Freitag, 27. Mai 2011

Die EU auf der Suche nach einer geeigneten Deeskalationsstrategie für die Griechenland-Krise


Seit mehr als einem Jahr versucht sich die EU an der Lösung der Griechenland-Krise. Kann die Eskalation noch ohne großen Schaden für die EU und vor allem endgültig verhindert werden?

Das größte und gefährlichste Problem Griechenlands ist seine Abhängigkeit von den Finanzmärkten. Aber das ist es nicht allein. Wie soll Griechenland jemals seine Schulden abbezahlen können, wenn
  1. es bis heute kein tragfähiges Wachstumskonzept für Griechenland gibt, das notwendigerweise Teil eines neuen, tragfähigen Wachstumskonzepts für die EU als Ganzes sein müsste, denn Griechenland, Irland, Portugal und Spanien sind der Beleg dafür, dass das alte EU-Wachstumsmodell nicht mehr funktioniert,
  2. es nicht einmal mehr die Zinsen für seine Schulden zu bedienen vermag, weil diese in immer phantastischere Höhen getrieben werden,
  3. es zu einer immer schärferen Austeritätspolitik gezwungen wird, einschließlich Privatisierung von Staatsbetrieben, was die wirtschaftliche Substanz Griechenlands auszehrt, die Arbeitslosigkeit immer weiter steigen lässt und die heimische Wirtschaft immer tiefer in die Krise drückt mit der Folge, dass die Staatseinnahmen immer stärker wegbrechen,
  4. Griechenland aus diesem Grund faktisch überhaupt keine Chance mehr belassen wird - weder finanziell noch von der schwindenden Wirtschaftssubstanz her -, ein wie auch immer geartetes Wachstumskonzept umzusetzen, was jedoch unver-zichtbar wäre, da allein darin die Chance zu sehen ist, die Schulden überhaupt jemals aus eigener Kraft abbauen zu können?
Dieser hoch explosive Problemmix ist die Garantie für die Steuerzahler, immer weiter und immer mehr zu zahlen und zwar letztlich nicht etwa für Griechenland, sondern für all die Banken, die viel zu weit ins Risiko gegangen sind und eine Insolvenz Griechenlands nicht überleben würden, mitunter auch eine Umschuldung nicht.

Die Krönung aber ist, dass es die Gemeinschaft der Staats- und Regierungschefs der EU war, die diesen Problemmix erst angerichtet hat und zwar durch ihre Entscheidungen, Maßnahmen und öffentlichen Äußerungen, vor allem aber durch ihre Uneinigkeit, Unent-schlossenheit und das Unterlassen von Maßnahmen, die diese Abwärtsspirale wirksam hätten stoppen können.

Und all das, was hier auf einer halben Seite umrissen wurde, wird den Bürgern in der EU verschwiegen - von den Politikern, aber auch von den Medien. Die Politiker haben dafür einen handfesten egoistischen Grund: Sie wollen wiedergewählt werden und das alles würde das eigene Ansehen massiv beschädigen. Dabei wird in Kauf genommen, dass bedingt durch die falsche Problemwahrnehmung die Bevölkerung in der EU nicht geeint, sondern gegeneinander aufgebracht und gespalten wird, was sie zu einer leichten Beute rechtspopulistischer Politiker und Parteien macht. Das weckt böse Erinnerungen an die späte Phase der Weimarer Republik.

Kann man der Europäischen Union noch besser schaden?

Die "Euro-Krise" wird bedingt durch das Verhalten der Politiker, Medien, US-Rating-agenturen, Finanzmarktakteure und nicht zuletzt auch das vieler namhafter Ökonomen seit mehr als einem Jahr schon forciert - zum Teil möglicherweise unbewusst oder infolge mangelnder Problemdurchdringung, zum Teil aber auch durchaus bewusst.

Seit Anfang 2010 ist der Druck der Finanzmärkte im Verein mit dem der US-Rating-agenturen und der Medien auf Griechenland und die EU trotz aller teuren Rettungsmaß-nahmen und pompös inszenierter Beschlüsse immer weiter gestiegen. Der Austritt aus der Euro-Zone ist definitiv keine Lösung für dieses Problem, sondern mindestens der sichere "Tod" Griechenlands. Eine Umschuldung löst dieses Problem allerdings auch nicht, sondern sorgt mindestens für neue Finanzmarktturbulenzen, die allerdings niemand mehr zu kontrollieren vermögen dürfte, denn die Finanzmarktrisiken sind heute vielfältiger und insgesamt größer als vor der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers.

Der Preis, der für die Lösung zu zahlen ist, muss vernünftigerweise am Wert des zu Erhaltenden bemessen werden. Griechenland ist ein kleines Land mit gerade einmal 11 Millionen Einwohnern und wirtschaftlich gesehen ein Zwerg. Es geht aber längst nicht mehr nur um Griechenland, es geht um den Erhalt des Euro und der EU sowie um die Verhinderung eines neuen Finanzmarktcrashs, worauf hin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Weltwirtschaft erneut einbrechen würde.

Das mag nicht jeder so sehen, gewiss. Niemand kann in die Zukunft schauen, was für strategische Entscheidungen kennzeichnend ist und sie schwierig macht. Je nachdem worin man also die größte Gefahr für den Zusammenhalt und den Fortbestand der Euro-Zone und der EU sieht, könnte es möglicherweise notwendig werden, Griechenland bis auf Weiteres ganz vom Markt zu nehmen und eine ausschließlich innereuropäische Finanzierungslösung - ohne den IWF - zu suchen. Sie müsste dann allerdings verbunden sein mit der Erabeitung und anschließenden zielstrebigen Umsetzung eines neuen, tragfähigen  Wachstumskonzepts für Griechenland, das eingebettet ist in ein neues Wachstumskonzept für die EU als Ganzes - Griechenland ist schließlich nicht der einzige Problemfall. Erst wenn letzteres steht, und das wird Zeit brauchen, die die Finanzmärkte nicht zu geben bereit sind, befindet sich die EU wieder in sicherem Fahrwasser. Und damit kein Zweifel aufkommen kann: 
Austeritätspolitik ist kein Wachstumskonzept!

1 Kommentar:

  1. Ja, Austeritätspolitik ist garantiert kein Wachstums-, sondern eher ein Verelendungsrezept. Ich finde es auch empörend, was derzeit in G. geschieht, frage mich aber, wie der Ausweg aussehen könnte: Umschuldung (=Enteignung der Gläubiger), damit das Spiel wieder von vorne losgeht, womöglich ohne das G. die Gelegenheit bekommt, seine Kassen mit krediten zu füllen? Weiter Geld hineinpumpen?
    Es ist eine ziemlich beunruhigende Situation, in der sich die Staaten derzeit befinden: Sie leben, seit es sie gibt, auf Pump. Und das ist auch richtig so, einen Staat, der allein ökonomisch handelt, könnte man auch durch eine Aktiengesellschaft ersetzen. Nun passiert es aber irgendwie, dass das Spiel nicht mehr so weitergeht. Die Banken / Anleger wollen weniger Staatsanleihen kaufen, das Geld geht woanders hin...oder sind die Schulden mittlerweile schlicht so hoch, dass die Zinsen unbezahlbar geworden sind?

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