Dienstag, 16. August 2011

Die Eurobonds-Debatte - Europa stolpert wieder kopflos über die eigenen Füße


Glaubt man der Presse und den Medien, so scheint für die Lösung der europäischen Schuldenkrise nichts wichtiger zu sein als die Einführung von Eurobonds. Und die Politiker sind einmal mehr eher Getriebene, denn Agierende - als wollten sie wider besseres Wissen nichts dazu lernen.


Was man in den Schlagzeilen präsentiert bekommt, ist unter dem Strich ein vehementes Votum für Eurobonds, trotz der eingestreuten kritischen Stimmen. "Führende Volkswirte", "die Finanzmärkte", "Hedgefonds-Milliardäre", "die Wirtschaft" und was weiß ich nicht wer werden als Befürworter bemüht. Es klingt, bedingt durch die Flut solchermaßen intonierter Berichte, wie ein beschwörender Singsang oder besser fast wie Nötigung, so klar ist die in und zwischen den Zeilen vermittelte Botschaft: Genau JETZT MUSS eine ENTSCHEIDUNG für die EINFÜHRUNG von EUROBONDS fallen, andernfalls bricht schon bald alles Unheil von den Finanzmärkten her über die Euro-Zone herein. Was für ein Unsinn.

An diesem Punkt ist es angebracht, inne zu halten und sich erst einmal einige wichtige Punkte klar vor Augen zu führen:

1. Nach den bisherigen Erfahrungen ist es eine wenig begründete Hoffnung, Eurobonds könnten dem Druck der Finanzmärkte standhalten.

Warum sollte das so sein? Die Finanzmärkte - assistiert von den Ratingagenturen - haben jede Maßnahme und jeden Aufwand und Betrag, der für die Stabilisierung der EU-Schuldenstaaten und des Euros gesetzt wurde, bereits nach kurzer Zeit "geknackt" bzw. als "nicht ausreichend" bewertet, mit der Folge, dass Risikoprämien und Zinsen für Staatsanleihen der jeweils betroffenen Staaten immer noch weiter nach oben kletterten.

Wenn sich diese Hoffnung - denn mehr ist es nicht - als Irrtum erweist, dann wäre die Euro-Zone als Ganzes plötzlich in Bedrängnis und nicht mehr nur einzelne Schulden-staaten. Und wenn es sie einmal gibt, die Eurobonds, und sie erweisen sich wie auch die Währungsunion, als problematisch, weil die notwendigen Vorbedingungen nicht erfüllt wurden - im Falle der Währungsunion war das die politische Union -, dann lässt sich dieser Schritt wohl kaum noch revidieren. Das kann niemand wollen. 

2. Ein solcher Schritt wäre auch vor dem Hintergrund der bisherigen wirtschaftspoli-tischen Kopf- und Konzeptionslosigkeit der EU-Staats- und Regierungschefs in der EU-Schuldenkrise schlicht sachlich nicht zu rechtfertigen.

Es kann nicht funktionieren, ständig den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten tun zu wollen. Europa stolpert über die eigenen Füße und durch die Krise - so stellt sich die Situation bisher dar. Es wäre stattdessen ratsam, nicht immer neue Säue durchs europäische Dorf zu jagen, weil "die Finanzmärkte" und "die Medien" dies halt so wollen. Es gilt durchdachte Lösungsansätze zu entwickeln und diese dann intern, das heißt nicht öffentlich, zu diskutieren, um ein Gesamtkonzept zu finden, das überzeugen kann, weil es erkennbar stimmig und erfolgversprechend ist. Und um es klar zu sagen: Weder das Votum der Finanzmärkte noch das von Presse und Medien sind dafür ausschlaggebend und auch nicht das der von den Medien ernannten "Experten"!

Eurobonds sind gegenwärtig ganz eindeutig nicht der erste notwendige Schritt zur Lösung!

Der erste Schritt ist in jedem Fall, die Finanzmarktregeln endlich so zu verändern und anzupassen, dass Spekulation und das Eingehen von Risiken transparenter werden und nur noch innerhalb gesunder Grenzen möglich sind. Die politische Praxis kosmetischer Regeländerungen, weil man die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Finanzindustrie nicht beeinträchtigen, andererseits aber dem Bürger Handlungsfähigkeit demonstrieren und "Erfolge" liefern will, ist nicht länger tragbar. Sie kommt einem beständigen Wegducken vor der Verantwortung gleich. Um Ausreden sind Politiker nie verlegen.

Andere Regeln allein werden allerdings für stabile, voll funktionsfähige Finanzmarkt-strukturen sehr wahrscheinlich nicht mehr ausreichen. Die "systemrelevanten" Großbanken sind nur systemrelevant, weil eben dieses, von Großbanken geprägte System prinzipiell instabil und nur eingeschränkt funktionsfähig ist. Das Klumpenrisiko ist immens. Was nötig ist, ist ein anderes System und das bedeutet ein kleinteiligeres System, das nicht von wenigen Großbanken und Finanzmarkt-Spielern abhängig ist, die aufgrund ihrer Bilanzsumme im Ernstfall ganze Staaten in den Abgrund reißen können.

Der zweite und längst überfällige, weil vollkommen ausgeblendete Schritt ist, endlich ein tragfähiges Wachstumskonzept oder genauer gesagt ein tragfähiges Konzept der wirtschaftlichen Entwicklung für die EU als Ganzes, das heißt, einschließlich der EU-Schuldenstaaten, zu entwickeln. Ich habe das an anderer Stelle bereits ausführlich thematisiert, deswegen möchte ich das hier nicht weiter ausführen.

Tatsache ist, dass es das bisher nicht gibt - abgesehen von einigen halbherzigen und vagen Formulierungen im Zusammenhang mit dem Beschluss über das zweite Hilfspaket für Griechenland. Der EU ist die Wachstumsstory abhandengekommen! Anstatt Eurobonds sollte die EU den Finanzmärkten jetzt besser eine gute Wachstumsstory anbieten können.

Erst wenn diese beiden Punkte abgearbeitet worden sind macht es Sinn, über tatsächlich notwendige Finanzierungs- oder ggf. Transfermechanismen zu beraten. Und nur zur Erinnerung: Eine Transferunion haben wir bereits seit drei Dekaden, nämlich in Form der EU-Strukturpolitik, die nach der Agrarpolitik der zweitgrößte Ausgabenposten im EU-Haushalt ist!

Bis dahin sind Übergangslösungen meines Erachtens leider die einzige vernünftige Wahl. Denn der Druck der Finanzmärkte darf in der Zwischenzeit nicht dazu führen, dass die Euro-Zone kollabiert.

Ergänzend empfohlene Artikel:
-    EZB-Chefvolkswirt: Stark warnt vor der Einführung von Euro-Bonds (v. 19.08.11);
-    Meinung - Euro-Union: Das Volk kündigt den Vertrag mit der Politik (v. 22.08.11);
-    EZB: Bini Smaghi verteidigt Anleihekäufe (v. 15.09.11).

Für alle Zweifler:

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