Sonntag, 13. März 2011

Deutschlands Politiker im Wahlkampffieber: Nichts ist heilig - so lange es nur Wählerstimmen bringt?


In Deutschland wird dieses Jahr in sieben Ländern gewählt - in Hamburg ist das bereits geschehen. Möglicherweise kommt es aber auch in Nordrhein-Westfalen zu Neuwahlen. Deutschlands Politiker sind im Wahlkampffieber und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn jemand, der unter hohem Fieber leidet, redet und handelt bekanntlich nicht mehr völlig klar und vernünftig. Es fällt in der Tat auf, wie sehr Deutschlands Politiker gegen-wärtig ihre Auftritte vor den Kameras und Mikrofonen darauf ausrichten, ihre Umfragewerte bzw. die ihrer Partei positiv zu beeinflussen. Guido Westerwelle hat beispielsweise die Krisen in Ägypten und Libyen ganz besonders ausgiebig für Auftritte auch in diesem Sinne genutzt. Oft genug haben sie jedoch eigentlich nichts Neues oder inhaltlich Substanzielles mitzuteilen. Man mag deswegen schon gar nicht mehr zuhören, was sie alles für Sprechblasen von sich geben und schaltet das Radio oder den Fernseher stumm.

Ein gutes Beispiel sind auch die Reaktionen und Aktionen im Zusammenhang mit der Katastrophe in Japan und dem möglichen oder vielleicht schon eingetretenen Supergau im Atomkraftwerk Fukushima I. Bundesumweltminister Norbert Röttgen handelte blitz-schnell und nutzte sogleich die Gelegenheit, mit staatstragender Stimme die deutsche Bevölkerung zu beruhigen, es bestehe kein Grund zur Besorgnis. Aha, das war dann nach seiner Einschätzung wohl die Information, auf die alle Deutschen dringend gewartet haben, wobei man sich spontan fragt, welches Land von Deutschland eigentlich noch weiter entfernt liegt als Japan und was sein Wort wohl wert ist, wenn es darauf ankommt - man denke nur an den Atomdeal im vergangenen Jahr und aktuell an die Einführung des umstrittenen Biosprits E10.

Der kurzfristig wegen der Ereignisse im Atomkraftwerk Fukushima I von der Bundes-regierung anberaumte Krisengipfel ist vor diesem Hintergrund wohl als reine Wahlkampf-veranstaltung einzustufen. Japan hat eine Krise und muss Entscheidungen treffen, nicht Deutschland und nicht die Bundesregierung! Dass Angela Merkel nun als Ergebnis dieses Krisengesprächs allen Ernstes auch noch verkündet, die Sicherheit deutscher Atomkraftwerke überprüfen lassen zu wollen, ist schlicht lächerlich. Ist der Gau in Fukushima I denn eine Art ansteckende Krankheit, mit der deutsche Atomkraftwerke quasi durch die Luft und über Nacht infiziert werden könnten? Und warum hat die Bundesregierung im Rahmen ihres Atomdeals mit den Energiekonzernen vor ein paar Monaten erst die Sicherheitsanforderungen für alte Atomkraftwerke gelockert?

Die Grünen wiederum wittern nun ihre große Chance unmittelbar vor der wichtigen Wahl in Baden-Württemberg am 27. März. Das Atomkraftthema ist urplötzlich wieder in den Schlagzeilen. Damit stehen sie mit ihren Positionen im Rampenlicht, nachdem es in den letzten Wochen so ruhig um sie geworden war, weil sie bei anderen Themen nicht in ähnlicher Weise präsent sind oder sein können. Folgerichtig bringen sie nun erneut all das zur Sprache, was sie im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem Atomdeal der Bundesregierung und der Entscheidung über die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken schon ausführlich vorgebracht hatten. Nun kommt also die Wieder-holung, medienwirksam inszeniert, damit der Wähler sich auch ja daran erinnert, wenn er sein Kreuz auf dem Wahlzettel machen muss.

Aber an Wiederholungen sind die scheinbar überaus vergesslischen Bundesbürger ja aus dem Fernsehen gewohnt und wer wollte behaupten, dass es nicht auch Filme gibt, die man sich gerne ein zweites oder drittes Mal anschaut?

Ohne Vermarktung sind alle Inhalte nichts und oft, so scheint es leider, sind Inhalte nichts und Vermarktung ist alles. So gesehen ist natürlich schon der im Vorteil, der den besseren Zugang zu den Medien hat - jedenfalls so lange niemand Aussagen auf ihre Inhalte und ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Aber wer tut das schon?

Bleibt noch die Frage, ob und wie sich die Bürger von all dem beeinflussen lassen - bei ihren Wahlentscheidungen natürlich, denn nur darauf kommt es aus Politikersicht ja an. Nach der Wahl machen die gewählten Politiker dann wie gewöhnlich wieder was sie wollen oder was ihre Klientel will, wobei mittlerweile hinreichend deutlich geworden sein dürfte, dass "Klientel" keineswegs ein Synonym für alle "Wähler" und vor der Wahl nicht dasselbe wie nach der Wahl ist. Und weil sich nach einer Wahl ohnehin kaum ein Politiker mehr an das zu erinnern vermag, was er vorher gesagt oder in Aussicht gestellt hat, ist es eigentlich sowieso belanglos, was sie sagen. So ähnlich mag auch Herr zu Guttenberg gedacht haben: gewählt ist eben gewählt ... und der Zweck heiligt nun mal die Mittel.

Einstweilen werden wir von angesehenen Meinungsforschungsinstituten fortlaufend brandaktuell über die Entwicklung der Umfragewerte von Parteien und Politikern versorgt. Können wir sie für bare Münze nehmen oder sind sie auch nur Teil dieser verrückten Inszenierung und sollen uns womöglich nur suggerieren: Tausend oder zweitausend repräsentativ befragte Bürger können nicht irren!

Tja, was kann schon wichtiger sein als Parteien und Politiker? Oh, natürlich: Bloß keine schlafenden Hunde wecken!

Fazit: Wer Orientierung sucht, der muss sich schon selbst darum bemühen.

1 Kommentar:

  1. Sehr gut! "Fazit: Wer Orientierung sucht, der muss sich schon selbst darum bemühen."
    In einer Plutokratie nach amerikanischem Vorbild und in Zeiten der Billigflieger sollte man also nicht nur den Leuchtspuren auf dem Boden folgen und die auch im Notfall beleuchteten Tueren mit der Aufschrift "Exit" benutzen, sondern sich auch an den seidigen Fallschirm der Vernunft erinnern, der sich beim Einschalten des Denkapparats wie von selber entfalltet.

    Fly the friendly skys of Aufklaerung.

    Sapere Aude!

    Georg Trappe

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