. Das ist genau so, wie bei den Aktien. Die Märkte werden durch Derivate bewegt. Der Schwanz wackelt mit dem Hund. :-)

    Wenn Frau Kanzlerin noch etwas durchhält, sieht es gut aus. Die Zockeria dürfte auf sinkende Renditen der PIGSIBFC und steigende deutsche Renditen gewettet haben. In Anbetracht der dauerhaft billigen Kreditkosten bei der Zentralbank ein (fast) nicht zu verlierendes Spiel. In dem Zusammenhang auch die €/$-Wechselkurse. Für etwas weniger gierige Mitspieler läßt sich auch nicht allzuviel falsch machen, denn bei heutigen Renditen ist sicher, dass der Euro zerbrechen würde.

    Das Problem sind die viel zu niedrigen Zentralbankzinsen, die die Hasardeure dazu auffordern dieses Spiel zu spielen. Genauso ist das mit den irren Rohstoffpreisen. Auch die Aktien notieren erheblich über der realwirtschaftlichen Leistungen der Unternehmen, gemessen an der Unternehmensverschuldung zum Gewinn nach Steuern.

    Dies ist eine Superblase bei Rohstoffen, Aktien und Anleihen. Da noch mit dauerhaft niedrigen Zinsen weiter heiße Luft aufzugeben dürfte die Akteure enorm ermuntern die PIGSIBFC weiter zu prügeln. Denn realistisch gesehen 99% aller Staaten niemals in der Lage ihre Schulden jemals zu begleichen. Incl. Deutschland. Die ganze Hysterie der vergangenen Jahre ist für mich vollkommen unverständlich. Das ist doch seit 3 Jahren nur dummes Gefasel was wir über uns ergehen lassen müssen. Aus dem einen Pol die Goldesel, auf dem anderen die Euroretter.

    Eine unangemeldete Zinserhöhung der FED und der EZB um 0,5% dürfte die Zockeria ganz schnell auf den harten Boden der Tatsachen schmettern.

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    1. Sehr schön zusammengefasst und ich teile die Einschätzung, dass eine "überraschende" Erhöhung des Leitzinses seitens der Fed - 0,5 Prozentpunkte müssten es schon sein - ein Schlag gegen den Casinobetrieb wäre.

      Leider glauben die Notenbanker nach wie vor, die lockere Geldpolitik würde der Realwirtschaft zugute kommen und sei, angesichts der Wirtschaftslage, notwendig. Tatsächlich geht die "Billigst"-Liquiditätsschwemme primär in die Finanzmärkte und pumpt quer über alle Asset-Klassen Preise und natürlich Blasen auf, die nicht zuletzt der Realwirtschaft massive Probleme bereiten.

      Wie wahrscheinlich ist es, dass Fed den Leitzins erhöht, wenn man auch noch die hohe US-Verschuldung in die Rechnung einbezieht? Ich vermute, wir bekommen eher einen Crash, als dass die Fed den Leitzins erhöht.

      Viele Grüße
      SLE

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