Sonntag, 6. Januar 2013

Dreikönigstreffen: FDP im Märchenland


Helmut Kohl (CDU) hat sich vor der Wahl im Herbst 1998 nicht vorstellen können, dass die Bürger ihn abwählen würden. Philipp Rösler dürfte inzwischen klar sein, dass seine Partei ihn als Parteichef abwählen wird, wenn er nicht zuvor schon selbst von diesem Amt zurücktritt. Sollte die FDP bei der Wahl in Niedersachsen am 20. Januar die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen, könnte er diesen Schritt tun.

Erst im Mai 2011 hatte sich die FDP eine neue, junge Führungsspitze gegeben, an deren Spitze von da an Philipp Rösler stand. Es herrschte Aufbruchstimmung. Die Erwartungen waren hoch. Denn die neue Parteiführung war angetreten, um die FDP neu aufzustellen und so seit der Bundestagswahl 2009 verloren gegangene Zustimmung bei den Wählern wieder zurückzugewinnen. Das ist nicht gelungen. Im Gegenteil rutschte die FDP noch tiefer in den Umfragekeller und erreicht schon seit Monaten kaum mehr die Fünf-Prozent-Marke.


Jetzt will die FDP also erneut einen Wechsel an der Spitze. Ob sie damit aus dem Umfragetief kommt, ist keineswegs sicher. Denn die Partei hat, seit sie in Berlin an der Regierung beteiligt ist, munter bis zur völligen Konturlosigkeit ihre liberalen Grundwerte über Bord geworfen. Dazu beigetragen hat unter anderem, dass sie gleich zu Beginn der Regierungszeit keinerlei Bedenken hatte, Steuervergünstigungen für Hoteliers als Maßnahme zur Wachstumsbeschleunigung durchzusetzen. Den Ruf, Klientelpolitik zu betreiben, ist sie seither nicht mehr losgeworden.


Auch das zentrale Wahlkampfversprechen einer Steuerreform hat die FDP schon im Vorfeld der Verhandlungen mit der CDU über die Verteilung der Ministerposten gebrochen. Nur zur Erinnerung: Die FDP war mit über 14 Prozent der Wählerstimmen der strahlende Sieger der Bundestagswahl von 2009. Hätte die FDP darauf gepocht, den Posten des Finanzministers zu besetzen, wären zumindest günstige Voraussetzungen für die Einlösung des Versprechens geschaffen worden. Doch stattdessen zog Ende 2009 Rainer Brüderle als Bundeswirtschafts-minister ins Kabinett ein, nicht Hermann Otto Solms, der Steuerexperte der Partei, als Finanzminister. Damit war im Grunde schon klar, dass die FDP ihr Versprechen nicht würde einlösen können. Offensichtlich war es der FDP aber auch nicht mehr so wichtig.

Mittlerweile ist bedingt durch die Schuldenkrise von Steuerreform und Steuererleichterungen keine Rede mehr, die Wirtschaftspolitik hat indes an Aufmerksamkeit gewonnen. Insofern ist es konsequent, dass die FDP dieses Thema in den Mittelpunkt stellt. Doch selbst wenn sich die FDP unter neuer Führung nun wieder stärker auf ihre wirtschaftsliberalen Werte besänne, hat sie ein gravierendes, ungelöstes Problem: die wirtschaftsliberale Politik, der wir die hochgradig deregulierten Finanzmärkte und damit auch die US-Hypotheken‑ und die Finanzmarktkrise verdanken und die die Schuldenstaaten auf austeritätspolitischen Kurs und damit in eine Abwärtsspirale zwingt, ist in der Bevölkerung europaweit immer stärker in Verruf geraten. Immer weniger Menschen glauben, dass die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme mit Hilfe wirtschaftsliberaler Politik gelöst werden können. Daran kommt auch die FDP nicht vorbei.


Ob nun Rösler, Brüderle oder Lindner an der Spitze der FDP stehen, ändert nichts daran, welcher Frage sich die Partei stellen müsste, nämlich: Welchen Rückhalt kann eine Partei, deren Markenzeichen die Wirtschaftspolitik und deren Markenkern der Wirtschaftsliberalismus ist, angesichts der niederschmetternden Resultate liberaler Konzepte und Maßnahmen heute bei den Wählern noch finden? Doch stattdessen beschäftigt sie sich einmal mehr mit Personalfragen und veranstaltet beim Dreikönigstreffen ein Feuerwerk der Worthülsen, die die FDP-Mitglieder im Saal begeistern, aber sonst niemanden.


Und so überrascht es nicht, dass Philipp Rösler seine Partei auf dem Dreikönigstreffen schön geredet und zu Geschlossenheit aufgerufen hat, um so die Wähler bei den anstehenden Wahlen zu gewinnen und die Krise der Partei zu meistern. Die Voraussetzungen für eine so verstandene, konstruktive Geschlossenheit könnten schlechter kaum sein. Dass die Partei angesichts der drohenden Bedeutungslosigkeit einmal mehr glaubt, es komme darauf an, wer die Führung der Partei übernehme und wie sie dem Wähler verkauft wird, zeigt das ganze Ausmaß der Hilflosigkeit und vor allem der Veränderungsunwilligkeit in der FDP. Es hat sich auch schon nichts verändert, seit Philipp Rösler im Frühjahr 2011 die Parteiführung übernahm.


In diesem, die Hände in den Schoß legenden und deswegen destruktiven Sinne ist die FDP geschlossen und von ihrer Notwendigkeit überzeugt. Das ist realitätsfern. Die FDP träumt sich in ein Märchenland. Wie einst die Bundestagswahl im Herbst 1998 für Helmut Kohl könnte dies dazu führen, dass der Moment des Erkennens der Realität für die FDP ein Schockerlebnis wird. Die meisten Märchen enden eben nicht gut.

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